Der Frauenfußball ist um einen Boykott reicher. Nach den großen Umwälzungen im spanischen Verband rund um den Rubiales-Skandal wenden sich nun zahlreiche jamaikanische Spielerinnen gegen ihren Verband. Es geht um ausstehende Zahlungen, schlechte Kommunikation und minderwertige Bedingungen.
Nur rund zwei Monate nach dem Ende einer rekordverdächtigen Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland steht der Frauenfußball erneut einer Krise gegenüber. Laut einem Bericht von "CNN" weigern sich die jamaikanischen Spielerinnen, in den kommenden Länderspielen für ihr Land zu spielen.
In einer Erklärung, die am vergangenen Wochenende in den sozialen Medien von führenden Mitgliedern des WM-Kaders 2023, darunter Kapitänin Allyson Swaby und Starstürmerin Khadija Shaw, geteilt wurde, erklärten die betroffenen Spielerinnen demnach, dass sie eine "drastische Haltung" einnehmen müssten, um der "ständigen Misshandlung" durch den jamaikanischen Fußballverband ein Ende zu setzen.
Die Mitglieder der WM-Mannschaft, so hieß es in der Erklärung, warteten immer noch auf die korrekte Bezahlung für ihre Leistungen. "Wir haben noch keine vollständige und korrekte Zahlung für unsere historischen Leistungen bei der Weltmeisterschaft und die zahlreichen ausstehenden Prämien für die WM-Qualifikation im Sommer 2022 erhalten", stand in der Erklärung.
Im vergangenen Juni hatte die Fifa bekannt gegeben, dass zum ersten Mal rund 49 Millionen US-Dollar des Rekordpreisgeldes von 110 Millionen Dollar für die Frauen-WM direkt an die einzelnen Spielerinnen gehen würden - mindestens 30.000 Dollar für jede Teilnehmerin und 270.000 Dollar für jede Spielerin im Siegerteam.
Lesen Sie auch: Tor- und Zuschauerrekord: Die Frauen-WM 2023 übertrifft alle bisherigen Turniere
Jamaikanisches Nationalteam kämpft seit Jahren für bessere finanzielle Mittel
Seit Jahren kämpft das jamaikanische Frauenteam für bessere finanzielle Mittel und Arbeitsbedingungen. In den Jahren 2008 und 2016 wurde das Team wegen Unterfinanzierung aufgelöst. Aber trotz aller Widrigkeiten - und mithilfe der Finanzierung durch Cedella Marley, Tochter von Reggae-Ikone Bob Marley - qualifizierte sich Jamaika 2018 zum ersten Mal für eine WM.
In der aktuellen Erklärung wird dem Jamaikanischen Fußballverband (JFF) darüber hinaus unprofessionelle Kommunikation vorgeworfen. Die Spielerinnen hätten erst über die sozialen Medien von ihrem neuen Cheftrainer Xavier Gilbert erfahren. Gilbert war zuvor einer der Assistenten des früheren Cheftrainers Lorne Donaldson gewesen. "Wir haben immer wieder mit mangelnder Kommunikation, schlechter Organisation, schlechtem Management und verspäteten Zahlungen des JFF zu kämpfen", hieß es in der Mitteilung.
In einer auf ihrer Website veröffentlichten Erklärung schrieb die JFF, dass sie die betreffenden Spielerinnen bis zur Klärung der vertraglichen Fragen nicht mehr nominiere. "Die JFF ist bestrebt, alle Bedenken, die die Teammitglieder in Übereinstimmung mit den Verträgen haben könnten, zu klären. Wenn es eine Beschwerde oder ein Anliegen gibt, muss dieses direkt auf den Tisch gelegt werden, um es anzusprechen und gegenüber dem JFF zu dokumentieren." Zuvor hatten die Spielerinnen offenbar ein Treffen mit dem Verband platzen lassen.
Jamaika schreibt bei der WM 2023 Geschichte
Jamaika hatte bei der WM Geschichte geschrieben, indem es als erste karibische Nation überhaupt die K.o.-Phase des Turniers erreichte. In der Gruppe setzten sich die "Reggae Girlz", wie die Spielerinnen des Nationalteams heißen, gegen Panama, Frankreich und Brasilien durch. Nach einem sensationellen 0:0 gegen die favorisierten Brasilianerinnen im letzten Gruppenspiel traf Jamaika im Achtelfinale auf Kolumbien. Jamaika unterlag nur knapp mit 0:1 gegen das Team, das Deutschland aus der Gruppenphase geschossen hatte.
Am Mittwoch (Ortszeit) war Jamaika nun gegen Panama in der Qualifikation für den Gold Cup gefordert. Das Team, das wegen des Boykotts auf zahlreiche Schlüsselspielerinnen verzichten musste, unterlag mit 1:2. Am Sonntag (Ortszeit) folgte die Partie gegen Guatemala. Nur sechs der 23 Spielerinnen, die für die beiden Spiele nominiert worden waren, haben nach Angaben des "Jamaica Gleaner" bereits in der A-Nationalmannschaft gespielt.
Jamaikas Fußballerinnen beklagen "minderwertige" Bedingungen
Bereits im Vorfeld der vergangenen WM hatte es offenbar einige Probleme im Team gegeben. In einem offenen Brief an die JFF brachten viele Spielerinnen der ersten Mannschaft ihre "größte Enttäuschung" über die ihrer Meinung nach "minderwertigen Bedingungen" während der WM-Vorbereitung zum Ausdruck. In einer Erklärung auf ihrer Website räumte die JFF damals ein, dass "die Dinge nicht perfekt gelaufen sind".
Jamaika ist nicht das erste Team der diesjährigen Weltmeisterschaft, das sich mit seinem Verband anlegt. Die spanische Nationalmannschaft, die das Turnier zum ersten Mal gewonnen hatte, trat während des Rubiales-Skandals, der große Wellen schlug, geschlossen auf und zwang den spanischen Fußballverband RFEF zu weitreichenden Änderungen. Der damalige Verbandspräsident Luis Rubiales hatte bei der Medaillenübergabe im Anschluss an das Finale die spanische Starspielerin Jenifer Hermoso ohne deren Zustimmung geküsst.
Lange hatte Rubiales sich gegen einen Rücktritt gewehrt, bis der öffentliche Druck schließlich doch zu groß wurde. Auch der Cheftrainer Jorge Vilda verlor seinen Job, nachdem einige Spielerinnen die Partien nach der WM boykottiert hatten. Mittlerweile sind Hermoso und auch andere Spielerinnen in das spanische Nationalteam zurückgekehrt.
Verwendete Quellen:
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.