Im Laufe des 19. Jahrhunderts haben sich die internationalen Spielregeln ("Laws of the Game") entwickelt, die heute für alle Fifa-Mitglieder obligatorisch sind. Sie sind die Grundessenz des modernen Fußballspiels und reagieren auf Veränderungen des Spiels.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Dreh- und Angelpunkt für die generelle Weiterentwicklung des Fußballs werden sie jedes Jahr durch ein mehrköpfiges Gremium überprüft und aktualisiert.

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Fußballregeln gibt es schon mehr als 200 Jahre, aber ursprünglich galten sie nur innerhalb eines Vereins, einer Schule oder anderen Institution. Das IFAB gegründete sich 1886 aus den vier britischen home nations England, Wales, Irland (seit 1921: Nordirland) und Schottland. Der Zweck war schlicht, einheitliche Regeln über die Landesgrenze zu definieren, um Länderspiele zu erleichtern. 1913 kam die Fifa als weiteres Mitglied hinzu.

Die am 4. März beschlossenen Regeländerungen treten am 1. Juli 2023 in Kraft. Wettbewerbe, die zwischen März und Juli starten, können optional nach bisherigen Regeln oder nach den künftigen Regeln spielen. Die Spielregeln der Bundesligen bleiben daher bis zur kommenden Saison unverändert, aber bei der WM im Sommer 2023 könnten sie bereits angewendet werden.

Debbie Hewitt schrieb Geschichte

Das Besondere an der diesjährigen Generalversammlung mal keine Regeländerung, sondern die Sitzungsvorsitzende. In der 137-jährigen Geschichte des IFAB war es zum ersten Mal eine Frau, nämlich Debbie Hewitt, die Vorsitzende der englischen FA. Sie war am 4. März nicht nur die erste Frau, die diese Generalversammlung leitete, sondern auch die erste Frau, die stimmberechtigt war.

Allerdings ist sie nicht die erste Frau, die generell an einer IFAB-Generalversammlung teilnahm. Patricia Frances Smith nahm bereits vor 40 Jahren, am 9. Juli 1983, und anschließend noch bei zwei weiteren IFAB-Generalversammlungen teil. Alle drei fanden in England statt, wurden also von der Football Association ausgerichtet. Smith war damals Sekretärin bei der FA, stieg dann aber rasch auf: 1997 war sie Deputy Chief Executive der FA und zudem 1993 bis 1998 Director & Secretary of the Women’s FA Ltd. 2011 war sie FA Administration Manager.

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Weiterhin im Test: Zusätzlicher Wechsel bei Gehirnerschütterungs-Verdacht

Das Thema Kopfverletzungen im Fußball bleibt Gott sei Dank ein viel diskutiertes Thema. Viel zu lange wurden die deutlichen Zeichen übersehen – sei es bewusst oder unbewusst. Spätestens seit einer Studie 2020 ist klar: Das Risiko, an Demenz zu erkranken, ist bei Sportarten wie Fußball um ein Vielfaches erhöht. Das Tragen eines Helmes ist kein Thema, vielmehr ein vernünftiger Umgang mit Gehirnerschütterungen.

Das wird getestet: Um die Gesundheit von Spieler*innen besser zu schützen und bei Verdacht auf Gehirnerschütterung verantwortungsvoller zu reagieren, wurden 2021 und 2022 zeitgleich verschiedene Experimente durchgeführt, unter anderem in Wettbewerben in den Niederlanden, England, Portugal, USA und der Fifa.

Gianni Infantino stellte am 4. März bei der Pressekonferenz fest, dass die Experimente zu Kopfverletzungen weitergeführt werden, jedoch nur noch eine der Varianten: Ein Team bekommt bei dem Verdacht einer Gehirnerschütterung einen zusätzlichen Wechsel, der nicht auf das Wechselkontingent angerechnet wird. Diese Auswechslung ist permanent, das heißt, sie kann nicht wieder zurückgenommen werden, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt.

Es ist jetzt schon abzusehen, dass ein sinnvoller, verantwortungsbewusster Umgang mit Gehirnerschütterungen nach Ablauf der Experimentierphase kommen wird. Die Frage ist nur, ob es lediglich eine Empfehlung oder aber eine Anweisung mittels der Spielregeln oder Wettbewerbsregeln geben wird. Letzteres wäre großartig.

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Der Ball ist rund und ein Spiel dauert länger als 90 Minuten

Nachspielzeit ist im Fußball kein Novum. Es gibt sie bereits seit über 100 Jahren, um versäumte und vergeudete Zeit auszugleichen, beispielsweise durch einen Einwurf oder durch Zeitspiel.

Apropos Zeitspiel: Das war schon vor 100 Jahren vielen ein Dorn im Auge. Beim Länderspiel Österreich gegen Italien maß man 1929 ganz genau die Dauer sämtlicher Unterbrechungen und stellte fest: Der Ball rollte nur knapp 59 Minuten! Keine Sorge, durch das heute viel schnellere Spiel ist der Ausfall geringer als damals, sicher aber höher als die üblichen zwei bis vier Minuten Nachspielzeit. Was also tun?

Nettospielzeit im Fußball ist nicht sinnvoll

Nettospielzeit, also das Stoppen der Uhr bei jeder Unterbrechung, wäre eine Möglichkeit, die bereits in anderen Sportarten üblich ist und die bereits mehrmals in den letzten Jahrzehnten thematisiert wurde. Sie ist allerdings im Fußball nicht sinnvoll.

Ein gewisses Angleichen an die Dauer der Spielunterbrechungen erlebten wir bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar: Nachspielzeiten über 5 Minuten waren die Regel. DFB und DFL sprachen sich in der Winterpause dagegen aus, längere Nachspielzeiten auch in ihren Wettbewerben zu etablieren. Doch das könnte nun kommen.

Den Ansatz, der während der Winter-WM verfolgt wurde, um eine genauere Nachspielzeit zu berechnen, sollten alle Wettbewerbe auf der ganzen Welt befolgen, so das IFAB in seiner Pressemitteilung. Ist ja auch fairer als zwei Pseudominütchen Nachspielzeit zu geben und wir gewöhnen uns bestimmt sehr schnell an die größeren Zahlen.

Das wurde außerdem festgelegt/besprochen:

  • Deliberate play: Die schon seit Juli 2022 gültige Änderung wird Teil der Spielregeln: Es braucht Ballkontrolle des Spielers oder der Spielerin und damit die Möglichkeit, den Ball abzuspielen, anzunehmen oder zu klären, was etwa bei Abseitsentscheidungen wichtig ist. Anhand von vier Kriterien wird festgelegt, wann Kontrolle vorliegt, damit solche Spielszenen möglichst konstant bewertet werden.
  • VAR light: Für Verbände, die gerne die VAR-Technik nutzen möchten, es aber finanziell nicht stemmen können, kommt eine bezahlbarere Light-Variante, die künftig getestet wird.
  • VAR-Entscheidungen wird live im Stadion kommuniziert: Die Testphase wird im Frühsommer bei der U20-WM fortgeführt. Im Mai entscheidet sich dann, ob es weitere Tests gibt und welche Fifa-Wettbewerbe genutzt werden. Möglich wäre ein Einsatz bei der WM 2023 im Sommer.
  • Testphasen mit halbautomatischer Abseitserkennung (SAOT) wird weitergeführt.
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