Sie war das Gesicht der Wiener Asylwende und eine Verbündete von Horst Seehofer gegen Angela Merkel: Johanna Mikl-Leitner tritt als Österreichs Innenministerin zurück. Wird nun alles anders? Es sieht nicht danach aus.

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Johanna Mikl-Leitner war oft einen Schritt voraus. Österreichs Noch-Innenministerin sprach schon von einem Grenzzaun der Grenze zu Slowenien, als sich Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) noch klar dagegen positionierte.

"Wer glaubt, so das Flüchtlingsproblem zu lösen, ist am falschen Dampfer", sagte der Kanzler noch im Oktober 2015, doch die ÖVP-Innenministerin setzte sich durch.

Kaum war der Zaun gebaut, brachte Mikl-Leitner als erstes Regierungsmitglied eine Obergrenze für Flüchtlinge ins Spiel. Die Maßnahme wurde umgesetzt, trotz aller Kritik aus Deutschland.

In Talkshows von "Hart aber Fair" bis "Anne Will" verteidigte sich Mikl-Leitner und wurde so zum Gesicht einer rigiden österreichischen Asylpolitik.

Applaus bekam sie dafür vor allem aus Bayern, immer wieder dankte Ministerpräsident Horst Seehofer der Regierung und besonders Mikl-Leitner für das Schließen der Balkanroute.

Nun geht die Galionsfigur der Wiener Asylpolitik überraschend von Bord: Mikl-Leitner wechselt zurück in die Landespolitik. Sie tauscht die Ämter mit ihrem ÖVP-Parteikollegen, dem niederösterreichischen Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka.

Der Zeitpunkt der Kabinettsumbildung kurz vor der Bundespräsidentenwahl am 24. April überraschte viele Österreicher. Trotzdem hat die Personalrochade keine weitreichenden politischen Folgen, ein Wandel in der Asylpolitik scheint ausgeschlossen.

Der designierte Innenminister Wolfgang Sobotka erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Sonntagabend, Mikl-Leitner habe "entscheidende Weichenstellungen" geleistet: "Dieser Kurs wird weiterentwickelt werden, daran ist nicht zu rütteln."

Bayern will am Brenner helfen

Für Horst Seehofer und Bayern ist das eine gute Nachricht. Schließlich gibt es einige Themen, bei denen die CSU-Landesregierung weiter eng mit Österreich zusammenarbeiten will.

Wenn die deutsche Bundesregierung wie angekündigt ab Mai die Grenzkontrollen in Bayern beenden will, wäre es für die CSU wichtig, dass Österreich die Übersicht darüber behält, wer ins Land einreist.

Konsequenterweise hat der bayrische Innenminister Joachim Hermann dem Nachbarn deswegen schon Hilfe angeboten - für den Fall dass am Brenner Grenzkontrollen eingeführt werden.

Weil die Balkanroute faktisch geschlossen ist, rechnen Experten und Politiker mit mehr Flüchtlingsverkehr über die Südroute und den Brennerpass Richtung Norden.

In Österreich ist die Maßnahme jedoch umstritten und unpopulär, Experten befürchten Millionenschäden für die Wirtschaft und den Tourismus.

Eine der letzten Amtshandlungen Mikl-Leitners führte die scheidende Innenministerin am Freitag nach Rom, wo sie Italien drängte, alle ankommenden Flüchtlinge in Hotspots zu registrieren. "Das Signal, das durchkommen muss, ist, dass sich die Flüchtlinge nicht aussuchen können, wo sie registriert werden", sagte sie.

Schaffe es Italien nicht, die Lage zu beruhigen, sehe sich Österreich gezwungen, die Grenzen "rigoros" zu kontrollieren. Vorbereitungen dazu werden schon jetzt eingeleitet - daran wird auch der neue Mann im Amt nichts ändern.

Unruhe innerhalb der ÖVP

Ohnehin hieß der Verbündete Horst Seehofers nie Johanna Mikl-Leitner, sondern ÖVP. Die Konservativen, die in der Großen Koalition als Juniorpartner der SPÖ fungieren, waren die treibende Kraft hinter dem Kurswechsel Österreichs in der Asylpolitik.

Seit dem Schwenk stellte sich Seehofer immer wieder an die Seite von ÖVP-Politikern, so wie vor einigen Wochen beim Auftakt des Bundespräsidentschaftswahlkampfs in Innsbruck.

"Gestern war ich im noch im deutschen Bundeskanzleramt zum Befehlsempfang, heute bin ich in Innsbruck und ich will nicht verschweigen, dass ich mich hier besonders wohl fühle", sagte Seehofer dort. Österreich sei in der Flüchtlingsfrage "ein Vorbild" und "die ÖVP der Taktgeber".

Mikl-Leitner erklärte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Sobotka, ihr Nachfolger sei der Richtige, um ihre Politik "nahtlos weiterzuführen".

Dass er das vorhat, daran ließ Sobotka keinen Zweifel: "Wir setzen Grenzen, und solange die EU nicht zu einer ganzheitlichen Situation kommen wird, ist das für uns die Maxime."

Unruhe in der Regierung und im Land

Trotzdem hat die Personalie in Österreichs Politik für Unruhe gesorgt. Die SPÖ hält sich offiziell bedeckt, hinter vorgehaltener Hand bezweifeln jedoch einige Sozialdemokraten, dass der als cholerisch geltende Sobotka so gut mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zusammenarbeiten wird wie Mikl-Leitner.

Den größten Ärger aber gibt es innerhalb der ÖVP. Die öffentlichkeitswirksame Rochade kommt zu einem Zeitpunkt, da der ÖVP-Kandidat Andreas Khol im Rennen um das Amt des Bundespräsidenten einen großen Rückstand aufholen muss.

Zu verantworten hat die Entscheidung Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der das Bundesland seit 1992 regiert. Seitdem agiert Mikl-Leitner an seiner Seite, von 2003 bis 2011 auch als Landesministerin für Soziales.

Mikl-Leitner gilt als mögliche Pröll-Nachfolgerin

Angeblich, so erzählte es der stets leutselige Pröll, musste er Mikl-Leitner bei ihrem Wechsel in die Bundespolitik versprechen, sie wieder zurückzunehmen. Nun sei die scheidende Innenministerin "ihrem Herzen gefolgt" und heimgekehrt.

Eine schöne Geschichte, hinter der zumindest ein Quäntchen Machtkalkül steckt: Pröll wird im Dezember 70 Jahre alt, dann wird er wohl sein Amt aufgeben. Mikl-Leitner hat er zu seiner Nachfolgerin erkoren.

Wolfgang Sobotka hingegen betrachtete Pröll stets als Störenfried, den er nun auf einen hohen Posten wegloben konnte. Politologe Peter Filzmaier kommentierte im ORF kurz und knapp: "Das ist eine gute Entscheidung - jedenfalls für die ÖVP Niederösterreich. Für die Bundespartei nicht."

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