Der FC Bayern zeigt in einem großen Spiel noch einmal eine große Leistung und erteilt Borussia Dortmund eine Lehrstunde. Im Titelrennen muss der Kantersieg gegen den BVB aber nicht zwingend eine Vorentscheidung sein.

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Am Ende war es ganz gut für Borussia Dortmund, dass die Bayern irgendwann keine rechte Lust mehr hatten in diesem Spitzenspiel, das nie eines war. Der BVB bezog mal wieder eine gehörige Tracht Prügel in der Allianz Arena, das 0:5 war die sechste Bundesliganiederlage in Folge in München bei einem Torverhältnis von 3:22 - und zur Halbzeit waren sich die Beobachter nicht sicher, ob das verheerende 0:6 aus der letzten Saison nicht noch überboten werden konnte.

Es lag einzig und allein am Rekordmeister, dass das Ergebnis am Ende fast schon gnädig erschien für die Borussia. Wie ein Tornado fegten die Bayern in der ersten Halbzeit über den BVB hinweg und schüttelten alles in Schwarz und Gelb durcheinander, dass kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Dortmund hätte auch mit sechs oder sieben Gegentoren in die Kabine schleichen können nach dieser mit weitem Abstand besten Halbzeit der Bayern in dieser Saison - und der schlechtesten des BVB.

FC Bayern: Im Kracher gegen BVB bissig, mutig, aggressiv

Es bleibt also wie immer in der jüngeren Vergangenheit: Die Bayern können sich in einzelnen Spielen doch noch aufraffen zu großen Leistungen, auch das war ja in Frage gestellt worden. In der Hinserie in Dortmund und den beiden Spielen gegen Liverpool in der Königsklasse konnten die Bayern ja nur Versatzstücke ihrer eigentlichen Leistungsstärke abrufen. Im Kracher gegen den BVB waren die Bayern aber bissig, mutig, aggressiv, gefräßig, einfach in allem unglaublich scharf.

„Wenn wir aktiv sind, sind wir eine Topmannschaft und eine ganz andere Klasse“, sagte Mats Hummels nach dem Spiel. Aber wie es scheint, sind die Bayern nicht in jedem Spiel aktiv. Jedenfalls suggerieren das die Ergebnisse dieser bisweilen eigenartigen Mannschaft. Kein Vergleich war das zum desaströsen Defensivverhalten wenige Tage zuvor im Pokal gegen Zweitligist Heidenheim.

Wie Profis gegen eine A-Jugendmannschaft

Zwar war auch in der Offensive nicht alles perfekt, die Wucht, Entschlossenheit, vielleicht auch die Routine und ganz sicher die individuelle Klasse der Bayern erdrückte den BVB aber förmlich. Phasenweise wirkte es nicht nur wie ein Spiel einer Mannschaft, die unbedingt Meister werden will gegen eine andere, die eher zufällig zum Spielen vorbeigekommen war. Es wirkte wie der Vergleich einer Erwachsenen- mit einer Jugendmannschaft. „Ich hatte das Gefühl, dass wir dieser Konstellation mental nicht gewachsen waren. Wir haben Fehler gemacht, die manche Spieler das letzte Mal in der A-Jugend gemacht haben“, zürnte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc.

Dortmund bot den Gastgebern jede Menge an, ein paar Spieler ohne Rhythmus oder auf ungewohnten Positionen zu viel in der Startelf und die falsche taktische Ausrichtung: Dortmund zeigte keinerlei Bemühen, die Bayern früh zu pressen, sie schnell unter Druck zu setzen, ihre Schaltzentrale im defensiven Mittelfeld lahm zu legen.

„Wir haben katastrophal gespielt und verteidigt“, sagte ein sichtlich ernüchterter Marco Reus nach der höchsten Niederlage eines zwischenzeitlichen Tabellenführers in diesem Jahrtausend. Dortmunds Kapitän war das prominenteste „Opfer“ von Trainer Lucien Favres Rotation.

Ein klares Zeichen

Reus musste in Abwesenheit von Paco Alcacer im Angriffszentrum spielen und nicht auf der Zehn und fühlte sich dort sichtlich unwohl. Aber selbst wenn der BVB mit seiner einzigen Chance im ganzen Spiel nach wenigen Minuten in Führung gegangen wäre und Reus vielleicht hinter Mario Götze im offensiven Mittelfeld gespielt hätte - gegen diese Bayern hätte das auch nicht geholfen.

Die haben endlich mal wieder ein wichtiges Spiel nicht nur gewonnen, sondern auch ein klares Zeichen gesetzt. „Wenn man alle Big-Point-Spiele zusammen nimmt, war es erst das erste Spiel, das wir für uns entschieden haben“, stellte Manuel Neuer richtig fest.

Es ist zulässig zu glauben, dass die Münchener nun mit einem psychologischen Vorteil in die letzten sechs Saisonspiele gehen könnten und dass sich die junge Dortmunder Mannschaft erst einmal kräftig schütteln muss nach dieser Lehrstunde und vielleicht nicht mehr in die Spur zurück findet.

Alles scheint möglich

Aber: Die Bayern haben in dieser Saison schon auf viele Arten überrascht. Ein Punkt und das um 15 Treffer bessere Torverhältnis sind nicht besonders viel, der dürre Vorsprung kann in nur einem Spiel schon wieder verspielt sein. „Die Meisterschaft ist noch nicht zu Ende“, sagte Dortmunds Zorc und genau so sollten das wohl auch besser die Bayern begreifen.

Die Mannschaft dürfte im Vergleich zum BVB das etwas schwerere Restprogramm haben, unter anderem mit Spielen gegen Werder Bremen, Eintracht Frankfurt und in Leipzig. Und sie ist und bleibt eine Wundertüte. „Fußball ist merkwürdig, man kann ihn nicht immer genau erklären“, sagte Niko Kovac selbst zu den Leistungsschwankungen seiner Mannschaft. Schon in der kommenden Woche scheint wieder alles und nichts möglich: Die Bayern müssen zu Fortuna Düsseldorf.

Im Herbst war das 3:3 gegen den Aufsteiger der emotionale Tiefpunkt einer äußerst wechselhaften Halbserie, nun steht Spiel eins an nach dem absoluten Highlight. In einer „normalen“ Saison würden die Bayern jetzt wohl voll durchziehen und gar keine Zweifel mehr daran aufkommen lassen, wer sich Mitte Mai zum Meister krönt. Aber was ist in dieser Münchener Saison schon normal?

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