Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist auf der Suche nach einem Investor vom Ausstieg von Blackstone aus den Verhandlungen überrascht worden. Wir haben mit zwei Experten über die Situation und die möglichen Folgen gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Fans haben einen nachhaltigen Einfluss durch ihre Proteste, die DFL hat einen potenziellen Investor weniger und dazu eine ungünstige Verhandlungsposition. Zur Lage der Liga nach dem Rückzug von Blackstone haben wir mit Experten gesprochen und beantworten die wichtigsten Fragen.

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Die Fans waren schnell zur Stelle. Für die organisierten Anhänger ist der Rückzug von Blackstone als potenzieller DFL-Investor wie ein Sieg. Eine Bestätigung dafür, dass die Proteste in den vergangenen Wochen gefruchtet haben. Allerdings ist die Flucht des Unternehmens aus den Verhandlungen auch nur ein Zwischenziel. Denn erreichen wollen die Fans eine neue, offene Abstimmung. Parallel will die DFL die Verhandlungen mit dem einzig verbliebenen Interessenten fortsetzen.

"Der weitere Prozess wird im vorgesehenen Zeitplan mit CVC fortgeführt", teilte die DFL laut SID mit. Der Liga und den Vereinen sei stets bewusst gewesen, "dass durch die im Dezember verabschiedeten Eckpunkte und roten Linien hohe Anforderungen an mögliche Partner gestellt werden". Doch was bedeutet der Rückzug für die Verhandlungen? Wie mächtig sind die Fans? Springt CVC möglicherweise auch ab? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wer ist der letzte verbleibende mögliche DFL-Investor CVC?

CVC Capital Partners mischte bereits zwölf Jahre lang bei der Formel 1 mit, allerdings mit Licht und Schatten bei dem Investment. Das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg ist aktuell zum Beispiel in den Ligen in Frankreich und Spanien investiert, und durch die Geschäfte Ärger und Widerstände bereits gewöhnt.

Auch im Rugby, Volleyball oder Cricket ist man vertreten. Als Private-Equity-Unternehmen kauft CVC generell Unternehmensbeteiligungen, die nicht an der Börse gehandelt werden. So sind 85 Prozent der Parfümerie-Kette Douglas oder die Mehrheit an der Luxusuhren-Marke Breitling in CVC-Besitz, daneben auch 60 Prozent des Wettanbieters Tipico, der Partner der DFL ist.

Wie ist der Rückzug von Blackstone einzuordnen?

Relativ simpel: Für die Fans ist es eine gute Nachricht, für die DFL eine schlechte. "Die Anhänger werden natürlich jetzt wortwörtlich am (Tennis)Ball bleiben. Und für die Liga ist es ein Drama", sagt Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln im Gespräch mit unserer Redaktion.

Denn klar: "In Verhandlungen zu gehen mit einem verbliebenen Partner, der genau weiß, dass die Liga einen riesigen Druck hat, ist eine denkbar ungünstige Verhandlungsposition." CVC habe damit ein gewisses Machtmittel in der Hand, betont der Experte.

Wie sehr wird der Investor diese Position ausnutzen? Das bleibt erst einmal abzuwarten. Uhrich geht davon aus, "dass sie das in ihrem Sinne nutzen werden. Es ist ja auch völlig legitim, den für mich besten Deal herauszuschlagen. Das würde jeder machen in dieser gestärkten Verhandlungssituation. Und im Endeffekt spiegelt es den Markt ein bisschen wider."

Soll heißen: Ein letzter Interessent ist in Sachen Investor nun mal der Status Quo, was den Wert der Bundesliga angeht. So bitter das für die DFL auch sein mag. "Wie es scheint, ist das Paket, das man bekommt, mit einigen Risiken verbunden", so Uhrich. Ob die DFL nun die anvisierte eine Milliarde Euro einnehmen kann und welche Zugeständnisse sie möglicherweise machen muss, bleibt vorerst offen und Gegenstand der weiteren Verhandlungen.

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Steigt jetzt auch CVC aus?

Besteht nun auch die Gefahr, dass auch CVC abspringt? Der SID berichtet, dass aktuell nicht mit einer Absage des letzten verbliebenen Kandidaten zu rechnen sei. Wie erwähnt weiß CVC, dass es bei einem Einstieg als Investor Gegenwind geben kann, und aus gut informierten Kreisen sei zu hören, CVC sei "weiterhin mit vollem Elan bei der Sache" und "vom Deal überzeugt".

Für den Experten hängt es auch davon ab, wie die weiteren Verhandlungen nun laufen. "Das wird davon abhängen, wie hart die Liga bleibt, ob sie bestimmte rote Linien nach unten haben, die nicht unterschritten werden dürfen oder an welche Bedingungen sie den Deal sonst knüpfen", sagt Uhrich: "Für mich ist es nicht in Stein gemeißelt, dass CVC der Investor wird."

Ist die Macht der Fans eine Überraschung?

Uhrich überrascht der offensichtliche Einfluss durch die Anhänger nicht, schließlich orientiere sich die Bundesliga grundsätzlich stark daran, was die aktive Fanszene wolle: "Wir haben eine Protestkultur, wir hatten in den vergangenen Jahren einige Entscheidungen, die aufgrund von Fan-Protesten auch wieder rückgängig gemacht wurden", so Uhrich. Allerdings hatten die Investoren-Proteste in Sachen Koordination, Nachhaltigkeit, Spielabbruchsgefahr und Einigkeit quer durch die Ligen auch eine neue Qualität erreicht. Weitere Aktionen sind in der aktuellen Gemengelage daher garantiert.

Fanforscher plädiert für Dialog

Deshalb plädiert Fanforscher Harald Lange dafür, dass der Dialog zwischen DFL und Fans gesucht wird. "Es wäre für alle Beteiligten enorm klug, wenn es gelänge, diese Machtspiele zu beenden und stattdessen von einer gemeinsamen Sache Bundesliga-Fußball zu sprechen, eine gemeinsame Verantwortung für den Erfolg dieses Produkts zu übernehmen", sagte Lange im Gespräch mit unserer Redaktion: "Und das hieße natürlich auch, dass man Wege finden müsste, um schwerwiegende Fragen ausgiebig zu diskutieren und dabei so viele Beteiligte wie möglich mitzunehmen."

Er glaubt, dass die aktuelle Situation auch ein Lernfaktor sein kann. Allerdings sieht er "noch keinen Hoffnungsstreif am Horizont, der darauf hindeutet, dass dieser Konflikt zeitnah beendet wird".

Wie viele Fans stehen hinter den Protesten?

Offenbar deutlich mehr, als man denken könnte. Eine Umfrage mehrerer Sportwissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Umfrageplattform FanQ ergab, dass 62,1 Prozent der insgesamt 2090 Befragten dem Investoreneinstieg eine hohe Ablehnung entgegenbrachten. 76,8 Prozent der Befragten finden die Proteste angemessen. "Das Thema findet einen ziemlich großen Rückhalt innerhalb der Fankultur", sagt Lange, Mitinitiator der Umfrage.

"Gleichzeitig nehmen Sponsoren, Medienpartner und potenzielle Investoren diese Unruhe wahr und lassen sich davon abschrecken." Das sei ein Ereignis, das Modellcharakter habe und man wisse nicht, was in Zukunft verhandelt werde, so Lange: "Und wenn man diesen Grundkonflikt nicht gelöst hat, sondern sogar noch verschärfen würde, dann kratzt man auf lange Sicht am Wert des eigentlichen Erfolgsprodukts Bundesliga-Fußball."

Die Glaubwürdigkeit könnte leiden

Was wäre das Klügste, das die DFL tun könnte? Das ist die große Frage. Aktuell werden die Verhandlungen mit CVC weitergeführt, was die Probleme zwischen Liga und Fans aber nur weiter verschärfen dürfte. Eine neue Abstimmung ist derzeit hingegen noch kein Thema, auch wenn sich mehrere Chefs von Bundesliga- und Zweitliga-Klubs der Forderung nach einer Neuabstimmung mittlerweile angeschlossen haben.

Auf der anderen Seite leide dann aber die Glaubwürdigkeit, so Uhrich, wenn sich die Liga fundamental von ihrem Weg abbringen lasse. "Wenn, dann muss die Liga nochmal einen ganz großen Cut machen und das Thema nochmal komplett neu aufrollen", so Uhrich. Daneben sei auch gar nicht klar, ob der Weg, den die Fans fordern, für den deutschen Fußball der richtige sei.

Ist ein Investor überhaupt der richtige Weg?

Das ist nämlich die entscheidende Ausgangs- und zudem eine Grundsatzfrage. Dabei müssen sich Verantwortliche und Fans die Frage stellen, wo man hin möchte. Während die aktiven Fans daran interessiert sind, die Tradition zu bewahren und Fußball als Kulturgut zu verteidigen, sehen Liga und Klubs das wirtschaftliche Überleben und die sportliche Konkurrenzfähigkeit, vor allem im internationalen Vergleich.

Eine Gratwanderung, bei der vermutlich wie bislang der Mittelweg die beste Option sein könnte. Sportökonom Uhrich findet, dass ein Investor "ein guter und ein plausibler Weg ist. Dieses Spannungsfeld, diese Diskussionen, die haben wir fortlaufend und sie kommen bei Themen wie Investoreneinstieg, Montagsspielen oder der 50+1-Regel immer wieder auf".

Die DFL ist gefordert

Uhrich warnt: Wenn sich die Bundesliga aus der Logik des Sportbusiness komplett herausziehe, "dann werden wir international keine Rolle mehr spielen". Man könne einen anderen Weg gehen und sagen, man mache alles ein bisschen traditioneller, man bewahre möglichst alles so, wie es vorher war.

"Dann wird es aber kein Geld geben, um Spieler wie Harry Kane zu verpflichten. Ob dann deutsche Klubs in der Champions League noch eine nennenswerte Rolle spielen können, ist sehr fraglich. Dennoch könnte man den Weg natürlich so gehen, wenn man diese Folgen in Kauf nimmt", so Uhrich. Gefordert sei daher die DFL "sie muss dafür sorgen, dass sich in 20 Jahren immer noch so viele Menschen für Fußball interessieren wie heute".

Über die Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Sebastian Uhrich lehrt am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln. Unter anderem forscht er zum Thema Sportmarketing, insbesondere zum Sportkonsumentenverhalten.
  • Prof. Dr. Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg, Gründer des Instituts für Fankultur e.V. und Dozent an der Trainerakademie des DOSB in Köln. Lange hat über 3000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert – davon mehr als 50 Bücher und Sammelwerke.

Verwendete Quellen

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