Thomas Wörle, der Trainer vom SSV Ulm, trifft in der 1. Runde des DFB-Pokals auf den FC Bayern München (heute, 20:45 Uhr). Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über das Pokalspiel, seine eigene Vergangenheit beim FC Bayern und ein Gespräch mit Pep Guardiola.
Herr Wörle, ist nach zwei Auftakt-Niederlagen in der 2. Bundesliga der FC Bayern München der denkbar ungünstigste Gegner, den man bekommen kann? Oder ist das der perfekte Gegner, weil man nichts zu verlieren hat?
Thomas Wörle: Beides ein bisschen. Sportlich ist das natürlich die schwerste Aufgabe, die man in Deutschland kriegen kann, weil der FC Bayern die beste Mannschaft der letzten Jahrzehnte ist. Aber klar, wir haben nichts zu verlieren, weil der Gegner auf dem Papier übermächtig ist. Von daher freuen wir uns total auf dieses große Spiel.
Wörle über die Chancen einer Überraschung gegen die Bayern
Der FC Bayern München ist im DFB-Pokal zuletzt oft früh gescheitert. In der vergangenen Saison unterlag er dem Drittligisten 1. FC Saarbrücken, Anfang 2021 dem damaligen Zweitligisten Holstein Kiel. Macht das Mut, dass gegen Bayern im Pokal alles möglich ist?
Grundsätzlich ist nichts unmöglich im Fußball, das hat man in den genannten Spielen gesehen. Aber es ist nun eine ganz andere Konstellation. Der FC Bayern hat einen neuen Trainer bekommen und bestreitet gegen uns das erste Pflichtspiel. Und das nach einer Saison, die vielleicht nicht so gelaufen ist, wie der Verein das wollte – auch wegen des Ausscheidens im Pokal in Saarbrücken. Die Motivation beim Gegner wird hoch sein. Sie werden das Maximum auf den Platz bringen. Wir müssten über uns hinauswachsen, bräuchten ein bisschen Spielglück und einen Gegner, der nicht seinen besten Tag hat. Dann ist etwas möglich, aber die Chance ist klein.
Wie kann man ein Spiel gegen den FC Bayern taktisch angehen? Einfach gut verteidigen und auf einen Konter oder Standard hoffen?
Ich glaube, dass wir zwangsläufig in der Defensive sein werden. Über die meiste Zeit des Spiels werden wir sehr, sehr tief verteidigen müssen, weil der Gegner einfach eine Dominanz hat. Aber wir spielen zu Hause vor unserem Publikum, wollen gegen Bayern einen harten Fight abliefern. Dann werden wir sehen, was dabei rumkommt.
Der FC Bayern hat einige Neuzugänge wie João Palhinha oder
Man muss natürlich ein bisschen überlegen, wer zum Einsatz kommen könnte. Das weiß man nie zu 100 Prozent. Zumal einige Spieler aufgrund der Europameisterschaft erst später in das Training eingestiegen sind. Es gab natürlich die Testspiele, die wir uns angeguckt haben. Dennoch wissen wir nicht genau, wen der Gegner einsetzen wird. Aber wer auch immer auf dem Platz stehen wird: Der FC Bayern wird eine sehr starke Mannschaft haben.
Kooperation mit FC Bayern soll Nachwuchsfußball sichern
Der SSV Ulm ist unter Ihnen innerhalb von drei Jahren von der Regionalliga in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Was hat das mit dem Verein gemacht?
Die sportliche Entwicklung ging sehr schnell. Als wir vor einem Jahr als Aufsteiger in der 3. Liga begannen, war der Klassenerhalt das Ziel. Am Ende wurden wir mit zehn Punkten Vorsprung Tabellenerster und sind aufgestiegen. Das war unfassbar. Sportlich kommt die 2. Liga für uns sehr früh. Aber wir sind eben aufgestiegen und wollen uns sportlich und als Verein weiterentwickeln. Vor über 20 Jahren spielte der SSV Ulm schon einmal kurz in der Bundesliga, durchlebte dann aber eine schwierige Zeit mit Insolvenzen und Abstiegen. Jetzt sind wir zurück im Profifußball und wollen uns etablieren.
Seit dem Jahre 2021 gibt es eine Kooperation mit dem FC Bayern. Wie sieht diese aus?
Die Kooperation betrifft vor allem den Jugendbereich. Es wurden verschiedene Abmachungen getroffen, dass man sich zum Beispiel gegenseitig bei der Ausbildung von Spielern und von Trainern unterstützt. Wir haben auch schon den einen oder anderen jungen Spieler von Bayern bei uns in der ersten Mannschaft gehabt.
Auch momentan gibt es einen Leihspieler von Bayern München in Ihrem Team.
Ja, wir haben Maurice Krattenmacher ausgeliehen. Er spielte die letzten Jahre bei der SpVgg Unterhaching, wurde dann von Bayern verpflichtet und an uns verliehen. Überhaupt haben wir einige junge Spieler von anderen Vereinen ausgeliehen, die bei uns ihre nächsten Entwicklungsschritte gehen können. Wir sind als Verein noch nicht dazu in der Lage, solche Spieler immer fest zu verpflichten.
Sie haben eine Vergangenheit beim FC Bayern und trainierten von 2010 bis 2019 deren Frauen-Mannschaft, wurden zweimal Deutscher Meister und einmal DFB-Pokalsieger. Wie kamen Sie direkt nach dem Ende Ihrer Profikarriere zu dieser Funktion?
Das war eine ungewöhnliche Geschichte. Ich war als Profi bei Greuther Fürth, musste meine Karriere allerdings gesundheitsbedingt beenden. Zur gleichen Zeit war mein Vater Trainer der Bayern-Frauen, und meine Schwester war dort Spielerin. Leider erkrankte mein Vater schwer. Dann habe ich als Trainer dort hineingeschnuppert. Daraus wurde dann mehr. Erst war ich Co-Trainer meines Vaters, dann wurde ich zum Cheftrainer und blieb dort neun Jahre.
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Wie beurteilen Sie die Entwicklung, die der Frauenfußball seitdem genommen hat?
Die Entwicklung ist wirklich toll. Durch meinen Vater und meine Schwester kenne ich den Frauenfußball schon sehr lange. Früher war die Ausbildung in der Breite längst nicht so gut, weil es auch einfach nicht genügend gute Trainer gab. Es gab früher auch längst nicht so viele Mädels, die Fußball gespielt haben. Über die Jahre hat das Niveau unheimlich zugenommen. Auch in den Medien wird Frauenfußball ganz anders aufbereitet. Bereits zu meiner Zeit gab es viele Frauen, die mit einer unfassbaren Leidenschaft bei der Sache waren. Die Frauen trainierten auf Profiniveau, genauso wie die Männer, haben aber gleichzeitig studiert oder einen Beruf ausgeübt.
Gab es Kontakte zu den Profi-Trainern des FC Bayern? Haben Sie von Trainern wie
Es gab sehr wenig Kontakt zur Männer-Mannschaft, weil wir vielfach auch an unterschiedlichen Orten trainierten. Aber wir haben nach einer Meisterschaft einmal gemeinsam mit den Männern auf dem Rathausbalkon gefeiert. Wir wurden aufgrund unserer Erfolge auch ein paar Mal von Uli Hoeneß zum Essen eingeladen. Das war sehr schön in einem Restaurant am Tegernsee. Und einmal hatte ich die Möglichkeit, mich mit Pep Guardiola zu unterhalten.
Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Für mich als junger Trainer war es toll, mich mit so einer Trainer-Ikone zu unterhalten. Wir haben vielleicht 20, 30 Minuten gesprochen, in denen er mich an seiner Philosophie teilhaben ließ. Wir haben querbeet über den Fußball gesprochen. Das war sehr inspirierend für mich – nicht nur, was er sagte, sondern auch, wie er das sagte.
Frauenfußball oder doch Männerfußball?
Zum Ende der Saison 2018/2019 wurde Ihr Vertrag vom FC Bayern nicht verlängert. Wie haben Sie das damals aufgenommen?
Ich hätte mir vorstellen können, länger zu bleiben, weil wir auch erfolgreich waren. Aber der Verein hatte sich dagegen entschieden und das auch früh kommuniziert. Das war absolut korrekt. Im Nachhinein war das auch für meine Entwicklung gut, denn ich habe danach den Lehrgang zum Fußballlehrer gemacht und bin dann in Ulm gelandet.
Das war im Jahre 2021. Inwiefern ist es für einen Trainer ein Unterschied, ob man eine Frauen- oder eine Herren-Mannschaft trainiert?
Für mich als Trainer macht das überhaupt keinen Unterschied. Vorher trainierte ich eine Gruppe von Frauen, dann eine Gruppe von Männern. Ich war im Männerfußball natürlich noch ein unbeschriebenes Blatt. Dadurch gab es vielleicht auch bei manchen Leuten Bedenken oder Zweifel. Aber wenn es diese gab, konnten wir sie aus dem Weg räumen.
Das bedeutet, Sie konnten die Trainingsinhalte vom Frauenfußball eins zu eins auf den Männerfußball übertragen?
Größtenteils schon, ja. Es gibt kleinere Unterschiede im Athletikbereich und in der Verletzungsprophylaxe. Aber ansonsten ist das sehr nahe beieinander.
Eine theoretische Frage: Auf welchem Niveau könnte eine Top-Frauen-Mannschaft im Herren-Fußball spielen?
Darauf kann ich keine seriöse Antwort geben. Man muss unterscheiden: Taktisch und spieltechnisch könnten die Frauen ganz weit oben mitmischen. Aber physisch und von der Geschwindigkeit sind die Männer natürlich im Vorteil. Da können die Frauen auch überhaupt nichts für. Daher muss man die Entwicklung im Frauenfußball unabhängig vom Männerfußball betrachten. Diese Entwicklung ist rasant und überragend. Daher sollte man das einfach so stehen lassen.
Über den Gesprächspartner
- Thomas Wörle (Jahrgang 1982) spielte als Fußballprofi unter anderem für Kickers Offenbach und für die SpVgg Greuther Fürth in der 2. Bundesliga. Nach seinem Karriereende trainierte er von 2010 bis 2019 die Frauen-Mannschaft des FC Bayern und gewann zweimal die Deutsche Meisterschaft und einmal den DFB-Pokal. Im Juni 2021 übernahm er den damaligen Regionalligisten SSV Ulm und feierte zwei Aufstiege bis hin zur 2. Bundesliga.
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