Am Weltfrauentag 2024 verkündete Werder Bremen ein wichtiges Ziel des Vereins. Bis 2026 soll bei dem Verein in allen Gremien Parität herrschen. Bremen hat damit eine Vorreiterrolle in Deutschland inne. Werders Personalchefin gibt Einblick, welche großen Vorteile diese Entscheidung mit sich bringt.

Ein Interview

Frau Ihlenfeld, Werder Bremen hat sich ein verbindliches Diversitätsziel bis 2026 gegeben. Minimalziel ist ein Frauenanteil von 25 Prozent in allen Gremien und auf Mitarbeitendenebene. Wie steht der Verein aktuell da?

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Eva Ihlenfeld: Wir haben uns tatsächlich verbessert. Was den Frauenanteil in der Gesamtbelegschaft angeht, sind wir jetzt ungefähr bei 34 Prozent. Man merkt, dass die Quote im Recruiting einen Unterschied macht, wenn am Ende noch ein Kandidat und eine Kandidatin mit gleichwertiger Qualifikation übrig sind. Natürlich haben wir auch gute männliche Bewerber und wollen niemandem etwas verbauen. Aber es geht darum zu gucken, wie wir die Frauen ins System bekommen, wenn wir noch keine haben. Die Quote ist da ein wichtiger Anker, an dem wir uns messen lassen können.

Was erhofft sich der Verein von der Quote? Was sind die übergeordneten Ziele?

Eine Familie im Weserstadion. © IMAGO/Nordphoto/IMAGO/nordphoto GmbH / Kokenge

Die Quote ist nicht nur Selbstzweck oder ein Trend, dem wir nachrennen, sondern es ist auch wirtschaftlich relevant. Viele Studien belegen, dass diverse Teams performanter sind. Und da geht es nicht nur um Frauen und Männer, sondern um unterschiedliche Perspektiven. Außerdem haben wir eine sehr diverse Gruppe an Fans. Wenn wir wollen, dass die Fans sich bei Werder zu Hause fühlen, Produkte kaufen und eine Bindung zum Klub entwickeln, hilft die Repräsentanz der eigenen Perspektive total. Und wenn wir für diese Zielgruppen Dinge entscheiden, macht es Sinn, auch intern diese Perspektive abzubilden.

Zum anderen geht es auch um soziale Verantwortung: Werder hat sich schon seit vielen Jahren auf die Fahne geschrieben, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Jahrhundertelang waren die Machtverhältnisse ungleich verteilt, das wollen wir ändern. Ich glaube, das ist eine Win-win-Situation. Soziale Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Erfolg, Perspektiven auch extern zu bedienen und die Perspektiven intern abzubilden, das ist ein Riesenmehrwert und Teil unserer Vereinsphilosophie.

Ihlenfeld: Holen Frauen nicht rein, "nur um die Plätze zu füllen"

Als Sie die Einführung der Quote am Weltfrauentag öffentlich kommunizierten, gab es unter anderem auf Facebook auch Kritik. Beliebte Argumente: Es müsse um die Qualifikation gehen und nicht um das Geschlecht.

Viele denken, dass wir Frauen reinholen, die nicht kompetent sind, nur um die Plätze entsprechend zu füllen. Das ist ganz klar nicht so. Uns geht es darum, den Prozess fair zu gestalten und für Vergleichbarkeit zu sorgen – also Situationen zu vermeiden, wo Jobs rein übers Netzwerk vergeben werden. Es war früher in vielen Branchen keine Seltenheit, dass zwei Männer vielleicht mal beim Glas Bier oder Wein zusammengesessen haben, noch an der gleichen Uni studiert haben und darauf bezogen über Jobs entschieden wurde. Da geht es dann auch nicht mehr primär um die Qualifikation der Person. Aber wir müssen immer schaffen, die Qualifikation einzublenden. In den Sportstudiengängen ist das Geschlechterverhältnis aktuell 50:50, Frauen machen die besseren Abschlüsse. Frauen mit Qualifikation gibt es definitiv. Da stellt sich die Frage: Warum bekommen wir sie nicht in unsere Unternehmen?

Womöglich fühlen manche Frauen noch eine Art Unwohlsein beim Gedanken, sich in ein eher männlich geprägtes Arbeitsumfeld zu begeben. Was kann man dagegen tun?

Man braucht einen langen Atem und es braucht kontinuierliche Maßnahmen. Nur mit Lippenbekenntnissen und einer coolen Kampagne mit ein paar Frauen auf dem Plakat wird man nicht viel bewegen. Wir müssen zeigen, dass wir nicht so alte verkrustete Strukturen haben, wie man sich das vielleicht vorstellt. Es ist wichtig, Frauen sichtbar zu machen. Wenn wir mit Unis kooperieren, schicken wir nicht immer nur den Leiter der Fußballschule oder einen Scout dort hin, sondern wir zeigen, dass hier auch Frauen in wichtigen strategischen Rollen arbeiten.

Wir haben im Bereich Fankultur und Antidiskriminierung seit vielen Jahren eine Leiterin, die eine Vorreiterrolle eingenommen hat, die auch extern wegen ihrer großen Fachexpertise hochgeschätzt ist und die zeigt, dass es geht. Im Frauenfußball haben wir mit Birte Brüggemann eine Fußball-Lehrerin sitzen, die die Abteilung von klein auf aufgebaut hat. Oder Anne (Laufmann, Anm.d.Red.), die von der Praktikantin mittlerweile zur Geschäftsführerin geworden ist. Bildsprache auf der Website ist ein weiterer Hebel. Frauen müssen sichtbarer werden, genauso wie Menschen mit Behinderung oder Personen mit Migrationshintergrund. Aber man muss auch die Realität abbilden und nicht etwas vorgeben, was man gar nicht lebt. Wichtig ist auch, das Auswahlgremium im Recruiting divers zu besetzen, um möglichst viele Perspektiven und Verständnis für unterschiedliche Lebensrealitäten abzubilden. Es gibt noch viele kulturelle Stellschrauben, an denen man drehen sollte.

Werder Bremen als Vorbild

Werder Bremen und St. Pauli waren im Jahresbericht von "Fußball kann mehr" Positivbeispiele. Gibt es einen Austausch mit anderen Bundesligisten? Nimmt der Verein in dieser Hinsicht eine Vorbildfunktion ein?

Wir sind grundsätzlich mit anderen Bundesliga-Klubs im Austausch. Zum Thema Diversität speziell mit dem VfB Stuttgart, die dort auch einiges auf die Beine gestellt haben. Es ist spannend zu sehen, wie in Stuttgart die Themen intern vorangetrieben werden. Man merkt, dass man dort oft die gleichen strukturellen Herausforderungen hat. Dadurch kann man gut voneinander lernen.

Gibt es ein besonderes Positivbeispiel, an dem Sie gemerkt haben, dass sich der Verein auf dem richtigen Weg befindet?

Extern merke ich im Recruiting, dass uns immer mehr Frauen spiegeln, dass sie sich bei uns bewerben, weil wir im Bereich Diversität viel machen. Für uns ist das ein Zeichen, dass das Thema nicht nur "nice to have", sondern auch ein "Must-have" ist. Und intern kann ich vielleicht eine kurze Geschichte erzählen: Wir saßen für eine Führungskräftenachbesetzung im Sport an einem langen Tisch mit vielen Männern im Raum und ein männlicher Kollege, auch selber ehemals Führungskraft, hat von sich aus gesagt: "Lasst uns bitte auf das Thema Diversität im Prozess gucken und wie wir diese Stelle nachbesetzen, weil wir hier einfach lauter Männer im Raum sind." Das fand ich total cool, dass das nicht nur von mir oder meinen Kolleginnen kommt, sondern die Führungskräfte selbst im Sport eine Relevanz erkannt haben.

Über die Gesprächspartnerin

  • Eva Ihlenfeld ist bei Werder Bremen seit 2021 die Leiterin Human Relations, entwickelt also Personal und Organisation beim Bundesligisten. An einen wichtigen Tipp, den sie bereits an einem ihrer ersten Arbeitstage bekommen hat, erinnert sie sich bis heute: "Setz keine wichtigen Termine am Montag an, wenn du nicht weißt, wie das Bundesliga-Spiel am Wochenende davor gelaufen ist."
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