Am Sonntag startet die Darts-WM in London, der Alexandra Palace - besser bekannt als "Ally Pally" - wird dann wieder zum Party-Tempel. Die lautstarken Fans waren vor allem bei der letzten Weltmeisterschaft großes Thema. Einer der deutschen Teilnehmer vertritt dabei eine klare Meinung.

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Darts wird immer populärer, gehört aber dennoch weiterhin zu den Sportarten, die über das Jahr gesehen aus Medien- und Fan-Sicht nicht immer vollumfänglich verfolgt und begleitet werden. Das ändert sich, wenn das Jahr dem Ende entgegengeht. Dann steigt mit der Darts-WM in London das Highlight der Saison – inklusive reichlich Berichterstattung und Zuschauerinteresse.

Austragungsort ist auch diesmal der altehrwürdige Alexandra Palace, unter Darts-Fans besser bekannt als "Ally Pally". Das Gebäude im Norden des Londoner Stadtbezirks Haringey gilt als Mekka des Darts-Sports. Hier duellieren sich Jahr für Jahr die besten Spielerinnen und Spieler um den WM-Titel.

Während der WM passen pro Session etwas mehr als 3.000 Zuschauer in die Halle – und die machen mächtig Alarm. Für viele Fans steht dabei nicht der Sport im Vordergrund, sondern vielmehr das Erlebnis an sich. Jeden Tag herrscht während der Spiele Party-Stimmung, viele der Zuschauer kommen in verrückten und ausgefallenen Kostümen und feiern gemeinsam.

Zuletzt veränderte sich die Stimmung aber teilweise etwas – immer wieder benahmen sich einige Zuschauer den Darts-Spielern auf der Bühne gegenüber unfair, häufig auch aufgrund von reichlich Alkoholkonsum. Denn das Bier, das fast schon zum Pflicht-Accessoire eines jeden Zuschauers gehört, ist fester Bestandteil der Darts-WM. Während des Turniers fließt es in Strömen, laut SID werden etwa 500.000 Pints oder umgerechnet 300.000 Liter getrunken. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt damit in jeder drei- bis vierstündigen Session bei 3,3 Litern pro Person.

Weltmeister ließ sich von deutschen Fans aus der Ruhe bringen

Was bei der vergangenen WM vermehrt negativ auffiel: Fans, die die Dartsspieler in entscheidenden Momenten mit gezielten Pfiffen aus der Konzentration bringen wollten, sowie durchgehende Buhrufe, wenn beispielsweise einer der weniger beliebten Spieler an der Scheibe stand.

Auch ein deutscher Spieler fand sich plötzlich in dieser Gemengelage wieder: Als Ricardo Pietreczko in der dritten Runde auf den klaren Favoriten und späteren Weltmeister Luke Humphries traf, hatte der Deutsche den Engländer schon am Rande einer Niederlage. Humphries spielte deutlich unter seinen Möglichkeiten – auch, weil er von den vielen anwesenden deutschen Fans im "Ally Pally" immer wieder entscheidend aus dem Konzept gebracht wurde.

Letztendlich gelang Humphries doch noch der Sieg, am Ende setzte er sich knapp mit 4:3 gegen Pietreczko durch. Seinen Erfolg feierte der sonst eher ruhige und zurückhaltende Humphries dann äußerst provokant auf der Bühne vor den Zuschauern. Er plusterte sich auf und hielt sich die Hände an die Ohren. Die unmissverständliche Botschaft: "Was ist los? Ich kann euch nicht hören!"

Luke Humphries jubelt nach seinem Sieg gegen Ricards Pietreczko
Luke Humphries jubelt nach seinem Sieg gegen Ricards Pietreczko. © IMAGO/Pro Sports Images/Ian Stephen

Nach dem Spiel fand der spätere Weltmeister deutliche Worte: "Da waren ungefähr drei Leute, die bei jedem einzelnen Wurf gepfiffen und gebuht haben. Das ist einfach lächerlich. Am Ende haben sie die Reaktion bekommen, die sie verdient haben", so Humphries auf der Pressekonferenz.

Darts wird in Deutschland immer beliebter, auch deshalb sind mittlerweile vor allem viele deutsche Fans bei der WM vor Ort. "Ich hatte 99 Prozent des Publikums gegen mich. Das war echt das härteste Spiel, was ich je gespielt habe", sagte Humphries damals.

"Das ist einfach nicht in Ordnung, egal, für wen man ist."

Ricardo Pietreczko nach dem WM-Spiel gegen Luke Humphries

Und auch sein Gegner bezog nach der bitteren Niederlage klar Stellung: "Ich habe mich entschuldigt für die ganzen Pfiffe im Publikum. Das ist einfach nicht in Ordnung, egal, für wen man ist." Er habe oft gehört, dass jemand in der Konzentrationsphase von Humphries gepfiffen habe – "das finde ich einfach nicht in Ordnung", sagte Pietreczko später bei Sport1.

Jetzt, knapp ein Jahr später, hat sich an der Sichtweise des Deutschen nichts geändert. "Dieses Gepfeife und so etwas – das mag keiner", sagte Pietreczko gegenüber der "Sportschau". "Das Buhen und die Hintergrundgeräusche, die hörst du irgendwann auch nicht mehr. Aber wenn dann so ein schriller Pfeifton kommt, dann wirst du völlig aus der Konzentration gebracht."

Für den 30-Jährigen wären in Bezug auf bewusste Störenfriede auch durchaus drastische Maßnahmen denkbar: "Es ist natürlich schwierig, aus diesen Menschenmengen herauszufiltern, wer das überhaupt ist. Aber ich sage: Wer das Spiel stört, sollte nicht weiter Teil des Events sein." Dem "Sportschau"-Bericht zufolge soll genau das, also der Rauswurf von Störern, in diesem Jahr noch konsequenter durchgesetzt werden. Vielleicht auch deshalb, weil es im vergangenen Jahr teilweise besonders wild und unfair zuging.

Besonders drastisch wird die Situation laut Pietreczko, wenn ein Mann gegen eine Frau spielt. "Im Darts ist es leider so, dass das Publikum den Spieler, der gegen eine Frau antritt, meistens lautstark auspfeift. Das finde ich komplett daneben. Gerade, wenn die Fans gezielt pfeifen, wenn ich auf ein Doppel werfe, nervt das extrem. Aber dieses Verhalten wird man aus den Leuten nicht mehr herausbekommen", erklärte der Dartsspieler schon im vergangenen Jahr im Interview mit unserer Redaktion.

Darts-Star lief plötzlich mit Kopfhörern auf

Einer der Stars des Sports machte bei der WM 2023 unmissverständlich deutlich, was er von den Störaktionen der Fans im "Ally Pally" hält. Im Viertelfinale gegen den Deutschen Gabriel Clemens spielte Gerwyn Price, als Waliser beim überwiegend englischen Publikum nicht unbedingt besonders beliebt, zeitweise mit Kopfhörern, um für sich für die nötige Ruhe zu sorgen.

Gerwyn Price
Ein mittlerweile legendäres Bild: Gerwyn Price trägt beim Match gegen Gabriel Clemens zwischenzeitlich Kopfhörer. © IMAGO/Pro Sports Images/Ian Stephen

Am Ende half auch dieses ungewöhnliche Mittel nicht, Price schied aus, Clemens zog ins Halbfinale ein. Später kritisierte der Waliser die Zuschauer deutlich – und das nicht zum ersten Mal: "Die Zuschauer waren bei diesem Turnier furchtbar. Das war so, als ich sie (die Kopfhörer, d.Red.) anhatte, und das ist jedes Jahr so", sagte er.

Die Professional Darts Corporation (PDC) reagierte unbeeindruckt auf die Beschwerde von Price: "Die Atmosphäre ist Teil der Veranstaltung und etwas, an das alle Spieler gewöhnt sind", zitierte der "Guardian" einen PDC-Sprecher damals.

Der Darts-Sport ist auch wegen dieser großen Unterschiede so interessant: Wohl in keiner anderen Sportart trifft Konzentration, Ruhe und Präzision in so gebündelter Form auf Party-Stimmung und eine teils ohrenbetäubende Lautstärke. Auch das macht für viele Zuschauer den Reiz aus. Dass es bei der am Sonntag startenden WM im "Ally Pally" also ruhiger zugehen wird, kann ausgeschlossen werden. Es liegt an den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, mit dieser besonderen Situation zurechtzukommen.

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