Der FC Bayern München geht mit erstaunlich vielen Baustellen in die entscheidende Phase der Saison. Der anstehende Umbau der Mannschaft sollte eigentlich sanft ablaufen. Derzeit droht aber ein radikalerer Einschnitt.

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Die Sache mit der Folklore hat der FC Bayern nicht nur im Griff, er spielt die Karte mittlerweile immer öfter zu seinen Gunsten aus. Es gab mal eine Zeit, da war die Säbener Straße der Schauplatz des ominösen FC Hollywood, einer Soap Opera in mehreren Akten.

Es war die Zeit ohne soziale Medien, in der das gedruckte Wort in den Zeitungen noch Gewicht hatte. Und in der die Zeitungen am Medienstandort München noch jede Menge zu schreiben hatten über den FC Bayern.

Mittlerweile haben die Bayern längst die Kommunikations- und Deutungshoheit über fast alle Themen, die ihren eigenen Klub betreffen. Die vereinseigenen Kanäle werden zuerst bedient, damit lässt sich schließlich jede Menge Geld verdienen und die Gefahr, dass unliebsame Informationen nach draußen dringen, ist gleich Null.

Umso erstaunlicher ist es, dass der Rekordmeister - zumindest nach außen hin - derzeit wie ein zögerlicher Riese wirkt, der die Planungen für die nähere Zukunft immer noch weiter auf die lange Bank schiebt. Das mag verschiedene Gründe haben, für die Berichterstattung öffnet das aber automatisch Spekulationen und Gerüchten Tür und Tor.

Gerüchte um Alaba und Lewandowski

David Alaba ist dieser Tage in einem Interview mit der Zeitung "Kurier" nach vorne geprescht. Alaba hat beim FC Bayern noch einen Vertrag bis 2021, trotzdem äußerte er sich dabei ungewohnt offen über eine mögliche berufliche Veränderung - vor Ablauf seines Vertrages.

"Ich fühle mich nach wie vor sehr wohl hier, kann mir aber auch vorstellen, einen anderen Weg zu gehen, den nächsten Schritt zu machen oder mir eine neue Herausforderung zu suchen." Alaba ist seit fast zehn Jahren bei den Bayern, nur unterbrochen von einer kurzen Leihe nach Hoffenheim.

Er ist einer jener Spieler, die mit den Münchenern alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gibt. Sportlich sind die Ziele längst erreicht, also soll es in den kommenden Jahren in anderen Bereichen noch weiter nach oben gehen.

"Ich bin in einem Alter, in dem ich schon viele Erfahrungen sammeln durfte und wo ich jetzt in meiner Karriere den nächsten Schritt machen möchte. Da gehört es auch dazu, bei den Bayern den nächsten Schritt zu machen, in eine Führungsrolle zu wachsen, Verantwortung zu übernehmen und meine Erfahrungen weiterzugeben."

Die Frage ist nur, ob Alaba beim anstehenden Umbruch der Bayern auch in eine solche Rolle hineinwachsen kann und darf?

Auch um Robert Lewandowski ranken sich Gerüchte über einen Wechsel zu Real Madrid. Der Pole ist kein Bayern-Eigengewächs, eher eine kleine Ich-AG: sehr professionell, aber auch distanziert zu seinem Arbeitgeber.

Wie Alaba verfolgt Lewandowski den Anspruch, über die Fußballblase hinaus zu einer Marke zu werden. Das kann bei den Bayern klappen, aber im Vergleich zu Real, dem FC Barcelona oder den wichtigen englischen Klubs sind die Münchener in der Wahrnehmung vieler Fans in wichtigen Märkten eher eine Randerscheinung.

Fehlt die Herausforderung?

Die Bayern sind kein Verkäufer-Klub, das wird Uli Hoeneß nicht müde zu betonen. Ein Spieler, den die Bayern halten wollen, den werden sie auch halten, soll das übersetzt heißen.

Dass aber gerade in dieser sensiblen Phase zwei wichtige Spieler mehr oder weniger offen über Abwanderungsgedanken sinnieren und dass in der Kaderplanung gleich mehrere Fragen seit Monaten offen bleiben, ist für die Bayern ein eher ungewöhnlicher Zustand.

Gerüchte gibt es seit geraumer Zeit um Arturo Vidal, auch Thiagos Zukunft könnte bald woanders liegen. Und was passiert mit James, der von Real bisher ja nur ausgeliehen ist?

Ganz zu schweigen von den Dauerbaustellen Arjen Robben und Franck Ribery. Der Umgang mit der ehemals gefährlichste Flügelzange der Welt, mit zwei Ikonen der letzten Dekade, ist nicht gerade einfach.

Und dass die Bayern in ihrem Pflichtwettbewerb in der Bundesliga, der immer noch den größten Aufwand für sich beansprucht, fast gar nicht mehr gefordert sind und eine Meisterschaft nach der anderen quasi im Vorbeigehen einsacken, ist nicht eben herausfordernd für Spieler, die doch die Herausforderung lieben.

Die Trainerpersonalie ist der Schlüssel

Der angestrebte Umbruch ist längst angelaufen, die harten Entscheidungen stehen aber in den kommenden Wochen an. Und derzeit könnte es den Anschein machen, dass die Umbaumaßnahmen im Kader ein wenig radikaler ausfallen könnten als eigentlich gewünscht.

Und so lange die alles entscheidende Schlüsselstelle nicht geklärt und kommuniziert ist, wird dieser Schwebezustand anhalten.

Selbst jetzt, Mitte März, haben die Bayern immer noch nicht den Trainer für die kommende Saison und wohl auch noch ein wenig darüber hinaus verkündet.

Mit der Besetzung der bald vakanten Stelle steht und fällt die Bearbeitung aller anderen Baustellen. Jupp Heynckes wolle eigentlich am Saisonende Schluss machen, auch wenn jüngste Aussagen Raum für Spekulationen lassen. "Ich habe bislang noch nie definitiv gesagt, dass ich am 30. Juni aufhören werde", sagte der 72 Jahre alte Trainer vor dem Spiel gegen den HSV.

Eigentlich hatte Heynckes bereits an seinem ersten Arbeitstag im Oktober erzählt, er sei nur die Übergangslösung bis zum Saisonende. Die Bayern hatten also genug Zeit, sich um die Nachfolgeregelung zu kümmern. Passiert ist bisher - zumindest nach außen hin - nichts.

Einige Spieler haben das in den letzten Tagen und Wochen auch zwischen den Zeilen moniert. Und schaut man sich das Vorgehen der Bayern in den letzten Jahren an, dann erstaunt auch das.

Jürgen Klinsmanns Engagement in München wurde frühzeitig genug bekanntgegeben. Die "Bombe" Pep Guardiola platzte damals ebenfalls schon im Januar. Und als der Spanier dann drei Jahren später rechtzeitig seinen Abschied angekündigt hatte, war mit Carlo Ancelotti alsbald ein Nachfolger gefunden.

Aber nun? Lassen die Bayern Woche um Woche verstreichen, wird ein Kandidat nach dem anderen durch die Gazetten gejagt. Für die Medien ist das eine schöne Sache, für die Spieler aber durchaus ärgerlich und nicht eben förderlich für eine vernünftige Zukunftsplanung.

Es sei denn, die Mannschaft weiß längst Bescheid. Aber was hielte die Verantwortlichen dann davon ab, den Namen endlich zu verkünden?

Die Bayern offenbaren trotz ihres überragenden sportlichen Erfolgs so viele Baustellen wie seit Jahren nicht mehr. Das erzeugt ein bisschen Folklore, die die Macher eigentlich nicht gebrauchen können.

Und auch nicht die Mannschaft - die biegt jetzt schließlich in die entscheidende Phase der Saison ein.

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