Ist José Mourinho ein Blender, der über Leichen geht und Manchester United den schlechtesten Fußball aller Zeiten spielen lässt? Die Kritik an dem einstigen Erfolgstrainer wächst.

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Er hatte sich die Rückkehr an die Stamford Bridge sicherlich anders vorgestellt. José Mourinho erlebte mit Manchester United ein Debakel. 0:4 verlor er gegen seinen Ex-Verein FC Chelsea. Dessen Fans sangen voller Schadenfreude: "You're not special anymore." Tatsächlich stellt sich langsam die Frage: Ist "The Special One" ein Auslaufmodell?

Ernüchternde Zwischenbilanz für Manchester United

Manchester United wollte mit dem Portugiesen wieder auf die Erfolgsspur zurück. Dafür wurde viel Geld in die Hand genommen: Mourinho kassiert nicht nur ein zweistelliges Millionengehalt, sondern durfte auch noch für 185 Millionen Euro neue Spieler kaufen. Mit Paul Pogba war sogar der teuerste Fußballer aller Zeiten dabei.

Die ernüchternde Zwischenbilanz: In den letzten sechs Ligaspielen gab es lediglich einen Sieg. Das Spiel der "Red Devils" wirkt ideenlos. Vereins-Legende Paul Scholes sagt sogar: "Mit dem Ball war United noch nie so schlecht." Der Verein steht auf dem siebten Tabellenplatz. Das würde nicht einmal für die Europa League Qualifikation genügen.

Mourinho wütet gegen alle

Auch wenn er sich cool gibt: Mourinho dürfte unter der Situation leiden. Seine Erfolgsbesessenheit ist bekannt. Sein Ex-Spieler Nuri Sahin sagte gegenüber dem Sportmagazin Socrates: "Natürlich will jeder Fußballer gewinnen, aber Mourinho verkörpert den Sieg regelrecht. Er tut dafür alles, er liebt den Erfolg und geht dafür über Leichen."

Diese Aussage passt zum öffentlichen Auftreten: Bleibt bei Mourinho der Erfolg aus, gibt er dafür jedem die Schuld – nur sich selber nicht. Schiedsrichter und Journalisten kriegen regelmäßig ihr Fett weg. Selbst Mitarbeiter seines Vereins werden nicht geschont. Als Trainer von Chelsea machte er sogar die Mannschaftsärztin nieder. Laut Medienberichten soll er sie als "Tochter einer Hure" beschimpft haben.

Befürworter von Mourinho behaupten gerne, der Erfolgstrainer würde bewusst Nebenschauplätze aufmachen, um von der Krise seiner Mannschaft abzulenken. Ganz nach dem Motto: Mich könnt ihr bekriegen, aber lasst meine Mannschaft in Ruhe! Früher traf das möglicherweise zu. Das Verhältnis von Mourinho zu seinen Spielern galt als sehr eng.

Doch scheint der 53-Jährige von seinem Weg abzukommen. Neuzugang Henrich Mchitarjan warf er öffentlich vor, dass er bislang nicht viele große Spiele gemacht habe und daher mit dem Druck nicht umgehen kann. Ähnliches sagte er über Jesse Lingard. Ebenfalls übel: Nach dem desaströsen 1:3 gegen den FC Watford kritisierte er den 21-Jährigen Linksverteidiger Luke Shaw öffentlich und warf ihn für die nächsten Spiele aus dem Kader. All das sind keine Maßnahmen, um eine Mannschaft hinter sich zu bekommen.

Der Schweinsteiger-Eklat

Nicht zu vergessen der Fall Bastian Schweinsteiger: Der Weltmeister von 2014 wurde von Mourinho aussortiert. Laut des kicker-Sportmagazins darf "Schweini" nicht einmal bei der zweiten Mannschaft mittrainieren. Entwürdigend: Mourinho soll ihn sogar dazu gezwungen haben, den Spind zu räumen.

Bleibt der Erfolg aus, fliegen einem Trainer solche unpopulären Maßnahmen um die Ohren. Noch während des 0:4 gegen Chelsea twitterte Schweini-Kumpel Lukas Podolski: "Schweinsteiger, please." Tatsächlich ist für Außenstehende nicht erkennbar, warum Schweinsteiger für dieses pomadige Manchester United zu schlecht sein soll. Vielleicht steckt dahinter einfach der Sturkopf von Mourinho: Er hat eine Entscheidung getroffen, und damit basta! Ob so eine Einstellung im modernen Profifußball noch zeitgemäß ist, steht auf einem anderen Blatt.

Rückhalt für Mourinho sinkt

Selbst sein langjähriger Co-Trainer André Villas-Boas wendet sich gegen seinen Landsmann. Er gab beim Aspire4Sport-Kongress in Amsterdam zwar zu, dass er früher viel von Mourinho gelernt habe und er sich "regelrecht in ihn verliebt" hatte. Doch irgendwann kippte die Stimmung: "Dann fällst du bei José in Ungnade - und das ist der Moment, wo sich die Dinge verändern und du feststellst, dass du von jemandem geblendet worden bist."

Die Erfolge von Mourinho bleiben unbestritten: Er gewann zweimal die Champions League und einmal den UEFA-Pokal, außerdem acht nationale Meisterschaften. Zuletzt gelang ihm dies 2015 mit Chelsea. Doch seitdem sinkt sein Stern rapide: Im Dezember 2015 endete die Amtszeit in London, weil er mit Chelsea auf den 16. Tabellenplatz abgerutscht war. Sollte er auch bei Manchester United erfolglos bleiben, wäre sein Erfolgsimage mehr als angekratzt.

Bereits am Mittwoch besteht im League Cup die Chance zur Wiedergutmachung. Problem ist nur: Der Gegner wird Tabellenführer Manchester City mit Trainer Pep Guardiola sein. Dem wäre es sicherlich ein Vergnügen, seinem Erzfeind Mourinho ein Bein zu stellen.

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