Robert Habeck hat seine Küchentisch-Gespräche gestartet. Bei einer Erzieherin verspricht er mehr Geld für die Kitas. Doch mit dem Format könnte der Grünen-Kanzlerkandidat auch für Enttäuschungen sorgen.
Robert Habeck ist ein Mann mit vielen Aufgaben. Der 55-Jährige ist Bundeswirtschaftsminister, als Vizekanzler der Stellvertreter des Bundeskanzlers und seit rund einer Woche Spitzenkandidat der Grünen für die Neuwahl des Bundestags. Und jetzt tourt er auch noch an die Küchentische der Nation.
So hat es
"Hi, ich bin Robert"
Inzwischen hat Habeck angefangen: Zu Gast war er bei der Erzieherin Isabell in Schleswig-Holstein, deren Nachname und genauer Wohnort ungenannt bleiben. Das Video ist auf Habecks Profilen in den sozialen Medien zu sehen: Er kommt zur Tür rein, streichelt den Hund und ist schnell beim "Du": "Hi, ich bin Robert, passt das so für dich?"
Isabells Anliegen ist ihr Beruf: Sie ist Erzieherin und "sauer auf die Umstände": Wenn sie tagsüber 20 Kinder betreue, sei sie abends völlig geschafft und werde auch den Kindern nicht gerecht. Habeck zeigt sich verständnisvoll – und schlägt eine politische Lösung vor: zusätzliche zwei Milliarden Euro für die Kitas pro Jahr, finanziert über eine Steuer für Superreiche. "Wenn du mich das nächste Mal über Bildung und über mehr Erzieherinnen reden hörst, warst du das", sagt Habeck.
Die komplexe Wirklichkeit wirkt in diesem Video ganz simpel. Der gezeigte Ausschnitt des Gesprächs dauert gerade einmal vier Minuten. Bei Isabell hat der Kanzlerkandidat offenbar Eindruck gemacht. Sie ist froh, dass ihr zugehört wurde. Und sie habe wieder Hoffnung, sagt sie in die Kamera.
Lob, Überraschung und Kritik in den Kommentaren
In den sozialen Medien ist das Echo auf die Küchentisch-Premiere gespalten. Beim Videoportal Youtube loben viele Kommentatoren Habeck für das Format im Allgemeinen und einen empathischen Auftritt im Speziellen. Manche äußern sich auch positiv überrascht, dass der Kanzlerkandidat seine Ankündigung wirklich in die Tat umsetzt.
Doch das gefühlige Video gefällt natürlich nicht jedem. Wer sich kritisch mit den Inhalten auseinandersetzt, kann anmerken, dass Geld alleine die Kita-Misere nicht lösen wird, solange Erzieherinnen und Erzieher fehlen. Auch als Propaganda-Sendung wird das Format bezeichnet. Ein Nutzer schreibt: "Kommen Sie doch gerne mal in den Osten und hören sich die echten Probleme dieses Landes an, mit echten Menschen. Davor würde ich tatsächlich meinen Hut ziehen. Ich denke nur, keiner wird ihn in seine Küche lassen."
Auch andere Grünen-Politiker sollen an die Tische
Das Format passt in Habecks Strategie: In einem womöglich aufgeheizten Wahlkampf will er sich nahbar und freundlich im Ton präsentieren. Die Grünen sollen sich um die Alltagssorgen der Menschen kümmern, statt Kämpfe mit der Konkurrenz auszutragen. Doch die Ankündigung birgt auch ein politisches Risiko: Von einer vierstelligen Zahl an Einladungen ist zu hören. Die wird der Vizekanzler-Minister-Spitzenkandidat keinesfalls alle absolvieren können. Enttäuschungen wären also programmiert. Vor allem, wenn die Küchentisch-Gespräche wirken wie ein hastiges Wahlkampf-Instrument.
Tausende Küchentische zu besuchen – das sei für Robert Habeck unmöglich, räumt die neue Parteivorsitzende
Wer also Robert Habeck unbedingt am eigenen Küchentisch sehen wollte, wird möglicherweise enttäuscht sein: Vielleicht klingelt demnächst auch "nur" der lokale Bundestagskandidat an der Tür.
Verwendete Quellen
- Youtube-Kanal von Robert Habeck
- Pressekonferenz mit Franziska Brantner
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