Bastian Schweinsteiger darf bei Manchester United wieder mittrainieren, aber keiner weiß, was Trainer José Mourinho plant. Denkbar ist vieles - von Show über Sport bis Schaufenster.
Zeit ist eben doch etwas Relatives. "Im Moment haben wir keine Probleme", sagte
Am Donnerstag hat Mourinhos Manchester United mit 1:2 in der Europa League bei Fenerbahce Istanbul verloren. Der Klub musste zudem die Verletzung von Paul Pogba verkraften (Oberschenkel, genaue Diagnose ausstehend). Weil Ander Herrera für die Premier-League-Partie bei Swansea City gesperrt fehlt, ist der Personalstatus im Mittelfeld plötzlich spannender denn je. Schon vor der Fenerbahce-Pleite schrieb United auf seiner Homepage: "Es wird interessant sein zu sehen, ob Mourinho jetzt auf Schweinsteigers Dienste zurückgreift."
Das wäre so etwas wie das Comeback des Jahres. Vor Saisonbeginn wurde der Deutsche degradiert, just am 32. Geburtstag musste er seinen Spind räumen und zur Reserve umziehen. Dort durfte er nur trainieren, nie spielen, und am Ende wirkte die Situation ausweglos verfahren. Weil Mourinho halt Mourinho ist: prinzipientreu, autokratisch, stur.
Vorstellbar, dass Mourinho bloß ablenken wollte
Von August bis Oktober änderte sich nichts. Dann kam dieser Montag, und die Verlautbarungen ("eines Tages") fußten auf dem Umstand, dass Schweinsteiger in Uniteds Teamtraining aufgenommen wurde. "Es war eine menschliche Entscheidung", sagte Mourinho, der obendrein behauptete, dass Schweinsteigers "persönlich davon profitiere".
Mourinho ist ein Typ, der selten offenlegt, was er denkt, mit bissiger Freude betreibt er Psychologie für Fortgeschrittene. Seine Maßnahme wurde mit Erstaunen quittiert, weil nichts darauf hindeutete und keine Motivation zu erkennen war. Mourinho, der Mystische.
Vorstellbar, dass er Ablenkung bezweckte. In der Vorwoche wurde der Exzentriker gegen Burnley auf die Tribüne verwiesen und mal wieder gesperrt; da hat Schweinsteiger in jedem Fall die Aufmerksamkeit absorbiert. Dies wäre die Variante Show, sie ist Mourinho zuzutrauen.
Schweinsteiger fit wie lange nicht
Eine andere Möglichkeit: trainingsstrukturelle Gründe. "Um meine taktischen Wünsche einzustudieren, brauche ich 23 oder 24 Spieler. Durch Spezialtraining und Verletzungen habe ich mitunter bloß 13 oder 14", sagte Mourinho. Würde bedeuten, dass Schweinsteiger lediglich Lückenfüller ist, Einsätze aber nie geplant waren.
Fraglich allein, ob United keine Hilfe verträgt. In der Liga dümpelt der Star-Kader auf Platz acht umher, die Kritik ist beträchtlich und steigend. Hat die Begnadigung also doch sportlichen Wert? "Vielleicht denkt Mourinho um", vermutet Bundestrainer Joachim Löw.
Dem Vernehmen nach hat sich Schweinsteiger während seiner Absenz in vorbildliche körperliche Verfassung gebracht, verbrieft ist seine Arbeit mit einem Privattrainer. Neben Pogba (23) und Herrera (27) sind die Positionskonkurrenten mit Marouane Fellaini (28), Morgan Schneiderlin (26) und Michael Carrick (35) keine unüberwindbaren Überflieger.
Fan-Zuspruch und Eitelkeiten
Dazu dieser Fan-Zuspruch. Obwohl kaum aktiv, wird Schweinsteiger im Vereinsumfeld gemocht - und immer stärker gefordert. Als Manchester neulich ein Mannschaftsfoto ohne den Ur-Bayern veröffentlichte, setzten pfiffige Anhänger dessen Kopf einfach hinein, zum Teil statt jenem von Mourinho ...
Der Protagonist selbst hat letztmals im August gesprochen, vor seinem DFB-Abschied. Die Botschaft war klar: "Mein absoluter Traum wäre es, für Manchester United zu spielen." Inzwischen scheint er nahe dran wie lange nicht. Oder?
Erneut: nicht unbedingt. Bringt Mourinho den Weltmeister, wäre es indirekt das Eingeständnis eines Irrtums - erst recht, falls Schweinsteiger dann überzeugt. Klingt kleinkariert, aber Fußball ist nun mal ein Geschäft der Eitelkeiten und Egoismen. Andererseits verfolgen in einer Gruppe ja alle dieselben Interessen. Sollten sie zumindest.
Schweinsteiger: "Natürlich ist Amerika eine Option"
Weil nichts gewiss ist, kann Mourinho durchaus das berechnendste aller Modelle gewählt haben: Schweinsteiger aufnehmen, um Form und Fitness zu suggerieren, was den abgesackten Marktwert erhöhten dürfte. Ein Winter-Wechsel gilt als wahrscheinlichste Lösung, Mourinho bedient das Schaufenster: "Er wird viel besser vorbereitet sein, falls er die Entscheidung treffen sollte, den Klub zu verlassen."
Die kolportierte Destination Amerika würde US-Bundestrainer Jürgen Klinsmann "toll" finden, "wenn er Lust hätte, wäre das eine klasse Sache". Die Staaten dürften auch Schweinsteigers Ehefrau Ana Ivanovic reizen, im August merkte der Fußballer an: "Natürlich ist Amerika eine Option."
Abgesehen vom Abschiedskick hat Schweinsteiger seit der EM nicht auf Wettkampfniveau agiert. Sein letzter Einsatz für United datiert vom 20. März, in Manchesters Startelf stand er seit dem 2. Januar nicht mehr. Der Gegner von damals ist derselbe wie am Sonntag: Swansea. Vielleicht schließt sich ja dann der Kreis ...
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