Das darf man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen: Jogi Löw hat die deutsche Nationalmannschaft zum Weltmeistertitel geführt. Doch nun steht der Bundestrainer vor einer schweren Entscheidung: aufhören oder weitermachen?

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Am Tag nach dem rauschenden Triumph ist es eigentlich völlig verrückt, wenn man bedenkt, wie hart Jogi Löw während seiner Bundestrainerlaufbahn schon kritisiert wurde. Keinem konnte er es Recht machen, weder dem Fußballvolk noch den Experten. Der Hurrafußball der deutschen Mannschaft hielt die Kritiker solange bei Laune, bis das Team einmal mehr im Halbfinale gescheitert war. Mit diesem Trainer kann man keinen Titel gewinnen - so das Credo der Nation. Endlich hat Löw diesen ewigen Stänkerern das Gegenteil bewiesen. Endlich ist er da, der Titel.

Doch wenn die Freude über den vierten Stern abgeebbt ist, wird sich Löw mit einer Frage beschäftigen müssen: gehen oder bleiben? Eigentlich hat der Bundestrainer noch einen Vertrag bis 2016. Und es gibt gute Gründe, weshalb sich jeder Deutschland-Fan wünschen sollte, dass Löw bleibt.

Should Jogi stay ....

Seit 2006 steht Löw als Cheftrainer an der Seitenlinie. Den Assistenten zum Nachfolger von Jürgen Klinsmann zu machen, war wohl eine der besten Entscheidungen, die der DFB in der jüngeren Vergangenheit getroffen hat. Denn Jogi Löw hat eines allen anderen Trainern voraus: Er hinterfragt sich ständig selbst. Zur Not auch im Laufe eines Turniers. Während beispielsweise Brasiliens Trainer Felipe Scolari starr an seinem System festhielt - auch nachdem mit Neymar und Thiago Silva die beiden Säulen der Selecao ausgefallen waren - reagierte Löw auf eher maue Auftritte seiner Mannschaft in Gruppenphase und Achtelfinale mit einer Umstellung. Philipp Lahm durfte wieder in die Abwehr und Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira auf die Sechs. Prompt lief es besser im deutschen Spiel und Löw hatte einmal mehr eine Bewegungsfähigkeit bewiesen, die es ihm vermutlich noch über Jahre hinweg ermöglichen kann, der Nationalmannschaft immer neue Impulse zu geben.

Und: Löw ist mutiger geworden. Als Christoph Kramer - die erste mutige Entscheidung des Finals - verletzt raus musste, präsentierte sich der Fußballwelt ein Bundestrainer, der keine Lust auf Angsthasenfußball hatte, der nicht abwarten, sondern Angriffe sehen wollte: Deshalb brachte Löw Andre Schürrle und nicht Per Mertesacker ins Spiel. Ein hohes Risiko, das Löw wohl noch vor einigen Jahren kaum eingegangen wäre. Der neuentdeckte Mut des Jogi Löw, er kann der DFB-Elf auch in den nächsten Jahren zu Erfolgen verhelfen - wenn er richtig dosiert eingesetzt wird.

Aber von der richtigen Dosis kann man bei Löw fast immer ausgehen. Vor der WM zog der Trainer die Zügel härter an. Ende März appellierte er an seine Spieler: "Die Uhr tickt. Nur wer sie hört, wird eine reelle Chance haben." Eine Drohung, die sich die Spieler offensichtlich zu Herzen genommen haben. Während der WM dann gab es viel Lob - für alle, vom Bankdrücker bis zum Stammspieler. Löw ist ein großartiger Psychologe, der weiß, wann Zuckerbrot und wann Peitsche angesagt ist. So hat er es geschafft, eine "högschd" motivierte, homogene Mannschaft zu formen. Eine Gabe, die vielen anderen Trainern fehlt und die Löw im Zusammenspiel mit seinem überragenden taktischen Verständnis fast einzigartig macht.

... or should he go?

Dennoch: Man könnte auch verstehen, sollte Jogi Löw seinen Vertrag nicht mehr erfüllen wollen. Er ist Weltmeister. Er hat die goldene Generation um Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm gekrönt. Was soll jetzt noch kommen? Gut, Europameister war die deutsche Mannschaft unter Löw noch nicht. Aber sollte ihm dieser Wurf auch noch gelingen, das Gefühl wird nicht dasselbe sein. Die Freude ist jetzt auf ihrem Höhepunkt. Besser geht es nicht mehr und eigentlich soll man doch immer gehen, wenn es am Schönsten ist.

Hansi Flick, Löws Co-Trainer, macht das so. Er wird, sobald die Feierlichkeiten vorüber sind, neuer DFB-Sportdirektor. Eine schwierige Situation für Löw, der, sollte er sich denn zum Bleiben entschließen, einen neuen Assistenten suchen muss. Das kann natürlich einerseits für neue Impulse sorgen, aber auch zu Problemen führen. Angeblich ist Thomas Tuchel, ehemaliger Trainer des FSV Mainz 05, als Flick-Nachfolger im Gespräch. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass der charismatische Tuchel Löw so ruhig und besonnen den Rücken stärken würde, wie das Flick in den vergangenen Jahren getan hat. Ob sich Löw diesen Stress noch antun will?

Tatsächlich scheinen die Zeichen jedoch gut zu stehen, dass Löw Trainer der Nationalmannschaft bleiben wird. "Ich mache weiter. Und wie ich Jogi Löw die letzten Tage und Wochen gesehen habe, gehe ich auch bei ihm davon aus", sagte Bierhoff in der ARD. Und auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bestätigte: "Er wird auch in zwei Jahren Trainer sein". Das klingt doch gut, auch wenn Löw "erst einmal mit dem Präsidenten sprechen" will. Aber wir behaupten mal, der Niersbach macht das schon.

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