Das US-Repräsentantenhaus hat ein Gesetz verabschiedet, das zum Verbot von TikTok in den USA führen könnte. Joe Bidens Regierung will die populäre Video-App unter amerikanischer Kontrolle sehen. Doch die Erfolgsaussichten sind ungewiss.
In den USA steht ein neuer Anlauf bevor, einen Eigentümerwechsel bei der Kurzvideo-App TikTok zu erzwingen. Ein entsprechendes US-Gesetz hat dazu die erste Hürde genommen. Die Gesetzesinitiative wurde im Repräsentantenhaus in einem seltenen Akt der parteiübergreifenden Geschlossenheit sowohl von den dort dominierenden oppositionellen Republikanern als auch von den Demokraten von Präsident Joe Biden unterstützt: Das Abgeordnetenhaus in Washington nahm es mit einer großen Mehrheit von 352 Ja-Stimmen an. Nun geht es an den US-Senat, wo die Positionen noch unklar sind.
In der Gesetzesvorlage wird dem chinesischen Mutterunternehmen Bytedance mit einem Verbot der App in den Vereinigten Staaten gedroht, wenn es diese nicht innerhalb von 180 Tagen veräußert. Bytedance steht im Verdacht, der Kommunistischen Partei Chinas Zugriff auf Nutzerdaten zu ermöglichen.
US-Präsident
Bytedance: Verkauf von TikTok ist letzte Option
Das Gesetz könnte zur Verbannung von TikTok aus amerikanischen App-Stores führen, wenn der Dienst im Besitz des Konzerns Bytedance bleibt. Dieser wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen gesehen, das sich entsprechend dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas beugen müsse.
Bytedance sei laut einem Medienbericht entschlossen, erst alle rechtlichen Mittel gegen ein drohendes Verbot in den USA auszuschöpfen, bevor über einen Verkauf nachgedacht wird. Eine Trennung von TikTok werde als letzte Option gesehen, schrieb der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen.
Der Entwurf müsste nach dem Abgeordnetenhaus noch vom Senat als zweiter Kammer angenommen und von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden. Die erforderliche Zustimung durch den Senat ist ungewiss. Einige einflussreiche Senatoren haben sich gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Auch der republikanische Ex-Präsident und voraussichtliche erneute Präsidentschaftskandidat
Nationaler Sicherheitsberater: "Wollen wir, dass Daten in Amerika bleiben oder nach China gehen?"
Biden machte bereits deutlich, dass er den Plan unterstützt. Sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte, es gehe nicht um ein "TikTok-Verbot", sondern um einen Eigentümerwechsel. "Wollen wir, dass TikTok als Plattform im Besitz eines amerikanischen Unternehmens ist – oder China gehört?", fragte er bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. "Wollen wir, dass Daten aus TikTok – Daten von Kindern und Erwachsenen – hier in Amerika bleiben oder nach China gehen?" Das seien grundsätzliche Fragen, bei denen Biden eine klare Position habe.
In den USA besteht – wie auch in Europa – die Sorge, die App könne zum Sammeln von Informationen über Nutzer durch chinesische Behörden oder für politische Einflussnahme missbraucht werden. Regierungen mehrerer Länder sowie die EU-Kommission untersagten die Nutzung von TikTok auf Diensthandys.
China wirft USA Schikane von TikTok vor
Chinas Außenministerium warf den USA vor, TikTok zu schikanieren. Dieses Verhalten untergrabe die internationale Wirtschafts- und Handelsordnung und werde am Ende für die USA ins Auge gehen, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin in Peking. Trotz nie gefundener Beweise für eine Gefahr für die nationale Sicherheit habe Washington nie aufgehört, TikTok zu verdrängen, fuhr er fort.
TikTok weist Bedenken stets zurück und betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chinesischen Unternehmens. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Kritiker kontern, dass die chinesischen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrolle dank höherer Stimmrechte hielten und Bytedance eine große Zentrale in Peking habe.
Trumps TikTok-Wende: Verbot würde Facebook helfen
TikTok hat nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzer in den USA. Schon Donald Trump versuchte während seiner Amtszeit als US-Präsident, mit Verbotsdrohungen einen Verkauf des US-Geschäfts von TikTok an amerikanische Investoren durchzusetzen.
Doch das Vorhaben scheiterte vor allem daran, dass US-Gerichte in den Plänen für ein TikTok-Verbot einen Verstoß gegen die in der US-Verfassung verankerte Redefreiheit vermuteten. Auch ein aktuelles Gesetz im Bundesstaat Montana, das TikTok dort aus den App-Stores verbannen sollte, liegt deswegen auf Eis.
Trump ist inzwischen von den Verbotsforderungen abgerückt. TikTok sei ein wichtiges Gegengewicht zu Facebook, das er als einen "Feind des Volkes" betrachte, sagte Trump jüngst im Wirtschaftssender CNBC. Die Position des Ex-Präsidenten wirft angesichts seiner Kontrolle über die Republikaner auch die Frage auf, ob das Gesetz vom Abgeordnetenhaus angenommen wird, in dem sie eine knappe Mehrheit haben.
Misstrauen gegen TikTok-Chef
Bevor sich Biden klar positionierte, waren die Demokraten im Bezug auf TikTok stark gespalten: Denn zum einen will der Präsident eine harte Position gegenüber China einnehmen, zum anderen ist die App bei jungen Nutzern populär, deren Stimmen er für eine Wiederwahl im November braucht.
Das "Wall Street Journal" schrieb, das Management von TikTok sei von dem Gesetzentwurf kalt erwischt worden. Der Dienst versucht seit Jahren, in den USA Vertrauen zu gewinnen mit dem Plan, Informationen amerikanischer Nutzer ausschließlich im Land zu lagern und Datenbewegungen von einem US-Partner überwachen zu lassen. Doch bei Anhörungen im US-Kongress schlug TikTok-Chef Shou Chew unverändert heftiges Misstrauen entgegen. (dpa/AFP/tas)
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