Josip Stanisic ist bisher die große Überraschung beim FC Bayern. Kann er sogar dauerhaft das Rechtsverteidiger-Problem beim Rekordmeister lösen?

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Es war die sechste Minute in der Auftaktpartie der Bundesliga-Saison zwischen dem FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach: Gladbachs Patrick Herrmann war auf der halbrechten Seite im Rücken der Bayern-Viererkette durchgebrochen und lief allein auf Torwart Manuel Neuer zu. Der folgende Querpass im Strafraum auf den mitgelaufenen Lars Stindl hätte eigentlich das sichere 1:0 für die Elf von Adi Hütter sein müssen. Dass es nicht dazu kam, lag am langen Bein von Josip Stanisic, der trotz zunächst einigen Metern Rückstand auf Stindl mit einem starken Sprint und präziser Grätsche den sicheren Rückstand verhinderte. Es war so etwas wie Stanisic Willkommensmoment auf der ganz großen Fußballbühne.

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Debütiert hatte der 21-Jährige Außenverteidiger bereits in der Vorsaison gegen Union Berlin, blieb dort jedoch relativ blass. Weil es gegen Mönchengladbach nicht bei der spektakulären Rettungstat in der sechsten Minute blieb, sondern Stanisic genau wie am Dienstagabend im Supercup gegen den BVB absolut solide spielte, kann er sich zurecht als großer Gewinner der ersten Wochen unter dem neuen Bayern-Coach Julian Nagelsmann fühlen.

Zwei starke Auftritte zum Auftakt

Stanisic beeindruckte in beiden Auftritten zum Saisonauftakt vor allem mit seiner Ruhe und Schnörkellosigkeit, die für einen auf diesem Niveau sehr unerfahrenen Spieler nicht selbstverständlich ist. Er löst Probleme. Auf dem Platz, aber auch im Kader, denn ein starker Rechtsverteidiger wird beim FC Bayern nicht erst seit der Pavard-Verletzung dringend gesucht.

Der gebürtige Münchner, der die deutsche und die kroatische Staatsbürgerschaft besitzt, setzte die Vorgaben von Julian Nagelsmann zum Saisonstart exzellent um. Gegen Mönchengladbach rückte er immer wieder in zentrale Positionen, um den linken Flügel der Gladbacher von der Linie wegzulocken und so dem Münchner Rechtsaußen Sané mehr Platz zu ermöglichen. Das klappte trotz der geringen Spielpraxis, die die Bayern-Startelf derzeit hat erstaunlich gut.

Gegen Dortmund war Stanisic vor allem defensiv gegen Reyna und Moukoko gefordert und musste zeigen, dass er dem hohen Pressingdruck der Dortmunder standhält. Das tat er bis auf ganz wenige Ausnahmen und schaltete sich im Verlauf des Spiels mutig auch immer wieder nach vorne mit ein. Auch deshalb war Julian Nagelsmann voll des Lobes über seinen jungen Nachwuchsmann. "Mit Stani war ich sehr zufrieden, er hat es sehr gut gemacht", sagte Nagelsmann nach der Partie. Chance genutzt.

Pavard-Verletzung legt Schwachstelle offen

Die Situation für Stanisic ist auch deshalb günstig, weil er sich auf einer Position wohlfühlt, die seit dem Rücktritt von Philipp Lahm im Sommer 2017 Experimentierfeld in München ist. Kimmich, Pavard, Süle, Boateng, Sarr hießen in den vergangenen Jahren die Optionen. Für die meisten der Kandidaten ist der Rechtsverteidigerposten jedoch nur eine Ausweichposition - auch wenn gerade Kimmich und Pavard hier meist überzeugten. Kimmich ist längst ins Mittelfeldzentrum gewechselt. Boateng ist weg. Pavard ist verletzt. Süle wurde rechts nie wirklich heimisch. Und Sarr konnte bisher selten nachweisen, dass er die Klasse für regelmäßige Einsätze beim FC Bayern hat.

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Stanisic hat ein gutes Zweikampfverhalten. Er attackiert den Gegner sehr energisch, wenn sich die Chance bietet und scheut auch vor kraftvollen Klärungen mittels Grätsche nicht zurück. Diese Stärken waren bekannt. Überraschend war, wie gut er mit dem hohen Kombinationstempo in der Bundesliga zurechtkommt und wie er mit Vorstößen sogar selbst Torgefahr erzeugt. Drei Torschussbeteiligungen waren es zum Beispiel gegen Mönchengladbach. Auch gegen Dortmund war er an Chancen beteiligt. Wenn er das konstant auf den Platz bringt, bleibt er auch nach Pavards Rückkehr eine ernsthafte Option in der Kette. An Sarr ist er schon jetzt klar vorbeigezogen.

Stanisic macht weiteren Rechtsverteidiger überflüssig

Auch deshalb dürfte Nagelsmann am Sonntag gegen den 1. FC Köln weiter auf "Stani" setzen. Der neue Bayern-Coach hat den klaren Auftrag der Bosse, junge Spieler aus dem Nachwuchs in den Profikader zu integrieren. Dass es mit Stanisic so schnell gelingt, war jedoch nicht abzusehen.

Und nebenbei könnten die starken Auftritte des Außenverteidigers auch dazu führen, dass sich Sportchef Hasan Salihamidzic in seinem Versuch, den Kader vor der Transferdeadline zu verstärken, jetzt anderen Positionen zuwenden kann. Dass der FC Bayern in dieser Situation Millionen in einen Abwehrspieler wie Thilo Kehrer von Paris Saint-Germain investiert, wie unterschiedliche Medien es in den letzten Tagen berichteten, wird jedenfalls von Minute zu Minute unwahrscheinlicher. Geld, das zum Beispiel für einen weiteren Mittelfeldspieler frei werden könnte. Noch ein Problem gelöst.

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