Michael Schumacher hat mit Ferrari die Formel 1 jahrelang dominiert. Teilweise so deutlich, dass das eigene Personal bei den Rennen eingeschlafen ist. Das verriet jetzt der frühere Ferrari-Aerodynamikchef Nikolas Tombazis.

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Michael Schumacher überholte in seinem Ferrari nach dem Start ein paar Gegner, setzte sich an die Spitze und fuhr den nächsten souveränen Sieg ein. Oder er stand sowieso auf der Pole Position, fuhr dem Feld davon und einmal mehr als Erster durchs Ziel.

Dass man als Fan da möglicherweise am Sonntag vor dem Fernseher zwischendurch mal ein Nickerchen macht, dürfte nachvollziehbar sein. Es dürften auch einige Formel-1-Anhänger selbst erlebt haben. Doch als Ferrari-Aerodynamikchef? Offenbar kein Witz: Das ist tatsächlich passiert, wie Nikolas Tombazis jetzt im Podcast "Beyond the Grid" verraten hat.

Neben der Dominanz Schumachers hatte das vor allem zwei Gründe. "Wir hatten damals kleine Kinder, und als Vater kleiner Kinder bist du ziemlich müde", sagte Tombazis. Außerdem war er als leitender Aerodynamiker vor allem im Ferrari-Werk in Maranello und nicht an der Rennstrecke tätig. Und damit saß er bei den Rennen in der Regel auf dem heimischen Sofa.

Und wenn Schumacher nach einigen Runden "fünf Sekunden Vorsprung hatte, da hatte man den Eindruck, die Sache ist erledigt. Manchmal bin ich erst zur Nationalhymne wieder aufgewacht", sagte er.

"Ich habe irgendwann angefangen zu denken, das ist viel zu einfach."

Nikolas Tombazis, ehemaliger Ferrari-Aerodynamikchef

Tombazis hatte 1997 ein Jahr nach Schumacher bei Ferrari angefangen und wechselte zum Ende der Schumacher-Dominanz 2004 zu McLaren. Er suchte nach vier Ferrari-Titeln und 35 Rennsiegen mit Schumacher zwischen 2000 und 2003 eine neue Herausforderung. "Ich habe irgendwann angefangen zu denken, das ist viel zu einfach, das ist nicht wirklich eine Herausforderung. Egal, was wir tun, wir gewinnen", so Tombazis.

Bei McLaren wurde er aber nicht wie erhofft als Nachfolger von Adrian Newey Technischer Direktor, weshalb er 2006 zu Ferrari zurückkehrte. Die Dominanz Schumachers war da schon beendet, Ferrari holte 2007 mit Kimi Räikkönen noch einmal den Titel, seitdem nicht mehr.

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"Ich dachte, dass Siege so gut wie garantiert wären. In späteren Phasen meiner Karriere habe ich mir gedacht, wie dumm ich war, zu glauben, dass Siege einfach und garantiert sind, denn offensichtlich habe ich auch andere Phasen in meiner Karriere durchgemacht, in denen es keine Siege gab. Und das war wirklich sehr, sehr hart“, sagte Tombazis: "Ich hatte also das Gefühl, dass ich die Siege nicht zu schätzen wusste, als sie so leicht zu erringen waren."

Erinnerungen an Schumacher

Ende 2014 endete seine Zeit bei Ferrari endgültig. Heute arbeitet Tombazis für den Automobil-Weltverband FIA als Single-Seater-Direktor und ist für das neue Reglement für die Zeit ab 2026 mitverantwortlich. Wenn er sich an die gemeinsame Zeit mit Schumacher erinnert, gerät er ins Schwärmen.

"Mit Michael zu arbeiten, das war etwas Besonderes. Er war verbissen und wirklich sehr talentiert, dazu noch sehr intelligent. Er hat das Team geschätzt und ich empfand ihn immer als sehr freundlich und sehr, sehr nett. Und das, obwohl er so ein Superstar war", sagte Tombazis.

Und auch, obwohl die Erwartungshaltung grundsätzlich nicht ohne war. Ferrari hatte damals seit 1979 keine WM mehr gewonnen. "Es setzte unheimliche Verzweiflung ein. Den ganzen Druck konnte man spüren, Tag für Tag. Und das merkt man. Denn manche Leute werden dann pessimistisch und sagen: 'Wir gewinnen nie'", sagte Tombazis.

Der Druck bei Ferrari sei sowieso "zehnmal größer" als bei anderen Teams, betonte Tombazis. Und mit Schumacher gab es "keine Ausreden. Wir hatten den besten Fahrer, also mussten wir liefern. Dass uns das dann gegen einen Wettbewerber wie McLaren gelang, war unheimlich befriedigend". Vom Titelgewinn 2000 bekommt er deshalb "immer noch eine Gänsehaut".

Ein Grund für die Dominanz

Und danach lief es wie am Schnürchen, mit vier weiteren Titeln. Denn der Druck fiel ab. Es wurde ruhiger, "man denkt dann eher langfristig und nicht mehr kurzfristig. Das ist die Hauptsache", sagte Tombazis. Und das passiere bei allen Teams, die eine dominante Phase haben wie zuletzt Mercedes oder Red Bull: "Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen über das nächste Rennen. Und sie müssen sich auch keine Gedanken darüber machen, dass sie jemand kritisch hinterfragt. Denn sie haben ja gerade gewonnen", sagte Tombazis. So entstand bei Ferrari eine jahrelange Formel-1-Dominanz. Und das eine oder andere Nickerchen auf dem Sofa.

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