Donald Trumps Sieg bei der Präsidentschaftswahl in den USA ist für viele eine Riesenüberraschung. Der Großteil der im Vorfeld veröffentlichten Prognosen sahen seine Konkurrentin Hillary Clinton vorne, viele sogar recht deutlich. Doch wieso irrten fast alle Meinungsforscher?

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"Fox News"-Moderatorin Megyn Kelly war von dem Wahlergebnis so überrascht, dass sie vor laufender Kamera die Meinungsinstitute kritisierte: "Die Meinungsforscher lagen so was von daneben! Diese Voraussagen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen."

Ungenaue Umfragen

Ähnliche Kritik übt auch Prof. Dr. Klaus Benesch vom Lehrstuhl für Nordamerikastudien an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU): "Es wurden die falschen Leute befragt. 'Weniger gebildete' weiße Wähler, vor allem in ländlichen Gebieten, fanden zu wenig Gehör", sagte Benesch unserer Redaktion.

Viele Umfragen scheinen zwar repräsentativ und verlässlich zu sein, sind es aber nicht. In den USA wird für ein umfassendes Meinungsbild oft die Gesamtzahl aller zur Verfügung stehenden Umfragen genommen. Dort werden dann aber auch Umfragen mit eingerechnet, die nicht repräsentativ sind, weil zum Beispiel weniger als 1.000 Wähler befragt wurden. Dies kann zu einer Verzerrung führen.

Außerdem muss man das Wahlsystem der USA berücksichtigen. Am Ende kommt es nämlich nicht auf die Gesamtzahl der Stimmen an (dann hätte Hillary Clinton wohl knapp die Wahl gewonnen), sondern welche Bundesstaaten und damit Wahlmänner die Kandidaten für sich entscheiden. Dies lässt sich in Umfragen nicht problemlos darstellen.

Auch in der Methode der Erhebung kann es Ungenauigkeiten geben. So wird bei Telefon-Umfragen oft nur mit einer Person des Haushalts gesprochen. Dessen Meinung muss aber nicht zwangsläufig den gesamten Haushalt repräsentieren.

Durch unzureichende Ausgewogenheit der Befragten können solche Verfälschungen leicht auftreten. "Es ist noch zu früh für definitive Schlussfolgerungen, aber mögliche Erklärungen sind, dass es immer schwieriger wird, bestimmte Bevölkerungsgruppen zunächst einmal zu erreichen. Diese müssen tatsächlich auch bereit sein, an der Befragung teilzunehmen und letztlich auch ihre wahre Wahlabsicht angeben," sagte der Medienforscher Dr. Andreas Graefe von der LMU im Gespräch mit unserer Redaktion. "Und letztlich haben wir es sicherlich auch mit methodischen Fehlern zu tun, beispielsweise in der Klassifikation von Wählern und Nicht-Wählern."

"Auch beim Brexit-Votum in Großbritannien oder bei Umfragen zu rechten Parteien in Deutschland hat es viele falsche beziehungsweise zu niedrige Prognosen gegeben", sagte uns Dr. Andreas Etges, Experte für Politikgeschichte an der LMU. "Es mag damit zu tun haben, dass die Wahlforscher und Umfrageinstitute den 'Populismusfaktor', also die Anziehungskraft von Politikern wie Donald Trump, weit schwieriger kalkulieren können."

Demoskopie als Politikinstrument

Vor der Wahl kursierten im Netz diverse Umfragen, die kaum wissenschaftliche Kriterien erfüllten. Sie dienten nur dem Zweck, den einen oder den anderen Kandidaten gut dastehen zu lassen und so die Meinung der Wähler zu beeinflussen. Für den einfachen Internet-User ist es schwer, die Seriosität dieser Umfragen sofort zu erkennen.

So gab es nach den TV-Duellen beispielsweise Blitzumfragen, die Trump mit 90 Prozent der Stimmen als Gewinner dieses Duells sahen. Spätere, seriösere Auswertungen bewerteten den Ausgang der Debatte ausgeglichener oder sahen dann Hillary Clinton mehrheitlich als Gewinnerin der Debatte.

Unehrliche Wähler

Selbst wenn eine Meinungsumfrage einwandfrei und repräsentativ durchgeführt wurde, so kann eine bestimmte Komponente jedes Ergebnis komplett in die falsche Richtung steuern - der befragte Wähler. Der aktuelle, teils schmutzige Wahlkampf hat einmal mehr gezeigt, wie gespalten die USA in Politikfragen sind. Und gerade bei einem polarisierenden Charakter wie Trump hatten einige Wähler womöglich Skrupel, ihre ehrliche Meinung gegenüber dem Interviewer zu äußern.

Unentschlossene Wähler

Auch diesmal gab es wieder viele Amerikaner, die erst kurz vor der Wahl endgültig entschieden haben, ob sie wählen gehen und wem sie ihre Stimme geben. In einer CNN-Umfrage gaben 13 Prozent an, sich erst innerhalb der vergangenen Woche endgültig auf einen Kandidaten festgelegt zu haben. Diese Wählergruppe ist schwer von Meinungsforschern zu erfassen. Auch ist es möglich, dass die E-Mail-Affäre um Clinton diese Wähler entscheidend beeinflusst hat.

Mit Material der dpa.
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