• Der russische Eishockey-Torwart Ivan Fedotov wollte in die nordamerikanische Profiliga NHL wechseln und muss stattdessen nun Militärdienst ableisten.
  • Der Verdacht liegt nahe, dass russischen Eishockey-Stars vorsätzlich der Wechsel nach Nordamerika verweigert wird.
  • Droht den russischen NHL-Stars, die derzeit ihre Familie in Russland besuchen, ein ähnliches Schicksal?

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Er wollte in die NHL und landete stattdessen auf einem russischen Marinestützpunkt. Der Fall Ivan Fedotov schreckt die Eishockey-Welt auf. Der Torwart ist in Russland ein Star und gewann erst im Februar mit der russischen Nationalmannschaft die olympische Silbermedaille. Nun wollte er offenbar seinen Verein ZSKA Moskau verlassen und in die nordamerikanische Profiliga NHL wechseln.

Die Philadelphia Flyers hatten sich bereits im Jahre 2015 die Rechte an dem Goalie gesichert. Erst im Mai dieses Jahres unterzeichnete Fedotov dort einen Einjahresvertrag. Der 25-Jährige hätte gute Chancen gehabt, zumindest als Backup seine Einsätze in der besten Eishockey-Liga der Welt zu bekommen.

Doch es kam völlig anders: Laut übereinstimmenden Medienberichten wurde Fedotow am 1. Juli in St. Petersburg nach dem Training festgenommen. Der offizielle Grund: Wehrdienstverweigerung. Tatsächlich allerdings könnten ganz andere Gründe dahinterstecken.

ZSKA Moskau hat eine enge Verbindung zur russischen Regierung und Armee

Der kremlkritische russische Journalist Anton Orech vermutet, dass die Führung von ZSKA über den Wechselwunsch von Fedotov verärgert ist. Dazu muss man wissen: ZSKA Moskau ist eng mit der russischen Armee verbunden. Früher gehörte der Klub sogar direkt der Sowjetarmee an. Heute ist der Ölkonzern Rosneft, der mehrheitlich der russischen Regierung gehört, der Besitzer dieses Clubs.

Kremlsprecher Dmitri Peskow spielt den Fall herunter: "Wir haben einen Entwurf im Einklang mit dem Gesetz, sodass jeder emotionale Kommentar völlig unangemessen wäre. Es gibt bestimmte Gründe für Aufschiebungen und verschiedene Möglichkeiten, Militärdienst als Athlet zu leisten."

Russland wollte in diesem Frühjahr mehr als 130.000 Männer für ein Jahr Militärdienst einberufen. Tatsächlich verfügt das russische Militär auch über spezielle Einheiten für Athleten, die während ihres Dienstes weiter ihrem Sport nachgehen können. Das ist allerdings nur in Russland möglich. Der Traum von der NHL lässt sich dann nicht erfüllen.

Fedotov will gerichtlich gegen seine Einberufung vorgehen

Fedotov wurde offenbar bei der Nordmeerflotte in die Sportkompanie versetzt. Im kommenden Jahr soll er bei dem zur Militärbasis gehörenden Club "Avantgarde" das Tor hüten. Der Schlussmann allerdings will sich mit seinem Schicksal nicht abfinden und hat gegen seine Einberufung bei Russlands Nordmeerflotte geklagt.

"Die Dokumente wurden am Freitag abgeschickt, wir warten auf die Annahme durch das Gericht und werden uns dann in Richtung Prozess bewegen", sagte Alexei Ponomarev, der Anwalt des Torhüters, am Mittwoch gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur "Ria Nowosti". Die Erfolgsaussicht ist sehr ungewiss.

Die gesamte NHL befindet sich nun in Aufruhr und sorgt sich um die russischen Spieler. Rund 40 Vertragsspieler aus Russland sind in der nordamerikanischen Profiliga aktiv. Dazu zählen einige Superstars wie Alexander Ovechkin von den Washington Capitals oder Igor Shesterkin von den New York Rangers.

Ovechkin beispielsweise gilt als der Lieblingsspieler des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ovechkin selbst hat als Instagram-Profilfoto ein gemeinsames Bild mit Putin hochgeladen. Er muss sich vermutlich keine Sorgen machen – andere Spieler schon.

Superstar Kirill Kaprizov droht der Militärdienst

Mehrere Klubmanager und Spielerberater rieten ihren russischen Eishockeyprofis dazu, den Sommer in Nordamerika oder in der EU zu verbringen. Viele Spieler allerdings sind trotzdem in die Heimat gereist, um dort ihre Familie zu besuchen.

Ob sie alle wieder zurückkommen werden?

Anlass zur Sorge bereitet auch Kirill Kaprizov. Der russische Stürmer war vergangene Saison der erfolgreichste Torjäger des NHL-Teams Minnesota Wild und hat dort einen bis zum Jahre 2026 gültigen Vertrag. Derzeit befindet er sich im Heimaturlaub in Russland. Ob er zurückkehren wird, ist ungewiss.

Kaprizov ist ein ehemaliger Spieler von ZSKA Moskau. Ihm wird laut Medienberichten vorgeworfen, im Jahre 2017 einen gefälschten Militärausweis erworben zu haben. Sein Vater bestreitet dies und sagte, Kaprizov wäre damals Student gewesen und hätte den Militärdienst aufschieben können. Das Problem: Dieser Aufschub ist laut einem Bericht von "theathletic.com" am 30. Juni ausgelaufen.

Sollte das stimmen, könnte ihm die Ausreise aus Russland verwehrt werden, weil er seinen Militärdienst ableisten muss. "Es ist beängstigend", sagt Dean Evason, der Trainer von Minnesota. Diese Gefühlslage teilt er mit vielen Verantwortlichen in der NHL.

"Es gibt viele Fragen, aber keine Antworten"

"Ich denke, viele von uns sind besorgt", sagt auch Brian MacLellan, der Manager der Washington Capitals. Grundsätzlich bestehe die Gefahr, dass den Spielern die Ausreise verweigert werde: "Es gibt viele Fragen, aber keine Antworten."

Eine nicht genannte Quelle sagte gegenüber "RIA Novosti", einer russischen Agentur für internationale Informationen, dass auch andere ehemalige ZSKA-Eishockeyspieler möglicherweise in die Armee eingezogen werden, wenn sie sich für einen Wechsel in die NHL entscheiden sollten. "Die Armee besitzt die Rechte an vielen jungen Spielern, die jetzt im Ausland spielen", heißt es.

Besonders Spieler, die für ihre erste Profisaison in die NHL wechseln möchten, könnten Probleme bekommen. Bei dem NHL Draft 2022, die Talentziehung der NHL fand am Donnerstag und Freitag statt, wurden 25 russische Spieler ausgewählt. Frei von Risiken ist das nicht. Niemand kann garantieren, dass sie wirklich zum Trainingsstart nach Nordamerika reisen können.

Frühere russische NHL-Profis flüchteten in die USA

Dass russischen Eishockey-Spielern der Wechsel nach Nordamerika erschwert wird, ist kein neues Phänomen. In den Zeiten des Kalten Krieges und auch noch danach war es russischen Spielern oftmals verboten, das Heimatland zu verlassen und in die NHL zu gehen.

Einige der weltbesten Eishockeyspieler mussten daher im wahrsten Sinne des Wortes nach Nordamerika flüchten. Sergei Fedorov, der mit den Detroit Red Wings zweimal den Stanley Cup gewann, nutzte zum Beispiel im Jahre 1990 ein Auswärtsspiel der sowjetischen Nationalmannschaft in Portland (USA), um unterzutauchen und kurz darauf in Detroit das Training aufzunehmen.

Es ist gut möglich, dass sich solche Geschichten bald wiederholen.

Verwendete Quellen:

  • nhl.com: Flyers verpflichten G Ivan Fedotov zum Einstiegsvertrag
  • sportschau.de: Russlands Nationaltorhüter Fedotow wehrt sich gegen Einberufung
  • espn.com: Ivan Fedotov at remote military base in northern Russia, agent for Philadelphia Flyers goalie prospect says
  • ran.de: Fall Ivan Fedotow und die Folgen - Ruiniert der Ostwest-Konflikt die Karrieren russischer Eishockey-Spieler?
  • theathletic.com: Wild offseason off to an ominous start: The latest on the Kaprizov situation, Talbot drama and more


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