Nach 124 Länderspielen ist Schluss: Weltmeister-Torwart Manuel Neuer tritt mit 38 aus der Nationalmannschaft zurück. Nicht immer wurde er dabei fair behandelt.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Pit Gottschalk dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Gerade noch rechtzeitig hat Manuel Neuer die Kurve gekratzt und mit 38 Jahren seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft verkündet. Wenn wir ehrlich sind, haben wir seit fünf, sechs Jahren, seit seiner ersten großen Verletzungspause vor der WM 2018, mit ihm im Tor gehadert.

Mehr News zum Thema Fußball

Nicht, weil er schlecht gespielt hätte; das hat er nie. Sondern weil er nicht mehr der Neuer war, der überragend hielt. Der Neuer, den wir von der Weltmeisterschaft 2014 kannten: ein Abenteurer im Torwarttrikot. Einer, der Ausflüge aus dem Strafraum unternahm und Kopf und Kragen riskierte, um seine Abwehrspieler zu retten.

Er spielt plötzlich so normal, so vorhersehbar unvorhersehbar. Er hatte gute Spiele, ein paar Böcke, aber immer das Niveau, um die Nummer 1 bei Bayern zu bleiben und angriffslustige Rivalen, Grüße an Alex Nübel, vom Rasen fernzuhalten. Unsere Enttäuschung lag darin, dass wir immer Überdinge von ihm erwarteten.

Zwischen Kritik und Anerkennung: Das schwierige Erbe von Neuer

Wir wollten, und dafür kann er nichts, irgendwann den Wechsel zu Marc-André ter Stegen. Er hat, mit Verlaub, nicht die Klasse von Neuer, war aber neuer: Der Glanz des Messi-Klubs FC Barcelona strahlte auf ihn ab. So unfair kann Fußball sein: Wir, und nicht ich persönlich, waren Neuer leid und wollten etwas Neues.

Aber es gibt gute Gründe, dass kein Bundestrainer auf Manuel Neuer verzichten wollte. Nicht Joachim Löw, nicht Hansi Flick, nicht Julian Nagelsmann. Neuer spielt, selbst wenn er nicht überragend ist, in einer eigenen Liga. Dennoch kratzte die ständige Diskussion um ihn an seinem Nimbus. So sind wir Deutschen halt.

Wir haben einen Weltstar und können das nicht ertragen, dass da einer aus der Masse und so lange herausragt. Macht er Fehler (wie vor der Heim-EM 2024) nehmen wir das zum Anlass zur Besserwisserei: Wir haben's ja schon immer gewusst… Nein, haben wir nicht. Wir sollten dankbar sein, dass wir Neuer hatten.

Er hat dem Torwartspiel in der Nationalmannschaft eine neue Definition geschenkt. Er hat Maßstäbe gesetzt, die Nachwuchsleute anstreben. Vermutlich wird ter Stegen vorläufig im deutschen Tor stehen. Aber sogar er, in Spanien ein Held, wird sich an Neuers Leistungen messen lassen müssen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Nach 124 Länderspielen, 29 mehr, als der große Sepp Maier hat, ist Schluss. Die zwei September-Länderspiele finden ohne ihn statt. Wegen seiner Verletzungen kennen wir das Gefühl. Merkwürdig wird's trotzdem. Man kann nur hoffen, dass wir Deutschen jetzt beginnen, ihm unsere Dankbarkeit auch zu zeigen.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
  • Fever Pit'ch ist der tägliche Fußball-Newsletter von Pit Gottschalk. Jeden Morgen um 6:10 Uhr bekommen Abonnenten den Kommentar zum Fußballthema des Tages und die Links zu den besten Fußballstorys in den deutschen Medien.

Verwendete Quellen

Manuel Neuer beendet DFB-Karriere

Nach acht großen Turnieren als Nummer eins ist für Manuel Neuer Schluss im Tor der Nationalmannschaft. Das EM-Aus gegen Spanien war sein letztes Länderspiel.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.