Zweitligist Fortuna Düsseldorf hat mit einem innovativen Fan-Konzept für Aufsehen gesorgt. Fanforscher Harald Lange hält die Idee für gelungen, verweist im Gespräch mit unserer Redaktion aber auch darauf, dass dies nicht automatisch ein Selbstläufer wird.
Die Skepsis kam reflexartig, und das war zu erwarten. Denn wenn sich etwas so anhört, als sei es zu schön, um wahr zu sein, dann ist es in vielen Fällen leider auch nicht wahr. Bei Fortuna Düsseldorf war es ähnlich, als der Zweitligist sein Freier-Eintritt-Konzept vorstellte. Ein Modell pro Fans? Im Profifußball? Mit einem sozialen Touch auch noch? Das kann ja eigentlich nur einen Haken haben, wenn nicht sogar mehrere.
Diese Zurückhaltung und den Argwohn haben sich die Vereine in den vergangenen von Kommerz geprägten Jahren hart "erarbeitet". Doch für den Fanforscher Harald Lange klingt der aktuelle Ansatz der Fortuna "vielversprechend", wie er im Gespräch mit unserer Redaktion betont. Und das aus mehreren Gründen.
Was die Düsseldorfer zuletzt vorgestellt haben, war ein Konzept mit ersten Ansätzen, wie ab der kommenden Saison schrittweise der komplett freie Eintritt eingeführt werden soll. Eine Idee, eine zugegebenermaßen revolutionäre und höchst interessante, aber noch nicht bis ins allerletzte Detail ausgereifte. Doch sie macht eine Sache anders als unzählige vor ihr: Sie denkt den Fußball vom Fan aus. Zumindest in der Theorie.
Fortuna: Hoffnung auf ein volles Haus und neue Geldgeber
Zunächst sind in der kommenden Saison drei Gratis-Spiele geplant, später sollen dann für alle 17 Heimspiele kostenlose Tickets zur Verfügung stehen. Spieltagseinnahmen inklusive Ticketverkauf machen rund 15 Prozent der Einnahmen der Zweiligaklubs aus, demnach würde der Fortuna wohl ein hoher einstelliger Millionenbetrag fehlen, der ausgeglichen werden muss. Von den Sponsoren Hewlett Packard, Targobank, Provinzial und Common Goal kommen für die kommenden fünf Jahre gemeinsam 45 Millionen Euro. Aktuell ist das 52.000 Zuschauer fassende Stadion in etwa zur Hälfte ausgelastet. Die Hoffnung: Regelmäßig ein volles Haus, eine tolle Stimmung, ein schönes Gesamtbild, zufriedene Fans, was dann neue Geldgeber anzieht. Und klar: Bei einer Komplettauslastung kann es auch an anderer Stelle zusätzliche Einnahmen geben, wie beim Merchandising oder der Gastronomie.
Wie die Fortuna betont, sei das keine Rechteveräußerung, sondern Sponsoring. "Eine innovative Herangehensweise an das Sponsoring", sagt Lange. "Das traditionelle Sponsoring-Modell ist immer stärker ins Wanken geraten. Unternehmen kümmern sich heutzutage immer mehr um Nachhaltigkeit, was man von seinem Partner auch erwartet. So ein Projekt ist für die Sponsoren Gold wert und hochattraktiv, es ist ein geschickter und kluger Schachzug, das Sponsoring in einer sozial anschlussfähigen Richtung sichtbar werden zu lassen."
Lange weiß aus Erfahrung, dass sich scheinbar innovative und potenziell positive Projekte aus dem Profifußball oft als Rohrkrepierer erwiesen, was den teilweise ängstlichen Umgang mit der Idee erklärt. Doch was die Fortuna macht, ist die Suche nach neuen Wegen in einer Zeit, in der der Fußball aus kommerzieller Sicht eben kein Selbstläufer mehr ist. Die Coronakrise wirkt immer noch nach, hat Vereine finanziell angeschlagen hinterlassen, Fans aber auch desillusioniert. Klar ist, dass weder Fortuna noch die Sponsoren das Ganze nur aus Nächstenliebe machen, der Traditionsklub will mit nachhaltigen Mitteln zurück in die Bundesliga. Das ist aber heutzutage einfacher gesagt als getan.
Profifußball ist in Verruf geraten
"Es ist Sand im kommerziellen Getriebe", betont Lange. "Fans sind fußballbegeistert, aber auch skeptisch, und sie wenden sich auch gerne zwischenzeitlich mal ab. Man muss deshalb auf konzeptioneller Ebene anders arbeiten als zuvor." Der Profifußball sei in Verruf geraten, was die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, aber auch die soziale Verantwortung, Demokratie, Partizipation und Diversität betreffe, so der Experte. "Da gibt es einen großen Nachholbedarf", sagt Lange, denn man habe aus der schwierigen und anspruchsvollen Coronazeit nicht sonderlich viel gelernt, und das aktuelle System sei für Sponsoren ausgelutscht und unattraktiv: "Das Fortuna-Modell ist ein Indiz, dass sich Sponsoring verändern wird", betont Lange.
Das Publikum möglicherweise gleich mit? Geplant ist, dass sich Fans auf einer digitalen Plattform anmelden und bewerben können. Die Dauerkarten bleiben gültig, die Mitglieder sollen bei der Vergabe der Karten bevorteilt werden. "Es besteht die Gefahr, dass man sich seine eigene Anhängerschaft zusammenkaufen will. Nach dem Motto: Wir geben die Tickets frei, aber wir selektieren, wer reinkommt und wer nicht", so Lange, der aber nicht davon ausgeht, dass sich eine ganz neue Fanstruktur herausbilden wird. Auch hier kommt es darauf an, wie es am Ende umgesetzt wird. Selbst die besten Ideen sind nicht automatisch Selbstläufer, die einzelnen Schritte müssen sorgsam vollzogen werden. Denn durchgeführt wird es beim sensibelsten Punkt eines Vereins: dem Publikum.
Lange rät, die Anhänger bei den Planungen mit ins Boot zu holen. Diese Chance haben Vereine in der Vergangenheit oft verpasst. Denn damit ist man am Puls des Publikums, und ein bedingungsloser Rückhalt kann eine ganz eigene Wucht entwickeln. "Nehmt nicht nur die Mitglieder, sondern auch Fan-Organisationen mit ins Boot, damit die Fankultur am Ende komplett hinter dem Projekt stehen kann. Das geht am besten, wenn sie mitentscheiden dürfen. Damit es kein böses Erwachen und Proteste gibt", empfiehlt Lange, der in dieser Hinsicht den auf puren Kommerz ausgelegten Fanclub Nationalmannschaft als mahnendes Beispiel anführt.
Fans nicht auf den Eintrittspreis reduzieren
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bekommt durch die zurückgehende Identifikation der Anhänger mit der Nationalmannschaft ein Jahr vor der Heim-EM immer noch die schmerzhafte Quittung für ein jahrelanges Missmanagement in Sachen Fan-Pflege. Immerhin: Eine erste Reaktion auf das Fortuna-Modell aus Fankreisen ist positiv. "Wir vertreten seit Jahren die Auffassung, dass Fußball für alle da sein soll", sagte Thomas Kessen, Sprecher des bundesweiten Fanbündnisses "Unsere Kurve", dem Sport-Informationsdienst: "Da geht es natürlich auch um Eintrittspreise." Einwände, dass so der Fan entwertet werde, kann Lange nicht nachvollziehen. "Da muss man fragen, wo der Wert des Fans liegt, denn ihn kann man nicht auf den Eintrittspreis reduzieren. Der Wert liegt nicht in dem Preis für den Stadionbesuch, es ist ein ideeller Wert."
In diesem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, wie groß der Einfluss der Sponsoren sein wird. "Es wird eine hohe Erwartungshaltung aufgebaut, wie basisdemokratisch und sozial das Unterfangen ist. Aber man wird den Sponsoren auch etwas bieten müssen: besondere Werbemöglichkeiten oder den Vertrieb der Tickets über die digitale Plattform des Sponsors", sagt der Sportökonom Christoph Breuer dem ZDF: "Am Ende werden die Zuschauer mit einer Berieselung durch Werbung bezahlen müssen. Das passt nicht in den basisdemokratischen, zum Teil antikommerziellen Anstrich." Lange wiederum sieht das nicht so pessimistisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sponsoren ein Interesse daran haben, die Besucherstruktur in eine Richtung zu manipulieren oder zu verändern." Und eine Berieselung durch Werbung hänge sicher nicht davon ab, ob man kostenlose Tickets verteile, so Lange.
Ist die Enttäuschung vorprogrammiert?
Auch so ist die Aufmerksamkeit enorm. Wie groß der mediale Einschlag ist, zeigte sich bereits bei der Präsentation. Doch ist die geschürte Erwartungshaltung jetzt möglicherweise so riesig, dass sie im Grunde nur enttäuscht werden kann? "Die Gefahr der Enttäuschung ist tatsächlich groß", gibt Lange zu, und verweist auf ähnliche Ticket-Aktionen anderer Vereine, die bislang eher erfolglos verliefen. "Es stand aber auch kein nachhaltiges Konzept dahinter. In Düsseldorf haben sie aber einen langfristigen Plan", sagt Lange. Wie nachhaltig und erfolgreich der sein wird, muss sich noch zeigen. So lange wird eine gewisse Skepsis bleiben.
Verwendete Quellen:
- ZDF.de: "Zuschauer werden mit Berieselung bezahlen"
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