Kaum einer weiß besser, wie man Weltmeister wird als Andreas Brehme. Der Elfmeter-Held von 1990 begleitet exklusiv für unser Portal die Spiele des DFB-Teams bei der WM 2014. Vor dem Finale spricht Brehme im Interview über den WM-Triumph 1990 und das Endspiel von Jogis Jungs am Sonntag (21:00 Uhr, LIVE in der ARD und bei uns im Ticker).

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Herr Brehme, derzeit will jeder mit Ihnen Interviews führen. Welche Frage haben Sie bislang am häufigsten zu hören bekommen?

Andreas Brehme: Natürlich muss ich immer wieder vom Elfmeter erzählen. Aber genauso oft kommt die Frage: Wird Deutschland Weltmeister?

Und, was haben Sie geantwortet?

Na, immer das gleiche. Dass ich beim Elfmeter sehr, sehr lange warten musste. Und dass ich wusste, dass der Torhüter schon einige Elfmeter gehalten hatte. Aber dass ich trotzdem selbstbewusst zum Punkt gegangen bin. Und auf die zweite Frage: Ja.

Wie ist denn der Abend vor dem Finale bei Ihnen 1990 abgelaufen? Über was redet man da? Wie fühlt man sich?

Das war relativ entspannt. Man freut sich auf den Sonntag, denn man hat ja nur alle vier Jahre die Möglichkeit, so weit zu kommen und die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Außerdem waren wir haushoher Favorit gegen Argentinien - so wie das die deutsche Mannschaft meines Erachtens dieses Mal auch wieder ist. Ich habe nicht anders geschlafen als sonst auch, habe mich konzentriert und entspannt. Am Abend haben wir zusammen ein Glas Wein oder Bier getrunken, um gut zu schlafen. Am Morgen haben wir trainiert und dann war ich froh, als das Spiel endlich angepfiffen wurde.

Bekommt man das als Spieler eigentlich mit, dass schon Feiermaterialien vorbereitet oder T-Shirts gedruckt werden? Und baut das eventuell zusätzlich Druck auf?

Nein, da haben wir nichts mitgekriegt. Und es hätte uns auch nicht interessiert. Es ist doch so: Man kann nicht vorher feiern oder sich auf eine Feier freuen, wenn man das Ding noch gar nicht gewonnen hat. Das kann man hinterher.

Es werden immer wieder Parallelen zwischen 1990 und heute gezogen. Welche sehen Sie?

Ein Finale ist ein Finale. Da könnte man zwischen 1974 und 1990 wahrscheinlich genauso viele Parallelen finden, wenn man nur suchen würde. Trotzdem stehen jedes Mal andere Mannschaften auf dem Platz. Deshalb ist es schwer, richtige Parallelen zu ziehen.

Eine Parallele, die man aber doch ziehen kann: Argentinien ist wieder einmal sehr von einem Superstar abhängig. 1990 war es Diego Maradona, heute ist es Lionel Messi.

Guido Buchwald hatte damals Maradona vor sich und hat keine sehr gute, sondern eine Weltklasseleistung gebracht. Das war einfach perfekt.

Wie, glauben Sie, geht die deutsche Mannschaft am Sonntag mit Messi um?

Ich glaube nicht, dass einer abgestellt wird, der auf ihn aufpasst. Das wird eine Kollektivleistung sein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Argentinier besonders offensiv ausgerichtet antreten werden. Die werden sich auf die Defensive konzentrieren - zumal sie nach dem 7:1-Sieg der deutschen Mannschaft gegen Brasilien einen Riesenrespekt haben werden.

Aber die Argentinier werden natürlich auch versuchen, Ihre Chance zu nutzen. Denn die wissen auch: Falls sie in Führung gehen sollten, was ich nicht hoffe, dann können sie sich hinten reinstellen und dann wird das ein ganz schwieriges Spiel für die deutsche Mannschaft.

Das DFB-Team wird auf ein schnelles Tor drängen und versuchen, den Bann zu brechen. Dann wird man lockerer und gewinnt an Spielfreude. Das hat man ja gegen Brasilien gesehen.

Stimmt eigentlich die Geschichte, dass Franz Beckenbauer vor dem Finale lediglich den Satz "Geht's raus und spielt's Fußball" aus der Kabine an Sie und Ihre Kollegen geschickt hat?

Nein, das stimmt mit Sicherheit nicht. Wir haben eine ganz normale Sitzung gehabt, mit einer ganz normalen Ansprache. Und zum Schluss hat Beckenbauer vielleicht so etwas gesagt wie: 'So und jetzt geht raus und haut sie weg!'

Was glauben Sie, unterscheidet die Trainertypen Beckenbauer und Löw voneinander?

Man kann die beiden nicht vergleichen. Beckenbauer war ein absoluter Weltklassespieler. Löw war ein guter Spieler. Ein Franz Beckenbauer war - und ist noch heute - eine Gallionsfigur. Das merkst du dann, wenn er vor dir steht, dir die Hand schüttelt oder du mit ihm sprichst. Er ist die größte Respektsperson, die es im Fußball überhaupt für mich gibt.

Jogi Löw macht natürlich hervorragende Arbeit für den DFB und es wäre ihm zu wünschen, dass er dieses Ding gewinnt. Denn die Leute in Deutschland sind schon seit längerer Zeit unruhig und meckern: "Ach mit dem kann man nichts gewinnen." Das hat Löw gar nicht verdient.

Worauf müssen sich die Spieler denn emotional vorbereiten? Wie fühlt es sich an, Weltmeister zu werden?

Das kann man erst später registrieren, nach zwei, drei Tagen. Man freut sich zwar gemeinsam mit den ganzen Leuten, aber begreifen kann man es erst später.

Aber ich tue mich schwer damit, jetzt immer schon vom Feiern zu reden. Ich gehe zwar davon aus, dass die deutsche Mannschaft gewinnt, aber ich habe schon so viele Spiele gesehen, die verloren gegangen sind, bei denen zuvor keiner damit gerechnet hatte. Deswegen sollte man lieber hinterher über Freude reden.

Wie haben Sie damals den WM-Sieg gefeiert?

Wir haben in der Kabine gefeiert, obwohl wir sehr ausgelaugt waren. In Rom war es ganz schön warm. Aber wir haben gemeinsam Champagner und Bier getrunken, waren im Entmüdungsbecken, haben gesungen. Dann gab's die Siegerehrung, das hat alles ganz schön lange gedauert und wir waren, glaube ich, erst um 2:00 Uhr im Hotel und da wurde dann erst einmal richtig gefeiert. Das hatten wir uns aber nach so einer langen Saison und einem solchen Triumph auch richtig verdient.

Wie war der Empfang von den Mannschaftskollegen bei Inter Mailand?

Das war ein toller Empfang. Alle haben gratuliert. Klar, haben viele Italiener gesagt "Normalerweise wären sie verdienter Weltmeister geworden", darauf hab ich immer geantwortet: ´"Wer hatte den Pokal in der Hand? Ihr oder Wir? Na, also! Das erübrigt sich, weil ihr gegen die schlechten Argentinier verloren habt. Habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Wir haben gegen die schlechten Argentinier leider nur 1:0 gewonnen, aber hochverdient und wir hätten das Spiel schon nach einer halben Stunde für uns entscheiden müssen."

Haben Sie noch Andenken an das Spiel? Haben Sie mit jemandem Trikot getauscht?

Ich habe mit Sicherheit Trikot getauscht, aber ich wüsste jetzt nicht mehr, mit wem.

Haben Sie es gar nicht aufgehoben?

Doch klar, aber die Trikots sind alle auf dem Speicher.

Und wo ist die Weltmeistermedaille - hoffentlich nicht auch auf dem Speicher?

Nein, nein, die hängt bei mir daheim an der Wand.

Andreas Brehme ist der Weltmeister-Held von 1990. Im Endspiel in Rom gegen Argentinien verwandelte der gebürtige Hamburger den Elfmeter zum 1:0 und bescherte Deutschland damit den ersten Weltmeistertitel seit 1974. Für unser Portal kommentiert er jedes Spiel der deutschen Nationalmannschaft exklusiv als Experte.
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