Robert Enke nahm sich am 10. November 2009 das Leben. Fußball-Deutschland geriet in einen Schockzustand. Enkes damaliger Vertreter Florian Fromlowitz erinnert sich an den damaligen Tag und an Enke. Fromlowitz spricht außerdem über den Umgang mit psychischen Erkrankungen im Profifußball und seine eigene Karriere.

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Herr Fromlowitz, was löst der zehnte Todestag von Robert Enke in Ihnen aus?

Florian Fromlowitz: Rund um diesen Tag wird man von Freunden, der Familie und den Medien immer wieder daran erinnert. Dann kommen natürlich viele Erinnerungen hoch und man lässt sich die ganze Geschichte durch den Kopf gehen.

Wie haben Sie damals vom Tod Robert Enkes erfahren?

Wir hatten an dem Tag trainingsfrei. Meine Frau und ich kamen gerade nach Hause, als mein Telefon klingelte und mein ehemaliger Mitspieler Bastian Schulz dran war. Er fragte mich, ob ich schon mitbekommen hätte, dass Robert tot sei. Das konnte ich erst gar nicht glauben – bis ich in den Medien selber davon gelesen habe. Wir fuhren dann alle zum Stadion, wo sich bereits viele Menschen versammelt und Kerzen angezündet hatten. Da wurde einem das erst so richtig bewusst.

Im Nachhinein fragt man sich vermutlich, ob es Anzeichen für seine psychische Erkrankung gab. Hat es denn welche gegeben?

Robert war allgemein eher ruhig, in sich gekehrt und hat wenig gelacht. Aber es war für niemanden erkennbar, dass er unter Depressionen litt. Er hat nur unseren Mitspieler Hanno Balitsch und unseren Physiotherapeuten über seine Krankheit informiert. Ansonsten wusste niemand etwas. Im Nachhinein ist es für mich unbeschreiblich, dass Robert trotzdem seine Leistung bringen konnte.

"Wenn ich daran denke, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter"

Er selber dürfte bereits in den Tagen zuvor im Kopf gehabt haben, sich das Leben nehmen zu wollen …

Ich erinnere mich an sein vorletztes Spiel, das beim 1. FC Köln (31. Oktober 2009, Anm. d. Red.) stattfand. Ich habe ihn vor dem Spiel warmgeschossen. Nach dem Einschießen sagte er beinahe beiläufig zu mir: "Flo, du wirst hier bald deine Spiele bekommen." In dem Moment dachte ich, er würde damit vielleicht meinen, dass er irgendwann den Verein wechselt und ich sein Nachfolger werde würde.

Er wurde damals zum Beispiel mit dem FC Bayern München oder anderen Vereinen in Verbindung gebracht. Er hätte auch gemeint haben können, dass ich irgendwann bei einem anderen Verein Stammtorwart werde.

Im Nachhinein aber lässt es sich so interpretieren, dass er damals bereits den Selbstmord geplant hatte und sich auf diese Art von mir verabschieden wollte. Wenn ich daran denke, läuft es mir heute noch eiskalt den Rücken herunter.

Wie schwierig war es für Sie, dann seine Nachfolge bei Hannover 96 anzutreten?

Es war für uns alle schwer. Für mich vielleicht ganz besonders, weil ich seine Position besetzen musste. Ich habe alles gegeben und versucht, meine Leistung zu bringen. Aber die Lücke, die er hinterließ, ließ sich nicht füllen. Die Stimmung in der Mannschaft war demoralisierend.

Man wurde immer wieder daran erinnert: Sein Platz in der Kabine war leer, sein Trikot wurde im Stadion aufgehängt. Der Verein wollte Robert Enke damit würdigen. Andererseits wurden wir als Mannschaft dadurch immer wieder daran erinnert. Wir haben danach zwölf Spiele nicht mehr gewonnen, holten in dieser Zeit lediglich einen Punkt.

Selbst als es zur Winterpause den Trainerwechsel gab und Mirko Slomka die Mannschaft übernahm, fanden wir zunächst nicht in die Spur. Dass wir am Ende trotzdem die Liga gehalten haben, hing mit einer ordentlichen Portion Glück zusammen. Danach ging es für den Verein wieder bergauf.

"Depressionen bleiben im Fußball ein schwieriges Thema"

Haben Sie das Gefühl, dass sich durch den Fall Robert Enke der Umgang mit psychischen Erkrankungen im Profisport verändert hat?

Das ist schwer zu sagen. Heutzutage haben die Spieler durch die Psychologen, die in den Vereinen arbeiten, auf jeden Fall bessere Möglichkeiten, sich helfen zu lassen. Andererseits haben Depressionen noch immer den Anschein, dass jemand Schwächen zeigt. Das wurde vermutlich auch Robert zum Verhängnis, weil er mit seiner Krankheit nicht an die Öffentlichkeit wollte. Das wäre heute vermutlich nicht anders. Zumal auch die sozialen Medien nun eine große Rolle spielen.

Die meisten Fußballprofis setzen sich in der Öffentlichkeit eine Maske auf und zeigen nur wenig von sich selbst – das war bei mir früher genauso. Daher bleiben Depressionen im Fußball ein schwieriges Thema. Ich hoffe trotzdem, dass der Tod von Robert Enke ein Alarmsignal bleibt und sich so eine Geschichte nicht wiederholt. Ich wünsche keiner Mannschaft das, was wir damals durchgemacht haben.

Sie waren nach dem Tod von Robert Enke rund ein Jahr Stammtorwart bei Hannover 96. Später haben Sie 14 Zweitliga-Spiele für den MSV Duisburg bestritten, waren danach noch Ersatztorhüter bei Dynamo Dresden und SV Wehen Wiesbaden. Wie blicken Sie heute auf Ihre Karriere zurück?

Insgesamt sehr positiv. Ich bin glücklich darüber, dass ich das Leben als Fußballprofi mitgemacht habe, dass ich in den großen Stadien gespielt und innerhalb des Fußballs viele Freundschaften geschlossen habe. Vielleicht war der sportliche Erfolg nicht immer vorhanden. Dafür gab es umso mehr kleinere Momente, die ich genossen habe.

Und wie sieht Ihr Leben heute aus?

Ich habe meine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann beendet, bin stolzer Vater von drei Kindern, habe eine tolle Familie und bin in der Verbandsliga beim SV Steinwenden noch als Torwarttrainer tätig. Vielleicht ergibt sich später, wenn meine Kinder größer sind und ich zu Hause nicht mehr so viel gebraucht werde, noch einmal die Möglichkeit, im Fußball-Nachwuchsbereich tätig zu werden.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 08 00/ 11 10 - 111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).

Teresa Enke

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