Für Bundestrainer Alfred Gislason ging die Rechnung im letzten Hauptrundenspiel gegen überforderte Tunesier auf. Der Isländer konnte seine Topspieler beim 31:19 schonen, die zweite Reihe ist jetzt auch im Turnier und ein Duo konnte sich in den Fokus spielen. Jetzt geht es wahrscheinlich gegen Portugal.

Eine Analyse
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Das letzte Duell des Abends ging auch an David Späth. Der Torhüter der deutschen Handball-Nationalmannschaft setzte sich bei der Wahl zum "Man of the Match" gegen seinen Teamkollegen Marko Grgic durch.

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Späth klatschte mit dem ebenfalls stark aufspielenden Rückraumass ab, und beide lachten: Die Laune bei dem Duo war blendend, denn sie konnten beim 31:19 zum Abschluss der WM-Hauptrunde gegen Tunesien noch einmal Werbung in eigener Sache betreiben.

Wobei man sagen muss: Späth war bei dieser WM bereits gegen Tschechien Spieler des Spiels, er ist schon drin im Turnier, der verlässliche Backup der etatmäßigen Nummer eins Andreas Wolff.

Und keine Frage: Die Tunesier hatten am Samstagabend sicher nicht das Format wie die anderen deutschen Gegner, doch dass Späth zwischenzeitlich eine Fangquote von über 70 Prozent aufwies, war schon fast absurd stark. Insgesamt 21 Paraden bedeuteten am Ende 52 Prozent. Immer noch Weltklasse. Doch Späth ist niemand, der so einen Auftritt für sich beansprucht.

Späth macht den Teamplayer

"Ich sag's immer wieder: Es hängt von der Abwehrleistung ab, und das hat super funktioniert", sagte Späth nach dem Spiel gegenüber der Presse und kündigte an: "Wir werden das Viertelfinale als Team angehen. Andi und ich müssen zusammenhalten, egal wer auf der Platte steht, und wir sind beide bereit."

Wolff hatte dem Mann des Tages von der Seite aus immer wieder zugejubelt und applaudiert. Dass sich beide gegenseitig pushen und hervorragend ergänzen, ist ein Trumpf der deutschen Mannschaft.

Genauso wie die Breite im Kader, durch die stark belastete Topstars wie Wolff, Johannes Golla, Julian Köster oder Renars Uscins eine wertvolle Pause bekommen konnten. Das war die Chance anderer DHB-Youngster wie Grgic, der teilweise wie entfesselt wirkte und feuerte, was die schwache Abwehr der Tunesier möglich machte. Und das war eine Menge.

Grgic wirft sich warm

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Grgic ließ sich selten zwei Mal bitten, insgesamt 14 Mal warf der mit 21 Jahren jüngste Nationalspieler auf das Tor und war mit elf Toren der mit Abstand beste Werfer. "Es war auf jeden Fall das Ziel, dass ich mir mal mehr Selbstvertrauen hole, die Würfe nehme die ganze Zeit. Ich kann mich nicht beschweren", sagte Grgic, der bewies, dass er für die kommende Aufgabe am Mittwoch eine starke Option sein kann.

Nicht nur er, wie er befand: "Falls jemand im Viertelfinale mal ein paar Minuten Pause braucht, brauchen die Trainer keine Angst haben, auf die Bank zu schauen und jemanden einzuwechseln", sagte der Rückraumspieler.

Das Duo Späth/Grgric bekam von Bundestrainer Alfred Gislason ein Sonderlob: "Das war eine sehr, sehr gute Leistung von vielen, besonders natürlich David Späth, aber ich war auch sehr zufrieden, wie Grgic gespielt hat", sagte Gislason.

Konzentriert und seriös

Auch wenn der letzte Auftritt in der Hauptrunde sportlich bedeutungslos war und den Tunesiern die WM-Klasse fehlte, lieferte das junge deutsche Team über weite Strecken eine konzentrierte und seriöse Vorstellung ab.

Dabei schaffte die Mannschaft den Spagat, die Spannung hochzuhalten, sich ein gutes Gefühl für die nächsten Partien zu erspielen und gleichzeitig kein unnötiges gesundheitliches Risiko einzugehen. Denn die Personallage ist durch die Ausfälle der erkrankten Juri Knorr, Rune Dahmke und Lukas Stutzke angespannt.

Dass die Deutschen offensiv zu oft zu schludrig agierten, sorgte zwar für einen Anpfiff durch Gislason bei einer Auszeit ("Katastrophe"), doch ganz schwache zwölf technische Fehler in Halbzeit eins konnten nach dem Seitenwechsel auf immerhin nur noch fünf reduziert werden. Dafür war die Abwehr erneut stark, wurde von den Tunesiern aber auch nicht immens gefordert.

Da lacht sogar der Bundestrainer

Es machte sich eine legere Lockerheit und souveräne Lässigkeit im Spiel breit, die dem deutschen Team nach den zurückliegenden, teils zähen und nervenaufreibenden Aufgaben sichtlich guttat.

"Natürlich tut es gut, wenn man so ein Spiel von Anfang bis Ende super gestaltet", sagte Späth. "Die Lockerheit ist von Spiel zu Spiel gestiegen, wir haben immer besser zusammengespielt und jetzt gehen wir mit vollem Elan ins Viertelfinale, um dann hoffentlich auch dort mit lachenden Gesichtern rauszugehen."

Sogar der Bundestrainer konnte sich während des Spiels ein Lachen nicht verkneifen. Denn er hatte Linkshänder Lukas Zerbe auf Linksaußen gestellt, um Lukas Mertens ein paar Pausen zu geben. Ein ungewöhnlicher Move, doch selbst der ging auf. Als Zerbe auf ungewohnter Position sogar ein Treffer gelang, bekam sich Gislason kaum noch ein.

Und jetzt wohl gegen Portugal

Doch wer den 65-Jährigen kennt, der weiß, dass ab Sonntag mit der Reise nach Oslo die Ernsthaftigkeit wieder an der Tagesordnung ist, denn es geht dann in der K.-o.-Runde um die erste deutsche WM-Medaille seit 18 Jahren. Sollte den Portugiesen am Nachmittag gegen bislang punktlose Chilenen ein Remis gelingen, wären sie am Mittwoch der deutsche Gegner.

Ein Duell mit Brasilien ist auch möglich, aber aufgrund der Konstellation in der Hauptrundengruppe 3 unwahrscheinlich.
"Die Portugiesen spielen ein super Turnier. Sie haben schon länger eine sehr gute Mannschaft, aber dieses Jahr klappt bei ihnen alles sehr gut", sagte Gislason. Späth kündigte an, man werde "alles reinwerfen, um sie zu schlagen. Das wird ein harter Fight und wir werden uns auf viel Körperlichkeit und viel Tempo einstellen."

Und Grgic ergänzte, dass man mit fünf Siegen aus sechs Spielen sehr gut in die K.-o.-Runde starten könne: "Wir werden heiß auf das Viertelfinale sein." Warm geworfen haben sie sich ja bereits.

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