Jedes Jahr am 25. November gibt es viele Aktionen gegen Gewalt an Frauen. Auch der Fußball beteiligt sich. Die Spielerinnen sind allerdings deutlich aktiver, als ihre männlichen Kollegen. Dabei könnten die richtig was bewegen, auch in der Kabine.
Seit 1991 macht die UN-Kampagne "Orange the World" im Winter 16 Tage lang auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam. Los geht es jedes Jahr mit dem "Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen" am 25. November, den Abschluss bildet der "Tag der Menschenrechte" am 10. Dezember.
Die Aktion ist wichtig und nimmt in ihrer Bedeutung tragischerweise von Jahr zu Jahr weiter zu: Gewalt gegen Frauen ist tief in den patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft verankert, Zahlen belegen das, auch ihren Anstieg.
Wichtig ist deswegen auch, dass eine Aktion wie "Orange the World" gesellschaftlich auf einen breiten Konsens stößt und zudem von unterschiedlichen Gruppen mitgetragen wird. Zugleich ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass reine Symbolik die Gesellschaft nicht verändert. Es ist deswegen kein Zufall, dass dieser Text nicht am 25. November erscheint, sondern erst ein paar Tage danach: Jeder Tag muss einer zur Beendigung der Gewalt an Frauen sein.
Das Thema geht natürlich auch Männer an
Wie in den Jahren zuvor haben sich auch wieder viele Menschen aus dem Sport am "Orange Day" beteiligt. Zwei Dinge sind daran auffällig. Zum einen scheint es fast so, als handle es sich hierbei um ein "Frauenthema", weil speziell sie es sind, die sich äußern. Diese Annahme aber wäre grundfalsch, denn zwar sind die Betroffenen Frauen, die Gewalt wird aber in den meisten Fällen von Männern ausgeübt.
Es ist also stark, wenn die DFB-Frauen einen Clip zu dem Thema drehen. Aber was ist eigentlich mit der Nationalelf der Männer? Oder als Minimalanforderung, mit der Möglichkeit, den Clip auch über deren reichweitenstarke Accounts auszuspielen?
Es möge an dieser Stelle bitte niemand die alte Leier einer Trennung von Politik und Fußball anstimmen, denn zum einen sind beide ohnehin verwoben, außerdem geht es um die Frage, wie wir als Gesellschaft leben wollen, um Menschenrechte und schlicht ums Überleben. Denn die Zahl der Femizide, der Morde an Frauen also, eben weil sie Frauen sind – die beispielsweise ihren Ex verlassen haben – hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Jeden Tag unternimmt ein Mann einen solchen Tötungsversuch, fast jedem gelingt es auch.
Statements von Fußballern hätten große Wirkmacht
Eine weitere Zahl? Alle vier Minuten erlebt eine Frau sexualisierte Gewalt durch ihren Partner. Auch diese ebenso wie Partner*innenschaftsgewalt geht Männer mindestens genauso an wie Frauen. Die Verantwortung im Fußball ist dabei eine sehr konkrete: Immer wieder sind in den vergangenen Jahren Fälle bekannt geworden, in denen Spieler unterschiedliche Formen der Gewalt gegen Frauen ausgeübt haben, weitere Vorwürfe stehen ungeklärt im Raum.
Es wäre also einerseits von den Spielern – nicht nur des Nationalteams – zu erwarten, dass sie sich mit einer starken Aktion beteiligen. Es ist andererseits aber nicht genug: Ebenso wichtig wäre es, dass sie sich zu konkreten Fällen äußern, dass sie ihre Bromance mit anderen Spielern nicht über die Unversehrtheit von deren Frauen oder Bekanntschaften stellen, und dass diese über-privilegierten Menschen endlich, endlich anfangen, ihre unfassbare Reichweite nicht nur für Werbedeals und Urlaubsfotos zu nutzen, sondern sie auch sinnvoll einzusetzen.
Zumal, da ihr größtes Privileg als Männer darin besteht, dass in der Regel nicht sie diejenigen sind, denen Gewalt passiert, die getötet werden. Was hätte es für einen unglaublichen Effekt, wenn die Fußballer ihren zig Millionen Fans laut und deutlich sagen würden: Dieses Thema ist mir wichtig. Wer sich so verhält, hat mit mir nichts gemeinsam. Ich stehe für den Schutz von Frauen. Problematischen Mitspielern gleich hinterher. Und das nicht nur am 25. November.
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