Ende Februar 2022 erschien eine neue Folge des Kicker-Podcasts "FE:male" mit Valeska Homburg und Anna-Sara Lange. Zu Gast war Christoph Kramer, der reflektiert über seine viele Freizeit als Profifußballspieler, aber auch über strukturelle Probleme im Männerfußball erzählte. Dabei sprach er auch über die Idee, Frauen als Vierte Offizielle im Männerbereich einzusetzen. Ein gut gemeinter Vorschlag - aber leider nicht gut gemacht.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ich finde, man sollte Frauen als Vierte Offizielle einsetzen, weil sie deeskalierender wirken", sagte er da auch. Einen einzelnen Satz aus einem Interview herauszunehmen, ist gefährlich, weil der Kontext verloren geht. Doch dieser einzelne Satz dient als gutes Beispiel, um eine häufige, meist unterbewusste Sache verständlich zu erklären. Warum ist es nur gut gemeint und nicht gut gemacht? Was ist das Problem an diesem Satz?

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Es ist toll, dass für Christoph Kramer das Geschlecht im Fußball völlig egal ist und dass es mehr Frauen im Männerprofibereich geben sollte. Das wiederholt er im Interview auch mehrfach: Für ihn ist das Geschlecht egal, es zählt die Kompetenz.

Das leidige Thema Frauenquote

Mit der Idee, Frauen als Vierte Offizielle einzusetzen, geht es ihm ums Sichtbarmachen, nicht um eine Quote. Kramer findet es ungerecht, wenn eine Frau im Sport zu sehen sei und es dann nur heißt "Die ist da nur wegen der Quote."

Zu Recht haken Valeska Homburg und Anna-Sara Lange an dieser Stelle ein und berichten, dass sie vor zehn bis 20 Jahren ähnlich dachten. Mittlerweile sind beide aber so lange im Fußball, dass sie diese strukturellen Probleme kennen und wissen, dass es leider nicht ohne Quote gehen wird. Eine Veränderung in der Haltung und dem Bewusstsein, die sie mit vielen Frauen im Fußball teilen: Wir würden uns sehr freuen, wenn es ohne Quote geht. Doch je länger man dabei ist, umso deutlicher erkennt man, dass es eine paradiesische Utopie, Illusion ist.

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Woran das liegt? Vielleicht hat Christoph Kramer recht mit der Annahme, dass es in seiner Generation diverser werden wird (gemeint sind die in den 1980er-, 1990er-Jahren Geborenen). Aber die besetzen eben nicht die Führungspositionen; das macht eine Quote unumgänglich.

Das Problem mit Christoph Kramers Satz

Zurück zu Kramers Satz. "… weil sie deeskalierender wirken", sagt er am Ende. Cringe - das Jugendwort 2021 trifft es am besten. Der Nebensatz besteht aus nur vier Worten, doch er zeigt ein Problem auf, das wenigen Männern bewusst ist: Das ist eine klischeehafte Zuschreibung. Sie passiert allzu gerne. Ja, sie ist von Kramer wertschätzend gemeint. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Dabei ist sich Kramer seiner klischeehaften Zuschreibungen durchaus bewusst. "Man kann das nicht verallgemeinern, aber generell würde ich das sagen", dass Frauen kommunikativer sind und weniger Ego-Trip fahren. Und damit verallgemeinert und reproduziert er dann doch.

Eigentlich ist es umgekehrt: Viele Frauen sind nicht anders, sondern wurden nur anders erzogen als Männer: zu vermitteln, zu kümmern und Care-Aufgaben zu übernehmen (Kindererziehung, Haushalt, karitative Arbeit). Eigenschaften sind nicht geschlechtsbezogen.

Vor ein paar Jahrzehnten war das anders: Blau für den wilden Jungen, Rosa für das zarte Mädchen – was für ein Quatsch. In Kramers Generation bröckelt diese Zuschreibung mehr und mehr - Gott sei Dank.

Das Bewusstsein hat Kramer schon, wie er in der Podcast-Folge etwa beim Thema Burnout zeigt. Hier findet er, dass das Thema mehr und mehr ernstgenommen wird, es aber gleichzeitig schwierig ist, den Großeltern die Bedeutung der Krankheit klarzumachen - weil sich das Leben binnen der letzten 50 bis 60 Jahre gewandelt hat. So ist es auch beim Thema Geschlechtszuschreibungen.

Was wäre nun ein besserer Nebensatz gewesen? Die Antwort gibt Kramer im Podcast selbst: "... weil das Geschlecht im Fußball egal sein sollte."

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