Es war der 26. September 1998 – ein gewöhnlicher Bundesliga-Samstagnachmittag. An diesem 6. Spieltag der Saison 1998/99 empfing der amtierende deutsche Meister, der 1. FC Kaiserslautern, den VfL Bochum. Es sollte ein schönes Fußballspiel werden. Es wurde für Otto Rehhagel jedoch ein Nachmittag zum Vergessen. Nicht nur, dass sich einer seiner Spieler verletzte. Er sorgte mit seiner überhasteten und folgenreichen Auswechslung auch für den Lacher des Spieltags.

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Noch bevor der Halbzeitpfiff ertönte, kam es zu einer schweren Verletzung von Michael Schjønberg, der sich das Schienbein brach. Man kann sich vorstellen, dass es auch für Lauterns Meistertrainer Otto Rehhagel ein Schreckmoment war und in Sekundenschnelle entschied er, dass Pascal Ojigwe für den verletzten dänischen Abwehrspieler ins Spiel kommen sollte. So kam es auch. Und nur wenige Minuten später erkannte Otto Rehhagel die Misere, in die er seinen Club damit gebracht hatte, raufte sich am Spielfeldrand die Haare und diskutierte gestenreich mit seinem Trainerstab.

Einmal durchzählen, bitte!

Seit 1967 sind im Fußball Auswechslungen erlaubt. Zunächst waren es zwei pro Spiel, bis 1994 dann je zwei Feldspielende plus Torhüter bzw. Torhüterin („2+1-Regel“) und nur ein Jahr später drei Auswechslungen unabhängig der Position. Diese Regelung wurde erst im vergangenen Jahr mit der Erhöhung auf fünf Auswechslungen geändert. (Zudem ist seit 2018 in manchen Wettbewerben eine weitere Auswechslung in der Verlängerung möglich.)

Otto Rehhagel hatte sich 1998 aber nicht bei der Anzahl der Einwechslungen verzählt, sondern der Anzahl der Nicht-EU-Ausländer. Seit 1992 galt: Es dürfen pro Team immer nur drei Spieler auf dem Platz stehen, deren Nationalität ein Land außerhalb der EU war. Mit Pascal Ojigwe hatte Rehhagel an diesem Samstagnachmittag aber einen vierten Spieler eines Nicht-EU-Landes ins Spiel gebracht. Mit Hany Ramzy, Samir Ibrahim und Ratinho waren bereits drei auf Seiten der Pfälzer auf dem Platz.

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Vorgetäuschte Verletzung und ein Geschenk

Der Lauterer Trainer holte mit Hany Ramzy einen dieser drei Spieler zu sich an die Seitenlinie, tuschelte kurz mit ihm. Wenige Sekunden später begann Ramzy zu humpeln und signalisierte, dass er unbedingt sofort ausgewechselt werden muss, weil er große Schmerzen habe. Das war Rehhagels Kurzschlussreaktion, um seinen Fauxpas möglichst unbemerkt zu bereinigen. Für den eigentlich unverletzten Ramzy kam so Harry Koch noch knapp vor der Halbzeit ins Spiel und reduzierte die Anzahl der Nicht-EU-Spieler für den FCK wieder auf drei.

Aber der VfL Bochum hatte durchaus registriert, was vorgefallen war. Bochum signalisierte Lautern: Geht mal nicht mehr so arg in die Zweikämpfe und lasst uns das Spiel gewinnen. Und das tat Kaiserslautern.

Am Ende gewannen die Bochumer mit 3:2. Ein gerichtliches Nachspiel hatte der Vorfall durch den geschenkten Sieg nicht, das gab Bochums Trainer Klaus Toppmöller zu Kenntnis. Damit war die Sache vom grünen Tisch. Nur Otto Rehhagel hatte noch einige Zeit daran zu knabbern. Am Ende der Saison belegte der FCK den 5. Platz und zog in den UEFA-Cup ein.

Dieser Fehler wird sich nicht wiederholen

Eine Reprise dieser durchaus amüsanten Posse wird es nicht geben, denn Gott sei Dank wurde diese Beschränkung von Spielern auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit wenige Jahre später aufgehoben. Sie sollte für zunehmenden Einsatz von Nachwuchs aus dem eigenen Verein sorgen, doch – oh Wunder – kam es nicht zu wesentlich mehr Debüts von Eigengewächsen. An der Nachwuchsleistungsförderung tat sich nur langsam etwas.

Wechselfehler wird es sicher auch weiterhin geben, aber nicht mehr wegen einer solchen anmaßenden, restriktiven Regelung, die Otto Rehhagel in die Bredouille brachte.

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