Viele Trainerwechsel, alternde Stars und eine schwache Nachwuchsarbeit: Der niederländische Fußball steckt in der Krise. Nach dem Verpassen der EM 2016 droht nun auch die Qualifikation für die WM 2018 zu scheitern.
Der Nächste, bitte: Im heutigen WM-Qualifikationsspiel gegen Luxemburg (20:45 Uhr) sitzt nun also Dick Advocaat auf der Trainerbank der Niederlande.
Der 69-Jährige ist nach Guus Hiddink, Danny Blind und Interimslösung Fred Grim der vierte Oranje-Coach innerhalb von zwei Jahren. Das Trainer-Karussell ist ein Ausdruck der Verzweiflung.
Niederlande drohen die WM zu verpassen
Den Niederlanden droht das Mega-Desaster. Nachdem die Qualifikation für die Europameisterschaft 2016 misslang, könnte die stolze Fußball-Nation nun auch die Weltmeisterschaft 2018 in Russland verpassen.
Die Niederländer stehen in der Gruppe A lediglich auf Platz vier. Der Gruppensieg und die damit verbundene direkte Qualifikation scheint unerreichbar. Tabellenführer Frankreich ist sechs Punkte entfernt.
Die einzige Hoffnung besteht darin, auf den zweiten Tabellenplatz vorzurücken und sich über die Playoffs zu qualifizieren. Dafür darf es allerdings keine Ausrutscher mehr geben. Der Tabellenzweite Schweden hat drei Punkte mehr auf dem Konto und zudem ein besseres Torverhältnis.
Advocaat bezeichnet die Qualifikation als "schwierige Aufgabe." Der kommende Gegner Luxemburg ist zwar Gruppenletzter, stellte aber sogar Schweden und Frankreich vor Probleme.
Advocaat als Beispiel für Konzeptlosigkeit
Dass Advocaat überhaupt auf der Trainerbank sitzt, ist ein Paradebeispiel für die Konzeptlosigkeit der Oranjes. Im vergangenen Jahr wurde er noch zum Co-Trainer der Niederlande ernannt, um den jungen Cheftrainer Blind zu unterstützen.
Doch nach drei Spielen war er schon wieder weg. Advocaat ließ die Nationalmannschaft für den Trainerposten beim türkischen Spitzenverein Fenerbahçe Istanbul sitzen. Der Ärger war groß.
Umso größer die Überraschung, dass nun ausgerechnet er die Niederlande auf WM-Kurs bringen soll. Zumal Advocaat noch im März erklärt hatte, seine Trainerkarriere beenden zu wollen.
Doch es gibt einen simplen Grund dafür, warum Advocaat nun bereits zum dritten Mal die Niederlande übernimmt: Alle anderen Kandidaten wollten nicht.
Ex-Leverkusen-Trainer Roger Schmidt, Henk ten Cate, Frank de Boer, Louis van Gaal und Ronald Koeman lehnten laut Medienberichten ab. Advocaat ist also eine Notlösung. Auch wenn Sportdirektor Hans van Breukelen die Verpflichtung rechtfertigt: "Wir brauchten einen erfahrenen Trainer, eine Autorität."
Es mangelt an Qualität
Ohnehin kann ein Trainer alleine die Probleme der Oranjes nicht lösen. Es fehlt dem Kader einfach an Qualität. Der 33-jährige
Robben kann noch immer den Unterschied ausmachen. Das zeigte sich zuletzt am Sonntag im Testspiel gegen die Elfenbeinküste. Robben steuerte beim 5:0 ein Tor und eine Vorlage bei.
Problem ist nur: Robben fällt häufig aus. Seit Anfang 2016 hat er lediglich drei Länderspiele bestritten. Und dem offensiven Mittelfeldspieler Snejder ist jegliche Effektivität abhanden gekommen. Bei seinen vergangenen zwölf Einsätzen gelang ihm keine einzige Torvorlage und lediglich ein eigenes Tor.
Dennoch sind die Niederländer auf ihre beiden Stars angewiesen. Anders als in Deutschland rücken kaum junge Top-Spieler nach. "Ich habe immer gesagt, dass es aktuell nicht das Problem des Nationaltrainers ist, sondern es liegt an der Jugendarbeit", erklärte der niederländische Ex-Trainer Huub Stevens bei "Sport 1".
Weil die niederländische Liga im internationalen Vergleich hinterherhinkt, wechseln die Talente früh ins Ausland, kommen dort aber zu selten zum Einsatz. Der niederländische Co-Trainer Ruud Gullit sagt: "Unser Problem ist, dass Spieler mit 16 oder 17 Jahren ins Ausland gehen, obwohl sie noch nie vorher als Profi in Holland gespielt haben."
Masterplan für die Zukunft
Um die Probleme des niederländischen Fußballs in den Griff zu bekommen, wurde von rund 90 Experten ein Masterplan mit dem Titel "De Winnaars van Morgen" (Deutsch: Die Gewinner von morgen) entwickelt. Angestrebt wird eine bessere Zusammenarbeit mit den Amateurvereinen, zudem mehr Trainingseinheiten und Lehrgänge für U-Nationalspieler und Trainer.
Um die Umsetzung wollte sich der technische Direktor Jelle Goes kümmern. Doch auch der ist nicht mehr im Amt. Bei den Funktionären des niederländischen Fußballverbandes herrscht genauso viel Kontinuität wie auf dem Trainerposten – nämlich gar keine.
Dadurch ist Advocaat praktisch der letzte Hoffnungsträger der Oranjes. Vielleicht ist es sogar ein guter Ansatz, wenn er sagt: "Wir werden rein auf Ergebnis spielen." Die Niederlande stehen eigentlich für einen offensiven Hurra-Fußball, lief damit aber oft ins Verderben.
Dabei haben die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 bewiesen, dass der Mannschaft ein defensives Spielverhalten gut tut. Damals belegten sie die Plätze zwei und drei.
Im kommenden Jahr wären sie froh, überhaupt dabei zu sein.
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