Oft genug hat Edin Terzic in dieser Saison schon von der "wichtigsten Woche" gesprochen, in der Regel waren damit eng getaktete Spiele gegen große Mannschaften in unterschiedlichen Wettbewerben gemeint. Nun hatte Borussia Dortmund vor der Partie gegen Eintracht Frankfurt keine Bonus-Veranstaltung unter der Woche, keine Champions League mehr und auch kein Spiel im DFB-Pokal.

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Und vor Frankfurt war das Spiel beim VfB Stuttgart, gegen zwei Mannschaften also, die in dieser Saison nicht im Verdacht stehen, den Dortmunder Ambitionen besonders gefährlich zu werden. Und trotzdem waren die Tage zwischen beiden Partien vielleicht tatsächlich die wichtigsten der gesamten Saison für den BVB.

Dortmunds Strategiewechsel als Faktor

Nach dem desaströsen Auftritt in Stuttgart ist eine Menge passiert im Klub und in dessen Umfeld, die Gemengelage war durchaus explosiv und sehr gefährlich für die Borussia. Die Aufarbeitung der gefühlten Niederlage gegen den VfB war für die sportliche Leitung ein Drahtseilakt, neben einer schonungslosen Analyse bedurfte es auch eines positiven Ansatzes für die Spieler, der Grat zwischen Kritik und Aufmunterung war recht schmal.

Am vergangenen Montag dann beschlossen die Granden des Klubs einen womöglich ganz entscheidenden Konterpunkt zu setzen: Trainer Terzic, Sportchef Sebastian Kehl und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke einigten sich auf eine andere, sehr offensive Kommunikationsstrategie, die Kehl dann auch entsprechend unmissverständlich und sofort nach außen transportierte.

In einem Gespräch mit den "Ruhr-Nachrichten" gab Kehl – endlich – das Saisonziel deutsche Meisterschaft aus. Spät genug, sechs Spieltage vor Schluss. Aber in diesem Fall besser spät als nie.

Explosive Ausgangslage

Von außen sickerten weiter die Debatten um einen möglichen Investor für die Deutsche Fußball Liga (DFL) ein, deren Aufsichtsratsvorsitzender zufällig Hans-Joachim Watzke ist und damit in dieser brisanten Frage automatisch auch ein rotes Tuch für viele Dortmunder Fans.

Und auch die in einem Interview geäußerte Kritik des Signal-Iduna-Chefs Ulrich Leitermanns an den Dortmunder Ultras. Der Namensstreit um das Westfalenstadion schlug in der vergangenen Woche mindestens so hohe Wellen wie die Aufarbeitung des Stuttgart-Spiels.

Die Tatsache, dass der BVB im Topspiel am Samstagabend im Vergleich zum Rivalen FC Bayern nachziehen musste, machte die Ausgangslage vermeintlich umso schwerer: Mit einem Sieg der Bayern hätte eine angeknackste Mannschaft in einer diffusen Atmosphäre gehörig unter Druck stehen können. Zwei, drei missglückte Aktionen oder sogar ein frühes Gegentor hätten die Stimmung schnell in eine ungünstige Richtung lenken können.

Weil aber die Bayern dem BVB einen sehr großen Gefallen taten, weil die Erkenntnisse aus dem Stuttgart-Spiel offenbar in die richtigen Bahnen gelenkt wurden, weil die Mannschaft nicht nur in höchstem Maße motiviert, sondern auch konzentriert war und dieses Mal ihre Chancen auch eiskalt nutzte, entwickelte sich ein regelrechter Sog – und das erste Mal seit Jahren wieder dieses spezielle BVB-Meister-Gefühl im Stadion.

Der BVB hat dem Druck standgehalten: im Umfeld und innerhalb der Mannschaft. Und das war neben den drei Punkten gegen Frankfurt die eigentlich entscheidende Erkenntnis der letzten Tage.

BVB jetzt der Gejagte

Zum ersten Mal seit elf Jahren steht der BVB deshalb zu einem so späten Zeitpunkt einer Saison wieder ganz oben. Alle Spieler – die alten Hasen wie die vielen Neuen – erkannten nach dem Spiel die besondere Magie des Westfalenstadions. Und dass es nun tatsächlich möglich scheint, in diesem Sommer die Phalanx der Bayern zu durchbrechen.

Weil der BVB zumindest diese kleine Krise der letzten Tage durchschritten hat, während die Bayern weiter darben und zaudern. Das viel zitierte Momentum liegt nun wieder bei der Borussia, die "nur" ihre letzten fünf Spiele gewinnen muss. Drei davon zu Hause, wo es zuletzt neun Siege in Serie gab. Und zwei bei den Abstiegskandidaten Bochum und Augsburg.

Aber: Allein mit der "Jetzt erst recht"-Haltung der letzten Tage wird es nicht gehen. Die Motivationskarte hat der BVB mit der offensiven Titelattacke schon gespielt, nun sind wieder andere Dinge gefragt. Denn so schön die Ausgangslage auch ist bei einem Punkt Vorsprung auf die Bayern: Ab sofort ist Borussia Dortmund der Gejagte und hat alles zu verlieren. Und man ahnt schon, dass auch die kommenden Wochen noch einmal ziemlich wichtig werden.

Verwendete Quellen:

  • ruhrnachrichten.de: BVB-Sportdirektor Kehl erstmals mit Titel-Ansage
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