Rund zwei Wochen vor dem ersten Spiel bei der WM 2014 gegen Portugal fehlt der deutschen Nationalmannschaft noch ein ganzes Stück zur gewünschten WM-Form. Im Testspiel gegen Kamerun kam das Team von Joachim Löw nur zu einem 2:2 (0:0) und ließ dabei einige dringliche Fragen unbeantwortet.

Mehr News zur Fußball-WM

Das elftägige Trainingslager im Passeiertal in Südtirol sollte den Berg an Problemen, mit denen der Bundestrainer in die Mission Titelgewinn bei der WM 2014 gestartet war, nach und nach abtragen. Die Partie gegen Kamerun, die als Simulation für das zweite Gruppenspiel gegen den einen afrikanischen Gegner Ghana gelten sollte, offenbarte aber noch einige Schwächen. Und auch einige viel diskutierte Personalien bleiben weiter offen.

Der Fitnesszustand

In Südtirol lief außerhalb des Platzes kaum etwas nach Plan - die Trainingseinheiten sollen aber ebenso intensiv wie lehrreich gewesen sein. Das Problem: Auch im Passeiertal hat sich der Kader nicht wie gewünscht auf ein einheitliches körperliches Niveau trainieren können. Langzeitverletzte wie Sami Khedira oder Miroslav Klose sind zwar gesund, aber deshalb noch lange nicht fit und bei einhundert Prozent ihrer Leistungsfähigkeit. Und nicht weniger wird beim Turnier in Brasilien gefordert sein.

Wie weit Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Marcell Schmelzer nach ihren Verletzungen schon sind, ist kaum zu beantworten. Gegen Kamerun stand keiner überhaupt im Kader, keiner konnte so seinen Rhythmus wieder aufnehmen. Diese vier sollten mit Khedira und Klose eigentlich das Gerüst der ersten Mannschaft bilden. Derzeit steht dieses Gerüst aber auf enorm wackeligen Beinen.

Zudem ist immer noch nicht klar, welcher Spieler auf welcher Position eingesetzt werden kann. Wohin mit Lahm? Wer verteidigt auf den Außenbahnen in der Viererkette? Findet Mario Götze einen Platz im Team? Ist Mesut Özil in dieser Form überhaupt ein Kandidat für die Startelf?

Löw wollte sich zu einzelnen Entscheidungen nicht äußern. Immerhin gestand der Bundestrainer ein, dass noch einiges im Argen liegt. "Wir haben einige Fehler gemacht, an denen wir arbeiten müssen. Im Zusammenspiel muss Einiges passieren in den nächsten Tagen, offensiv wie defensiv. Wir haben gemerkt, dass wir noch Einiges tun müssen."

Das Defensivverhalten

Die Testläufe gegen die eigene U20, mit der vor allen Dingen gegnerische Spielabläufe ohne den letzten Körpereinsatz simuliert wurden, sind nur bedingt zu bewerten. Vielmehr hat das Spiel gegen Kamerun gezeigt, dass die deutsche Mannschaft in ihrer größten Problemzone immer noch gehörigen Nachholbedarf hat.

Das defensive Mittelfeld mit einem halb-fitten Khedira und dem nicht so defensivstarken Toni Kroos war gegen einen eher biederen Gegner im Rückwärtsgang nicht kompakt genug und offenbarte viele Lücken, mit denen die Viererkettet einige Male ihre liebe Mühe hatte. Ohne einen aggressiven ersten Störspieler wie Klose und mit einem zaudernden Özil, der sich mal wieder kaum an der Arbeit gegen den Ball beteiligen wollte, bekommt die Mannschaft selbst gegen Gegner aus der Mittelklasse zu viele Probleme.

"Sobald wir schnell die Bälle verlieren, bekommen wir gegen jede Mannschaft der Welt Probleme", sagte Ersatzkapitän Per Mertesacker selbstkritisch nach dem Spiel in Gladbach. "Wir haben viele Fehler im Passspiel gemacht und viele Bälle verloren. Das hat uns in die Bredouille gebracht, weil der Gegner dann kontern konnte", sagte Löw.

Das Angriffsproblem

Es ist viel geschrieben und geredet worden über die falsche Neun, mit der Löw seine Alternativlosigkeit im Angriff bekämpfen will. Der Bundestrainer hat nur einen echten Stoßstürmer im Kader und der hat derzeit Luft für maximal 45 Minuten.

Die sportliche Führung betont zwar zu Recht immer wieder, das Klose routiniert genug sei und auf seinen Körper hören könne. Zudem hat er vor den letzten beiden Turnieren mit ähnlichen Problemen zu kämpfen gehabt und diese auch rechtzeitig in den Griff bekommen. Das alles ist aber keine Garantie dafür, dass das dieses Mal auch wieder so reibungslos hinhauen wird.

Der Plan B ist ein Spielsystem ohne echten Angreifer. Dass das funktionieren kann, hat die Mannschaft in den vergangenen beiden Jahren phasenweise schon bewiesen. In einigen Test- und Pflichtspielen haben Mario Götze, Andre Schürrle, Thomas Müller, Marco Reus oder Lukas Podolski durchaus schon Akzente setzen können.

Ein WM-Turnier und die Gegner dort sind aber ein anderes Kaliber, dazu ist die Mannschaft in der Formation längst nicht so eingespielt wie mit einer "echten" Sturmspitze. Mit Kloses Einsatzfähigkeit steht und fällt die Statik des deutschen Spiels. Sowohl offensiv als auch defensiv.

Die Mentalität

Die deutsche Mannschaft hat gegen Kamerun beschwingt begonnen, sich dann aber von der Härte des Gegners den Schneid abkaufen lassen und sich durch dauerhaftes Lamentieren über die Gangart der Kameruner selbst aus dem Spiel gebracht.

Einer Mannschaft von Weltformat darf das so leicht nicht passieren. Da greift auch die Ausrede nicht, dass die eigentlichen Führungsspieler nicht dabei waren. Das Team lässt sich von Kleinigkeiten weiterhin zu leicht aus dem Konzept bringen, es fehlte dann auch gegen Kamerun einer, der das Team wieder auf Linie und Ruhe ins eigene Spiel bringt.

Beim "Turnier der Urkräfte", wie Löw die Reise nach Brasilien gerne nennt, werden wohl noch ganz andere Unwägbarkeiten auf die Mannschaft warten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.