Dass US-Präsident Donald Trump das Weiße Haus nach einer verlorenen Wahl nicht kampflos räumen würde, war vielleicht abzusehen. Das Ausmaß der Blockade des Amtsübergangs auf seinen designierten Nachfolger Joe Biden überrascht aber doch. Wie schwer kann Trump es Biden noch machen?

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Zumindest wird niemand im Nachgang sagen können, er habe es nicht angekündigt. Schon zu Beginn des Wahlkampfes um das Präsidentenamt in den USA hatte Donald Trump von Wahlbetrug und gestohlenen Wählerstimmen gesprochen - und auch davon, dass er eine Niederlage unter Umständen nicht anerkennen werde.

Mittlerweile ist die US-Wahl fast zwei Wochen her und hat nach übereinstimmenden Prognosen der großen US-Sender einen eindeutigen Sieger hervorgebracht: Der Demokrat Joe Biden konnte demnach 306 Wahlleute gewinnen, für einen Sieg nötig waren 270. Selbst Trump schien am Sonntag per Twitter Bidens Sieg anzuerkennen - nur um noch in derselben Nachricht doch wieder von Manipulation zu schreiben.

Eigentlich sind die Zahlen eindeutig genug, um dem President elect, wie die Bezeichnung des Wahlsiegers vor der Vereidigung als US-Präsident lautet, nun die Regierungsgeschäfte zu übergeben. Diese Phase bis zum 20. Januar 2021 wird in den USA transition (also Übergang) genannt und ist wichtig, damit der Amtsnachfolger alle wichtigen Informationen erhält und die Arbeit der Ministerien und anderer Behörden möglichst ungehindert weitergehen kann.

Transition teams bekommen keinen Zugang

"Der Übergang ist ein sehr komplexer Prozess, in den sehr viele Personen involviert sind", sagte der US-Experte und Leiter der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, David Sirakov, im Gespräch mit unserer Redaktion. Deswegen werden schon während des Wahlkampfes die transition teams, also die Teams für den Übergang, gebildet, die dann nach der Wahl in die Ministerien gehen, sich über die Abläufe informieren und auf den aktuellen Stand bringen lassen.

Biden hat auf seiner Website buildbackbetter.com, die nach seinem Wahlkampfmotto "Besser wiederaufbauen" heißt, alle Mitglieder dieser Teams aufgelistet. Es sind mehrere hundert und sie warten nun darauf, ins Weiße Haus sowie in die Ministerien und andere Behörden gelassen zu werden und mit den dortigen Mitarbeitern Kontakt aufzunehmen.

In den Ministerien selbst sollen bereits die entsprechenden transition books, also quasi Handbücher für die neue Administration bereitliegen. Sie enthalten alle wesentlichen Informationen und umfassen in der Regel mehrere hundert Seiten.

Behindert wird die Arbeit der transition teams im Moment vor allem dadurch, dass die Leiterin der General Services Administration, Emily Murphy, sich augenscheinlich weigert, ein Schreiben zu unterzeichnen, das Biden als Wahlsieger anerkennen würde. "Damit einher geht offenbar eine Weisung, dass sämtliche Absprachen mit Bidens transition teams zu vermeiden sind", sagt David Sirakov.

Keine Geheimdienst-Briefings, kein Budget für die transition teams

Ein Problem ist dabei auch, dass einige Mitglieder der transition teams während des Wahlkampfes aus dem Budget für die Kampagne bezahlt werden konnten, jetzt aber gerade kein Geld bekommen, weil die entsprechenden Bundesmittel noch nicht freigegeben sind. "Bidens Team hat derzeit weder Zugang zu Bundesbüroflächen für das Übergangspersonal noch zu den Geldern zur Bezahlung dieses Personals", so die Nordamerika-Spezialistin Irene Braam, die für die Bertelsmann Stiftung in Washington, D.C. arbeitet, zu unserer Redaktion.

Es fehlen also im Moment Informationen, Geld und Leute, um einen geordneten Übergang zu gewährleisten. Der Übergang von Trump auf Biden ist da übrigens kein Einzelfall: Auch bei den Übergängen von Barack Obama auf Donald Trump gab es Probleme, ebenso bei Bill Clinton zu George W. Bush.

Wie problematisch das sein kann, hat der Bericht einer US-Untersuchungskommission rund um die Anschläge des 11. September 2001 ergeben. "Diese Kommission hat festgestellt, dass die verzögerte Transmission von Bill Clinton zu George W. Bush die USA für den Terroranschlag verwundbar gemacht haben", sagt David Sirakov. Fehlende Informationen können also offenbar sogar die nationale Sicherheit gefährden.

Das gilt insbesondere für Geheimdienstarbeit - und auch hier wird Joe Biden im Moment nicht vorgelassen. "Während des Wahlkampfes erhielt Biden Geheimdienst-Briefings - was ihm als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl auch zusteht. Nun, nach der Wahl stünden ihm als President elect eigentlich weitere solche Briefings zu, aber Trump scheint ihm diese derzeit zu verweigern", erklärt USA-Fachmann Sirakov.

Biden wird sich vermutlich schnell einarbeiten

Joe Biden selbst gab sich zuletzt trotz der widrigen Umstände noch gelassen. Laut CNN sagte er, er erwäge derzeit nicht, rechtliche Mittel einzusetzen. Wahrscheinlich rechnet er damit, dass Trumps noch ausstehende Klagen gegen Wahlergebnisse in einigen US-Bundesstaaten abgewiesen werden und er dann auch offiziell zum Wahlsieger erklärt wird.

Irene Braam glaubt ebenfalls, dass die rechtlichen Fragen in eineinhalb bis zwei Wochen geklärt sein werden "und die Übergabe dann wie ursprünglich geplant vonstatten gehen kann". Die verlorene Zeit werde Biden wieder wettmachen können.

Er verfügt über große Politik- und Regierungserfahrung, unter anderem war er acht Jahre lang Barack Obamas Vize-Präsident. "Konkrete negative Folgen dieser Verzögerung befürchte ich nicht", sagt Braam.

Auf einer etwas abstrakteren Ebene sieht sie aber schon mögliche Auswirkungen: "Was durchaus leiden könnte, ist das Vertrauen der US-Bürger in das Wahlsystem und die Demokratie allgemein."

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterviews mit dem Leiter der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, Dr. David Sirakov, und mit Irene Braam, Geschäftsführerin der Bertelsmann Foundation North America, des US-amerikanischen Zweigs der Bertelsmann Stiftung
  • Joe Bidens Website buildbackbetter.com
  • CNN.com: Trump blocks transition as he refuses to accept loss
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