Äußerst emotional verläuft der drittletzte Tag der Tour de France. Dies hat mit einer gerissenen Kette zu tun - und mit den Gedanken an einen kürzlich verstorbenen Teamkollegen.
Auch am drittletzten Tag der Tour de France sind die deutschen Hoffnungen auf einen Etappensieg unerfüllt geblieben. Während der Slowene Matej Mohoric in Potigny per Tigersprung in einer Millimeter-Entscheidung den erneuten Triumph von Kasper Asgreen verhinderte, wurde bei der gemeinsamen Flucht mit Georg Zimmermann der Kölner Politt zur tragischen Figur.
"Ich habe das Beste rausgeholt, aber ich habe mächtig gelitten. Ich war von Anfang in den Fluchtgruppen", sagte Zimmermann nach seinem starken elften Platz im Ziel - als der geknickte Politt nach seinem Malheur noch Richtung Etappen-Finale rollte.
Nils Politt flucht: "Ich bin erledigt"
"Kette gerissen, ich bin erledigt", rief Politt bei Kilometer 92 in den Tour-Funk, dann nahm das kleine Drama seinen Lauf. Bis dahin war der 29-Jährige Teil einer bärenstarken Fluchtgruppe rund um Zimmermann gewesen, die sich nach rund 50 km formiert hatte und glänzend funktionierte.
90 Kilometer vor dem Ziel aber musste Politt stoppen, der Materialwagen seines Bora-hansgrohe-Teams war weit entfernt - und das neutrale Service-Fahrzeug hatte kein passendes Rad für den baumlangen Profi dabei. Drei Bikes probierte Politt durch, dreimal stieg er wieder ab, er schob Frust. "Come on!", brüllte Politt, vergeblich: Er musste auch das Hauptfeld passieren lassen, bis sein Teamwagen da war - und dann kopfschüttelnd dem Peloton hinterherfahren.
Für einen deutschen Etappensieg wird es eng
Weil ohne ihre "Lokomotive" dann auch die weiteren Ausreißer um Zimmermann, in der zweiten Tour-Woche in Issoire hauchdünn geschlagen Zweiter, gestellt wurde, bleibt Politt der bislang letzte deutsche Etappensieger (2021 in Nimes). Nun sieht vieles nach der zweiten Tour ohne deutschen Tageserfolg in Folge aus.
Mohoric, Teamkollege von Nikias Arndt bei Bahrain-Victorious, siegte in einem wilden Rennen über 172,8 Kilometer mit zahlreichen Attacken in der Schlussphase im Sprint einer Dreiergruppe hauchdünn vor dem Dänen Asgreen. Dieser hatte am Vortag bei seinem Etappensieg als Ausreißer die Sprintteams düpiert und kratzte an einem erneuten Triumph - doch dann hatte der Slowene eine Schlauchbreite Vorsprung.
Mohoric übermannten nach dem Sieg die Emotionen. Er weinte beim Gedanken an seinen verstorbenen Teamkollegen Gino Mäder hemmungslos. Der Schweizer überlebte die Rundfahrt durch sein Heimatland nach einem schweren Sturz nicht und starb am 17. Juni. "Im Kopf und im Herzen fährt er immer mit", hatte Phil Bauhaus, deutscher Teamkollege Mohorics und Mäders, gesagt, nachdem für Mäder zu Beginn der Tour bei der Präsentation der Teams eine Gedenkminute abgehalten worden war.
Zimmermann, der am drittletzten Tag der Tour de France ebenfalls unermüdlich attackierte, sprintete hinter Mohoric und Asgreen um die Top 10, ihm fehlte aber ein wenig die Kraft. "Ich bin wirklich all in gegangen", sagte der Augsburger.
Jasper Philipsen hat das Grüne Trikot so gut wie sicher
Wie am Vortag Vierter wurde der belgische Sprintstar Jasper Philipsen, es reichte wieder nicht zum von ihm ersehnten Massenspurt. Am 23. Juli hat er beim großen Finale auf den Champs-Elysees noch eine Chance auf den fünften Etappensieg in diesem Jahr - das Grüne Trikot des Punktbesten hat der Belgier sicher, so er denn heil in Paris ankommt.
Tour-Dominator Jonas Vingegaard rollte wie am Vortag im Hauptfeld, das rund sieben Minuten hinter der Rennspitze lag. Auf dem Weg zu seinem zweiten Gesamtsieg muss er nur noch die letzte schwere Bergetappe durch die Vogesen am Samstag überstehen. Bei 7:35 Minuten Vorsprung auf seinen Rivalen kann den Dänen nur noch ein unerhörtes Ereignis die Riesenparty in Gelb am Sonntag in Paris kosten.
Nils Politt dürfte seine Wut antreiben
Die Etappe mit dem Ziel auf dem Markstein ist auch die letzte kleine Siegchance für einen deutschen Ausreißer. Genug Wut im Bauch dürfte Politt haben. (sid/hau)
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