Die Kooperation zwischen Red Bull Racing und den Racing Bulls (früher Toro Rosso und AlphaTauri) ist kein Geheimnis und vom Reglement abgesegnet. McLaren-Boss Zak Brown ist sie aber ein Dorn im Auge. Das hat er in den vergangenen Wochen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Nun konterte Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

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Es gab schon mal ruhigere Zeiten in der Formel 1. Dass es vor wenigen Wochen mal Untersuchungen gegen Toto und Susie Wolff gab und zudem Wirbel um die Absage der Königsklasse an das ambitionierte Andretti-Projekt, dürften viele schon vergessen oder verdrängt haben.

Zu frisch sind die Skandal-Vorwürfe gegen Red-Bull-Teamchef Christian Horner wegen einer vermeintlichen sexuellen Nötigung. Red Bull steht auch bei einem weiteren Streit im Fokus: Geht die Kooperation mit den Racing Bulls, früher bekannt als Toro Rosso und AlphaTauri, zu weit? Das moniert McLaren-Boss Zak Brown.

Dabei sagt Brown nicht, dass Red Bull Racing und das Schwesterteam Racing Bulls betrügen oder gegen die Regeln verstoßen würden. Vielmehr kritisiert Brown eben jene Regeln, die eine Zusammenarbeit in dem Ausmaß erlauben. "Die Regeln sind nicht angemessen", sagte er bei motorsport.com.

"Soweit ich weiß, gibt es keinen anderen großen Sport, in dem man zwei konkurrierende Teams besitzen kann", sagt er. "Das ist in keiner anderen Sportart erlaubt, wegen der politischen Einflussnahme und des Spielerhandels. Es gibt alle möglichen Gründe dafür."

Technische, politische und strategische Vorteile

Ein Beispiel aus der Formel 1: In den Sitzungen der FIA-F1-Kommission fallen die Abstimmungen laut Brown immer gleich aus, "auch wenn es theoretisch nicht im Interesse eines der Teams sein sollte", sagte er. "Wir haben es auf der Strecke gesehen, einige Kooperationen sind im Gange", fügte er hinzu und spielt damit auf strategische Möglichkeiten unter den vier Autos an. "Und in technischer Hinsicht haben sie sehr offen gesagt: 'Wir werden die Aufhängung übernehmen' und so weiter."

Bedeutet: Es gibt die technischen Möglichkeiten, die vom Weltverband freilich überwacht werden, aber es gibt eben auch strategische und politische Möglichkeiten, die ausgereizt werden können. Die Rivalität, die unter anderen Teams normal ist, herrscht zwischen Red Bull Racing und den Racing Bulls nicht. Und während bei Wechseln des Personals von einem zum anderen Team in der Regel eine befristete Sperre gilt, läuft das innerhalb eines Unternehmens ohne eine solche ab.

Nicht mehr zeitgemäß

Brown findet, dass solch eine enge Kooperation schlicht nicht mehr zeitgemäß ist, und dass das Reglement in der Hinsicht geändert werden müsste. "Ich denke, dass der Sport sich jetzt auf ein gleiches Spielfeld zubewegt hat, sodass A-B-Beziehungen, Miteigentümerschaft an zwei Teams, meiner Meinung nach kein gleiches Spielfeld sind. Das ist nicht das, was die Fans erwarten, und deshalb muss die FIA etwas dagegen unternehmen."

Es ist klar, dass die beiden Teams das Maximum aus dem herausholen, was die Regeln hergeben. Daraus hat Red Bull auch nie einen Hehl gemacht, und das Ausreizen des Erlaubten gehört zum guten Ton in der Formel 1. Brown gibt zu, dass er es genauso tun würde.

Red Bull spiele zwar "nach den Regeln", so Brown, der Sport entwickle sich aber mit einer Budget-Obergrenze weiter und ziele auf zehn unabhängige Teams ab: "Wenn die Absicht der Obergrenze darin besteht, ein gleiches Spielfeld zu haben - dann sind die Regeln, wie sie derzeit geschrieben sind, nicht für alle gleich", sagte er.

"Wir müssen das jetzt angehen und die FIA muss das in den Regeln berücksichtigen. Ich glaube einfach, dass wir totale Unabhängigkeit und totale Fairness brauchen. Das haben wir in allen Sportarten", sagte Brown.

Horner versteht die Aufregung nicht

Bei den Testfahrten in Bahrain in dieser Woche wies Red Bulls Teamchef Christian Horner die Vorwürfe vehement zurück. Für ihn ist das in gewisser Weise ein gewohntes Bild, denn seit den Anschuldigungen der Red-Bull-Mitarbeiterin befindet er sich permanent in einer Abwehrhaltung.

"Ich verstehe die Aufregung darüber nicht", erklärte er. "Ich verstehe den Lärm nicht, der darum gemacht wird. Und ich denke, Red Bull sollte für die Unterstützung, das Engagement und die Arbeitsplätze, die sie in den guten und vor allem in den schlechten Zeiten zur Verfügung gestellt haben, gelobt werden und nicht verhöhnt. Für mich ist das kein Thema."

Horner verwies auf die Finanzkrise 2008, als Red Bull in der Formel 1 blieb, während andere Hersteller flüchteten. Auch in der Corona-Pandemie unterstützte der Konzern die Königsklasse.

Die beiden Teams seien völlig getrennt, erklärte Horner. "Das eine ist in Italien ansässig. Das eine hat seinen Sitz in Großbritannien, und das italienische Team hat einen weitaus größeren Anteil an Mitarbeitern, die in Maranello landen als in Milton Keynes." Also eher bei Ferrari als bei Red Bull Racing.

"Sie haben unterschiedliche Persönlichkeiten, sie haben unterschiedliche Charaktere, und sie halten sich ständig an die Vorschriften. In der Tat ist die Beziehung weit weniger eng als bei einigen Teams, die sehr enge Beziehungen zu ihren Motorenherstellern haben", so Horner.

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Horner geht davon aus, dass es bei der Kritik vor allem darum geht, dass die Racing Bulls in den kommenden Monaten konkurrenzfähiger werden könnten – und McLaren möglicherweise auf die Pelle rücken: "Wenn ich Laurent (Mekies, Racing-Bulls-Teamchef; Anm. d. Red.) wäre, würde ich es als Kompliment sehen, dass diese Probleme jetzt wegen der neuen Führung geäußert werden, durch die das Team die Chance hat, die Dinge in den Griff zu bekommen. Wir erwarten, dass sie nicht nur mit dem Rest des Feldes, sondern auch mit Red Bull Racing konkurrieren können", so Horner.

Er stellt daher klar: "Wir sind ein Team von Rennfahrern. Und es gibt keine vorgegebenen Regeln und keine Absprachen zwischen den Teams." Das letzte Wort ist in der Sache trotzdem noch nicht gesprochen. Keine Frage: Es gab schon mal ruhigere Zeiten in der Formel 1.

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