Als Titelverteidiger zählt Deutschland bei der Handball-Europameisterschaft automatisch zu den Favoriten. Doch für den unerfahrenen Bundestrainer Christian Prokop wird die EM zu einer Mammutaufgabe. Der Kader ist nicht auf allen Positionen top besetzt, die Konkurrenz dafür sehr groß.
Der Sieg der Europameisterschaft 2016 war eine Sensation. Die deutsche Nationalmannschaft ging mit vielen Verletzungssorgen und ohne jegliche Stars in das Turnier. Trainer Dagur Sigurdsson vollbrachte das Meisterstück, dennoch eine starke Einheit zu formen. Unter dem Spitznamen "Bad Boys" sorgte die deutsche Nationalmannschaft für Furore und bezwang im Finale den Titelfavoriten Spanien.
Bei der Europameisterschaft in Kroatien (12.1. bis 28.1.) sind die Vorzeichen andere. Deutschland ist der Titelverteidiger und somit der Gejagte. "Wir gehören zum Favoritenkreis", sagt der Bundestrainer Christian Prokop im Gespräch mit unserer Redaktion.
Der 39-Jährige trat vor knapp einem Jahr die Nachfolge von Sigurdsson an. Der jüngste deutsche Bundestrainer der Geschichte gilt zwar als ein toller Motivator und Taktiker, hat dafür aber wenig Erfahrung. Nie war er im internationalen Handball aktiv. Nicht einmal drei volle Spielzeiten hat er als Bundesliga-Trainer verbracht.
Ob das genügt, um den Traum von der Titelverteidigung zu realisieren? Immerhin: Von allzu großen Verletzungssorgen blieb der deutsche Handball diesmal verschont. Alle wichtigen Leistungsträger stehen zur Verfügung.
Im Tor und auf Linksaußen top, im Rückraum nur Durchschnitt
Spieler von Weltklasse-Format hat die deutsche Nationalmannschaft vor allem auf zwei Positionen zu bieten: auf Linksaußen und im Tor. Die Torhüter Andreas Wolff vom THW Kiel und Silvio Heinevetter von den Füchsen Berlin gehören zu den Besten ihres Faches.
Der absolute Top-Star der deutschen Nationalmannschaft ist allerdings
Das Problem ist nur: Im Rückraum, wo der Spielaufbau vonstatten geht, ist die deutsche Nationalmannschaft nur durchschnittlich besetzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Nationen hat Deutschland keinen Spielmacher auf Weltniveau.
Drei Auswärtsspiele in der Vorrunde
In der Vorrunde trifft Deutschland auf Montenegro (13.1.), Slowenien (15.1.) und Mazedonien (17.1.). Das Besondere: Alle drei Nationen liegen direkt bei Kroatien und bringen viele Fans mit. "Wir müssen uns auf drei Auswärtsspiele einstellen", sagt Gensheimer.
Gensheimer verriet auch im Gespräch mit unserer Redaktion, wer für ihn neben Deutschland die Top-Favoriten sind: "Das ist Frankreich als Weltmeister, Kroatien als Gastgeber, Dänemark als Olympiasieger und die Norweger, die bei den letzten Turnieren stark waren."
Frankreich: Erfolgreichste Nationalmannschaft aller Zeiten
Sechs WM-Titel, drei WM-Titel, zwei Olympiasiege – Frankreich ist die erfolgreichste Nationalmannschaft im Handball. Erst vor einem Jahr gewannen sie die Weltmeisterschaft im eigenen Land.
In Nikola Karabatic hat Frankreich den vielleicht besten Handballspieler aller Zeiten in ihren Reihen. Er ist der einzige männliche Spieler, der drei Mal zum Welthandballer gekürt wurde. Um den 33-Jährigen herum entstanden neue Stars wie Kentin Mahé oder Nedim Remili. In der EM-Quali offenbarte Frankreich allerdings auch Schwächen.
Kroatien: Gastgeber sorgt sich um Schlüsselspieler
Kroatien zählt bei fast jedem Turnier zu den Top-Favoriten – ganz besonders nun im eigenen Land. In Lino Carvar kehrte der Erfolgstrainer früherer Jahre zurück, der Kroatien 2003 zum WM-Titel und 2004 zum Olympiasieg führte.
Schlüsselspieler der Kroaten ist Spielmacher Domagoj Duvnjak vom THW Kiel. Jedoch hat der Welthandballer des Jahres 2013 eine lange Verletzungspause hinter sich. Das könnte zu einem Problem werden.
Dänemark: Olympiasieger mit zweimaligem Welthandballer
Vor eineinhalb Jahren feierte Dänemark den Olympiasieg. Auch wenn in den vergangenen Jahren einige Routiniers zurückgetreten sind, ist der Kader noch immer top besetzt. Torwart Niklas Landin vom THW Kiel ist ein starker Rückhalt. Der zweimalige Welthandballer Mikkel Hansen ist einer besten, wenn nicht sogar der beste, Rückraumspieler der Welt.
Norwegen: Die aufstrebenden Talente
Die Herren aus Norwegen gewannen noch nie eine EM oder WM, haben sich in den letzten Jahren allerdings stark entwickelt. Bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr scheiterten sie erst im Finale an Gastgeber Frankreich.
Trainer Christian Berge steht eine große Anzahl an Top-Talenten zur Verfügung, die zwar keine großen Stars sind, aber vielfach bei internationalen Top-Vereinen spielen und eine Einheit bilden.
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