Braucht es eine EU-Atombombe? Diese Idee wird nach Drohungen von Donald Trump gegen die Nato und einer Aussage von Katarina Barley heiß diskutiert. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. Zwei prominente Verteidigungspolitiker warnen nun davor, allzu leichtsinnig an das Thema heranzugehen.

Mehr aktuelle News

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und die Verteidigungsausschuss-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) haben vor einer leichtfertigen Debatte über den atomaren Nato-Schutzschild gewarnt. Sie war durch eine Äußerung des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump ausgelöst worden, die Zweifel am Beistandswillen der USA ausgelöst hatte.

Pistorius sagte dem Fernsehsender Welt: "Ich kann nur davor warnen, mit dieser Leichtfertigkeit eine solche Diskussion vom Zaun zu brechen, nur weil Donald Trump, der noch nicht mal Präsidentschaftskandidat ist, solche Äußerungen macht, mit denen er übrigens, wenn er sie umsetzen würde, den transatlantischen Beziehungen schweren Schaden zufügen würde."

Trump würde damit "am Ende auch den Ast absägen, auf dem Amerika sitzt". Das transatlantische Bündnis sei keine Einbahnstraße.

Weitere News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.

Strack-Zimmermann kritisiert Vorstoß von Barley

Die Debatte war zuletzt auch durch eine Äußerung von SPD-Europakandidatin Katarina Barley befeuert worden. Gegenüber dem "Tagesspiegel", hatte diese unlängst erklärt, dass sich ihrer Ansicht nach die Frage nach eigenen EU-Atombomben schon bald stellen könne.

Die FDP-Verteidigungsexpertin und Spitzenkandidatin für die Europawahl Strack-Zimmermann sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk mit Bezug auf die Äußerung von Barley: "Ich möchte Frau Barley nicht zu nahetreten, aber ich glaube, dass sie überhaupt keine Vorstellung hat, was das letztlich bedeutet".

"Das bedeutet nämlich nicht, man stellt mal zehn Atombomben an die eine Grenze oder an die andere, sondern das ist letztlich ein gewachsenes, ausgefeiltes System, in dem eben ganz Europa geschützt werden muss." Darüber könne man nachdenken, sagt Strack-Zimmermann und fügt hinzu: "Aber ich warne davor, das mal so am Kaffeetisch zu sagen".

Röttgen: Vorschlag in jeder Hinsicht "nicht von dieser Welt"

Auch Unionspolitiker reagierten derweil mit Unverständnis und Ablehnung auf die Äußerungen Barleys. Johann Wadephul (CDU), stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage" für europäische Atomwaffen. "Wer einfach so von einer europäischen Nuklearmacht fabuliert wie Frau Barley, übersieht völlig, was für ein einzigartiges vertrauensvolles Angebot die nukleare Teilhabe innerhalb der Nato durch die USA an ihre Verbündeten ist."

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wollte sich gar nicht erst auf eine inhaltliche Debatte über die Äußerungen von Barley einlassen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel."

Anders beurteilt der frühere Außenminister Sigmar Gabriel die Situation. "Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente", äußert sich der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für das Magazin "Stern". Der amerikanische Schutz werde absehbar enden, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, müsse jetzt beginnen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Scholz und Lindner uneins bei atomarer Abschreckung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine Diskussion über die Veränderungen des bisherigen Systems bislang ab. "Ich weiß nicht, was diese Diskussion heute soll", sagte er bereits im Januar der "Zeit". Er halte die nukleare Teilhabe mit den USA "für den realistischeren Weg".

Am Montag bekräftigte er diese Haltung nach den Drohungen Trumps an die Nato-Partner. "Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben".

Abweichend von diesem Kurs plädiert Bundesfinanzminister Christian Lindner für mehr Kooperation mit Frankreich und Großbritannien bei der atomaren Abschreckung. "Der französische Präsident Emmanuel Macron hat verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen", schrieb der FDP-Vorsitzende in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken."

Die nukleare Abschreckung der Nato basiert derzeit fast ausschließlich auf den US-Atomwaffen. Großbritannien und Frankreich sind daneben die einzigen beiden anderen Nato-Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen. Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits 2020 Gespräche über eine europäische Kooperation bei der atomaren Abschreckung angeboten - bisher ohne große Resonanz. (dpa/thp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.