• Kurz vor dem Ziel kämpft der deutsche Segler Boris Herrmann bei der Vendée Globe um den Sieg.
  • Er schläft gerade, als es plötzlich kracht. Kollisionsgegner ist ein spanischer Fischkutter.
  • Dessen Kapitän weiß nichts von der Regatta, hält Herrmann sogar für einen Schmuggler - und weist die Vorwürfe des Seglers zurück.

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Es waren nur noch 85 Seemeilen bis zum Ziel der Vendée Globe - der härtesten Regatta der Welt - im französischen Les Sables-d'Olonne. Dann hat den deutschen Einhandsegler Boris Herrmann der Zusammenstoß mit einem Fischerboot den möglichen Sieg gekostet.

Herrmann behob die an seiner Yacht entstandenen Schäden notdürftig und kam bei seiner ersten Teilnahme an der Vendée Globe als Fünfter ins Ziel.

Der Zwischenfall mit dem Fischkutter riss den 39-Jährigen buchstäblich aus dem Schlaf. Den hatte sich Herrmann rund 150 Kilometer vor der Ankunft nochmal gegönnt. Passenderweise sprach der Wahl-Hamburger anschließend von einem "Albtraum": "Ich habe an einer riesigen Wand hochgeschaut", schilderte Herrmann die bangen Momente. Unter anderem verfing sich ein Vorsegel in den Kränen des Trawlers, eines seiner Foils (Tragflügel) brach.

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Die Frage danach, ob der Unfall zu verhindern gewesen sei, wenn er nicht geschlafen hätte, beantwortete Herrmann im ZDF-"Morgenmagazin": "Es war Nacht, dunkel und ein bisschen diesig. Für mich lohnt es sich nicht, mir diese Frage zu stellen. Zum Glück lässt mir mein Geist mehr oder weniger Frieden mit der Sache. Vielleicht kommt das später nochmal hoch, wenn ich realisiere, was ich mit diesem Podium verpasst habe."

Die Schuld an "der Sache" wies der Kapitän des spanischen Fischkutters unterdessen von sich - und verbat sich Vorwürfe. Das Automatische Identifikationssystem (AIS) bei seinem Schiff "Hermanos Busto" sei "zu jedem Zeitpunkt" eingeschaltet gewesen, versicherte Jose Zaldumbide am Donnerstag in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Boris Herrmann schildert dramatischen Zusammenstoß mit Fischerbot

Der deutsche Segler Boris Herrmann fuhr in seiner Rennyacht "Seaexplorer – Yacht Club de Monaco" bis zum Schluss um den Sieg bei der Regatta Vendée Globe mit. Kurz vor dem Ziel aber kollidierte der 39-Jährige mit einem Fischerboot. Die dramatischen Minuten schildert er in einem Video. Vorschaubild: dpa / Boris Herrmann/Team-Malizia.com © YouTube

Boris Herrmann erhebt Vorwürfe gegen Jose Zaldumbide

Darüber zeigte sich Herrmann verwundert: "Davon habe ich noch nichts gehört. Das war es eindeutig nicht, das können wir ja sehen in dem Daten-Log. Das machen die Fischer ja auch ganz oft." Dabei ginge es um den Konkurrenzkampf unter den Fischern auf den Meeren. In diesem Zusammenhang wolle "man den anderen nicht immer seine Position verraten".

Zaldumbide widersprach dem Verdacht, sein Ortungssystem sei ausgeschaltet gewesen. Das garantiere er. "Erstens sind wir dazu verpflichtet, zweitens lässt es sich sehr einfach überprüfen, weil: Das wird automatisch aufgezeichnet. Mal ganz abgesehen davon, dass bei uns immer einer Wache schieben muss, rund um die Uhr", sagte der 55-Jährige.

Herrmann hatte bereits vor dem Interview im ZDF vermutet, der Kutter sei womöglich ohne scharfes Alarmsystem unterwegs gewesen. "Das sollte er nicht sagen, verdammt", konterte Zaldumbide.

Er schilderte im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" das Geschehen nochmals aus seiner Sicht: "Wir haben gerade mit der Takelage hantiert, Backbord. Das heißt auch, dass wir alle unsere Scheinwerfer anhatten, also gut sichtbar waren."

Der Fischer spürte einen "ziemlichen Rumms"

Zudem bewege sich sein Boot in der Regel "kaum vom Fleck, in 30 Minuten vielleicht eine halbe Meile. Und wir haben ihn nicht kommen sehen." Das AIS habe Herrmanns Yacht auch nicht angezeigt, zu keinem Zeitpunkt. Dass Herrmann geschlafen habe, "glaube ich gerne". Es habe auch einen "ziemlichen Rumms" gegeben.

Herrmann wunderte sich über die fehlende Anzeige des Unfallgegners auf seinem Radar: "Das hat auch den ganzen Tag über gut funktioniert. Die Alarme haben während der Annäherung an Land immer rechtzeitig ausgelöst. Deshalb war ich da auch sehr zuversichtlich."

Er ordnete den Zusammenstoß in die Kategorie "Riesen-Pech" ein: "Es kann sein, dass die Annäherung mit diesem Fischerschiff in so einem blöden Winkel war, dass zwei Segel zusammen mein Radar abgedeckt haben, sodass es dieses Schiff nicht erfasst hat. Ich kann es mir nicht wirklich erklären. Das werden wir uns noch genauer anschauen."

Zaldumbide habe "versucht, über die Notfallfrequenz mit ihm in Kontakt zu treten. Wir haben bei der Seewacht angerufen und sind hinter ihm her. Aber da hatten wir keine Chance, er war langsamer, aber für uns zu schnell", erklärte der spanische Kapitän. "Wäre schon gut gewesen, wenn er sich gemeldet hätte. Hat er aber nicht. Wir haben uns echt Sorgen gemacht."

Zaldumbide hielt Herrmann anfangs für einen Schmuggler

Und es sei an Bord sogar der Verdacht aufgekommen, Herrmann könne "ein Schmuggler" sein. "Ich habe mit einem Freund telefoniert", schilderte Zaldumbide, "und er antwortete: 'Da ist doch diese Regatta. Womöglich ist das ein Segler.' Mein Reeder hat dann im Internet nachgeguckt, und ja, verdammt, er fand die Regatta, die am Donnerstag in Frankreich enden sollte, und die Position dieses Drittplatzierten stimmte mit unserer Position überein."

Da jedoch auf beiden Seiten niemand verletzt wurde, schleppte sich Herrmann mit seinem beschädigten Untersatz ins Ziel. Und die fischende Crew beendete mit ihrem zerkratzten Boot noch ihren Fang.

"Das, was passiert ist, ist wie im Film", sagte Zaldumbide. Und dass es ihm "echt leidtut", dass Herrmann "nicht gewonnen hat. Ich hoffe, dass er beim nächsten Mal gewinnt. Er soll dann auch ruhig Bescheid sagen, wenn er wieder vorbeikommt, dann gehen wir auch alle an Deck und applaudieren ihm - aber aus der Ferne."

Mit Material der AFP

Verwendete Quellen:

  • sueddeutsche.de: "Ist das ein Schmuggler?"
  • ZDF: Morgenmagazin (29. Januar): "Herrmann: 'Rennen des Lebens'"
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