Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, begrüßt im Interview den Einsatz der umstrittenen Nacktzelte: "Sie sind bei bestimmten Spielen absolut richtig und vernünftig." Zudem kritisiert er die Gewaltexplosion gegen Polizisten und fordert erneut eine Kostenbeteiligung von DFL und DFB bei den Einsätzen an Spieltagen.

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Laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze sind die Gewalttaten rund um Fußballspiele gestiegen. Ist es für Familien mittlerweile gefährlich ins Stadion zu gehen?

Rainer Wendt: Ganz und gar nicht. Wir sind weit davon entfernt, eine Stimmung erzeugen zu wollen, die dazu führt, dass Familien nicht mehr ins Stadion gehen. Das sind ja genau die Fans, die wir brauchen. Ohnehin sind aus unserer Sicht nahezu 99 Prozent der Fans absolut friedlich. Für Panikmache gibt es überhaupt keinen Anlass. Werden die Einsätze für die Polizisten gefährlicher?

Rainer Wendt: Es gibt eindeutig eine Tendenz zu mehr Gewalt, die sich direkt gegen die Polizei wendet. Beamte werden zum Teil ganz bewusst in Hinterhalte gelockt und dann gezielt angegriffen. Fußball ist dabei aber nur der äußere Anlass für die Krawallmacher, die nicht mehr nur die Konfrontation mit den gegnerischen Fans suchen.

DFB und DFL sollen sich an Kosten beteiligen

Die Polizei wird auch bei den Einsatzzeiten immer mehr gefordert. Mit 1,9 Millionen Arbeitsstunden ist ein neuer Höchststand erreicht worden. Was bedeutet das in der Praxis?

Rainer Wendt: Das heißt, dass wir mehr als elf Hundertschaften der Polizei im Jahr ausschließlich bei Fußballspielen einsetzen. Bedenkt man, dass eine Hundertschaft etwa 130 Mann stark ist und eine Stelle Personalkosten von 80.000 Euro mit sich bringt, sind wir bei Gesamtkosten von deutlich über 100 Millionen Euro.

In den vergangenen Jahren wurde immer wieder gefordert, dass sich die Vereine an diesen Kosten beteiligen sollen.

Rainer Wendt: Das halte ich für nicht machbar. Das würde vor allem für unterklassige Teams das finanzielle Aus bedeuten. Ich finde aber, dass sich DFB und DFL wenigstens mit 50 Millionen Euro in Form einer Sicherheitsgebühr an den Kosten beteiligen müssen. Das ist bei Privatleuten im Übrigen längst der Fall. Jedes Bundesland hat eine eigene Gebührenordnung für Polizeieinsätze. Und für jeden Einsatz werden Privatpersonen zur Kasse gebeten. Das Geld für die Einsätze rund um Fußballspiele sollte dann aber nicht in irgendwelchen Länderhaushalten verschwinden, sondern direkt der Polizei zugutekommen, beispielsweise sollten die abgeleisteten Überstunden vergütet werden.

Werden 'Nacktzelte' bald obligatorisch?

Das klingt so, als fühle sich die Polizei vor allem von der Politik und den Verbänden alleine gelassen?

Rainer Wendt: In der Zusammenarbeit gibt es positive und negative Aspekte. Ich bin jetzt seit gut fünf Jahren im Amt. Seitdem diskutieren wir über Maßnahmen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Einsatzstunden der Polizei von 700.000 auf 1,9 Millionen gestiegen. Passiert ist aber nichts. Mit dem DFL-Sicherheitskonzept bewegt sich nun aber endlich was.

Das soll am 12. Dezember auf der Vollversammlung des Ligaverbandes verabschiedet werden.

Rainer Wendt: Dazu muss es auch kommen. Die Politik hat ja auch klargemacht, dass die Zeit der Runden Tische langsam aber sicher vorbei sein muss. Der Dialog ist wichtig, aber er darf nicht zum Selbstzweck werden. Im Dezember müssen wir nun zu einer Entscheidung kommen, sonst wird die Politik entscheiden. Dann könnten die Ordnungsbehörden den Vereinen konkrete Auflagen machen, etwa zur Sperrung von Tribünenbereichen oder bei der Gestaltung der Einlasskontrollen.

Gerade beim Thema Einlasskontrollen kam es zuletzt zu heftigen Debatten - Stichwort "Nacktzelte". Sind solche Maßnahmen nicht überzogen?

Rainer Wendt: Nein. Die sind bei bestimmten Spielen absolut richtig und vernünftig. Die Aufregung der Fans verstehe ich nicht. Auch am Flughafen gibt es ja solche 'körpernahen Durchsuchungen'. Wenn es dort um die Sicherheit geht, regt sich keiner auf. Verstehen Sie mich aber nicht falsch: Wir fordern nicht, dass wie am Flughafen jeder Fan vor dem Einlass ins Stadion durchsucht wird. Das geht auch vom Aufwand her gar nicht. Es gibt aber Spiele, bei denen intensive Kontrollen, beispielsweise der Stehplatz-Fans, sinnvoll sind. Aber das muss auch aus unserer Sicht die Ausnahme bleiben.

Rainer Wendt (56) ist seit 2007 Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG). Zwischen 1997 und 2010 war er zudem Vorsitzender der DPoIG in Nordrhein-Westfalen. Polizeibeamter ist er seit 1973.
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