Auch der Große Preis von Kanada Anfang Juni findet nicht statt, ein Start in Frankreich ist unwahrscheinlich. Ob und wann die Formel-1-Saison anfängt, ist ungewiss. Die Ausfälle bringen vor allem kleine Rennställe in große Schwierigkeiten. Die Formel 1 könnte die Coronakrise als Chance für einen Neuanfang sehen, meint Motorsportlegende Hans-Joachim Stuck.

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Die Ampeln stehen auf Rot. Auf Corona-Rot. In der Formel 1 herrscht Stillstand. Neun Rennen sind abgesagt worden, dass der Große Preis von Frankreich (geplant am 28. Juni) stattfindet, gilt aufgrund von Frankreichs strengen Corona-Regeln als unwahrscheinlich. Starten könnte die Saison frühestens Anfang Juli in Spielberg, zum Großen Preis von Österreich.

Motorsportlegende Hans-Joachim "Strietzel" Stuck glaubt, dass die Verantwortlichen sich für einen späteren Saisonstart entscheiden. Für klug hält er das nicht. Zu viele Rennen seien bereits abgesagt, "die Saison ist eigentlich erledigt. Es wäre für alle Beteiligten sinnvoller, sich auf eine ordentliche Saison 2021 vorzubereiten", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Rennen – sofern sie stattfinden – wären nur unter strengen Hygienevorschriften möglich, dazu zählen etwa Reisevorschriften, Übernachtungsregeln – und vermutlich vorerst Geisterrennen. Dass die Rennen in der ganzen Saison ohne Zuschauer stattfinden, ist ebenfalls möglich. Für Stuck aber ein zentrales Problem: "Die Fans sind die Kunden des Motorsports, wir alle fahren doch für die Fans."

Abbruch oder später Start: Die ökonomische Abwägung

Neben Stuck raten auch der ehemalige Boss des Automobilweltverbands FIA, Max Mosley, und der frühere Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone zu einem Saisonabbruch. "Mit Abwarten riskiert man, die Lage zu verschlimmern, ohne die Sicherheit zu haben, dass man etwas gewinnt", erklärte Mosley.

Auch im Juli sei ein Start nicht garantiert. "Ich weiß nicht, wie wir in diesem Jahr noch auf eine angemessene Anzahl an Rennen kommen soll", sagte Ecclestone der "BBC". Um eine Meisterschaft austragen zu können, müssen mindestens acht Rennen gefahren werden.

Bei einem Saisonabbruch entstünde ein enormer wirtschaftlicher Schaden: Der laufende TV-Vertrag kann nicht erfüllt werden, Werbe- und Marketingeinnahmen bleiben aus, die Rennstreckenbetreiber zahlen die – enorm hohen – Antrittsgagen nicht. Bei einem späteren Saisonstart könnte zumindest ein Teil des Geldes fließen. Für Stuck der falsche Ansatz. "Was jetzt zählt, ist doch nicht das Geld, sondern die Gesundheit."

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Kostendeckel würde helfen: Kleine Teams in Kurzarbeit

Alle Teams sind zwangsweise bis Ende Mai im Werksurlaub, Renault, Racing Point, Alfa Romeo, McLaren und Williams haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Um ihren Verbleib in der Formel 1 zu sichern, beraten FIA-Chef Jean Todt, die Teamchefs und der Geschäftsführer von Formel-1-Besitzer Liberty Media, Chase Carey, erneut über eine Budgetobergrenze.

Für 2021 hatten sie sich auf ein finanzielles Limit von 175 Millionen Dollar, etwas mehr als 160 Millionen Euro, geeinigt. Mehr sollten die Rennställe nicht ausgeben dürfen. Fahrergehälter sind ausgenommen.

Nun ist von einer erneuten Senkung die Rede. McLaren-Teamchef Andreas Seidl erklärte in einer Videoschalte mit Medienvertretern, sein Team sei "einverstanden damit, in Richtung 100 Millionen zu gehen". Für Stuck seien gar 70 Millionen Euro "ein guter Ansatz". Diesen Vorschlag hatte Formel-E-Chef Alejandro Agag vorgebracht.

Budgetobergrenze: Existenzen sichern und Wettbewerb steigern?

Neben den Kosteneinsparungen würde eine Gehaltsobergrenze zu mehr Chancengleichheit führen. "Durch die finanzielle Angleichung hätten mehr als nur drei oder vier Teams die Chance auf einen Sieg", meint Stuck. Allerdings wäre eine Budgetobergrenze schwer zu kontrollieren. Die großen Teams, Mercedes und Ferrari, liegen Berichten zufolge mit rund 400 Millionen deutlich darüber.

Müssten die kleineren Teams aufgeben, stünde die Zukunft der kompletten Rennserie auf dem Spiel. Dann würde die Formel 1 vielleicht nicht einmal die Startplätze vergeben können.

Neustart: Wie die Formel 1 die Krise nutzen könnte

Laut Stuck könne die Königsklasse die Krise aber als radikalen Neuanfang sehen. "Wir haben die fetten Jahre gehabt", bilanzierte er. "Die Situation jetzt ist bestens geeignet, um ein ordentliches Paket für die Zukunft zu schnüren."

FIA-Boss Jean Todt und Liberty-Media-Geschäftsführer Chase Carey hätten es nun in der Hand, dem Imageverlust der Formel 1, etwa durch einseitige Weltmeisterschaften und zu hohe Antrittsgelder für Rennstreckenbetreiber, entgegenzuwirken.

Stuck schlägt neben Budgetobergrenzen beispielsweise vor, verschiedene Motorsportserien zusammenzulegen und den Nachwuchs intensiver einzubinden. Und, den Eventcharakter stärker in den Vordergrund zu rücken, auch um Aufmerksamkeit zu generieren. So profitiere nicht nur die Formel 1, sondern der gesamte Motorsport. Mit weniger Geld und mehr Zuschauern. Wenn sie wieder dabei sein dürfen. Der Neustart wird kommen.

Verwendete Quellen:

  • Süddeutsche: Wie viele Rennen passen noch in dieses Jahr?
  • tonightnews: Rennserie in Corona-Not: Steht die Formel 1 vor dem Totalschaden?
  • t-online: McLaren-Teamchef: "Finaler Wachruf" für die Formel 1"
  • Sky: Haas-Teamchef Steiner fordert: Budgetobergrenze weiter senken
  • Formel 1: 100 statt 175 Millionen: McLaren plädiert für niedrigere Budgetobergrenze
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