Wenn die Matadoren der Landstraße in Streit über die Aufteilung der Straßenbreite geraten, herrscht bei Rennen wie der Tour de France höchste Alarmstufe. Meist gehen schwere Stürze und daraus resultierende Verletzungen auf das egoistische Verhalten der Athleten zurück. Ein neues Sanktionsmittel soll die Disziplin auf dem Rad verbessern.
Videobeweis? Benutzt der Radsport längst. Linien-Technologie? Zumindest die entscheidende im Ziel wird millimetergenau überwacht. Und nun wird auch der Strafenkatalog bei Tour de France und Co. dem Fußball immer ähnlicher: Ab dem 1. August können Rempler und Rüpel auf dem Rad Gelbe Karten und als Wiederholungstäter später Sperren kassieren. Gelb für das Gelbe Trikot? Künftig denkbar.
"Die Hälfte aller Stürze resultieren aus dem Verhalten der Fahrer", sagt David Lappartient, Chef des Rad-Weltverbands UCI: "Deswegen führen wir das Karten-Prinzip wie im Fußball ein, damit gefährliches Verhalten besser bestraft werden kann."
Noch kommen Sünder ungeschoren davon
Der rasant-riskante Profisport soll insgesamt sicherer werden. Deshalb bastelt eine Initiative namens SafeR seit einiger Zeit an einem Maßnahmenkatalog. Zwei der Vorschläge - Ausweitung der "Sturzschutzzone" im Etappenfinale und Vereinfachung der Zeitabstände bei Massenankünften - werden schon bei der laufenden Tour getestet. Die Karten-Revolution beginnt dann mit dem Monatswechsel, zunächst als für Sünder folgenlose Testphase bis Jahresende.
Beim Verwarnsystem können alle im Rennkonvoi befindlichen Personen - neben Profis beispielsweise sportliche Leiter oder Motorradfahrer - wegen Sicherheitsgefährdung mit Gelben Karten belegt werden. Zweimal Gelb während eines Events führt zum Ausschluss plus Sieben-Tages-Sperre, weitere Zwangspausen sind bei dreimal Gelb binnen 30 Tagen (14 Tage Sperre) sowie sechsmal binnen eines Jahres (30) vorgesehen.
Die Gelben Karten sind virtuell, kein motorisierter Rennrichter wird einem Fahrer einen Karton unter die Nase halten. Und: Die bisherigen Sanktionen - Rückversetzung plus Geldstraße bis hin zur Disqualifikation - wird es weiterhin geben.
Das neue System sei "eine gute Sache", sagt der deutsche Tour-Profi Nils Politt, "man sieht doch immer Fahrer, die gefährliche Sachen machen." Und auch Zeitfahr-Star Stefan Bissegger aus der Schweiz sagte dem Portal Watson: "Es ist sinnvoll, dass man genauer hinschaut. Oft gibt es Vorfälle, die nicht für einen Ausschluss reichen - und die bleiben dann folgenlos."
Es geht also darum, Serientätern das Handwerk zu legen. Der französische Sprinter Nacer Bouhanni beispielsweise, unlängst zurückgetreten, galt trotz Unschuldsbeteuerung als Archetyp des Radrüpels, quasi als Roy Keane der Landstraße - ihm hätte man das Leben damit schwer gemacht.
Maxim van Gils beendet die Tour-Teilnahme von Amaury Capiot
Bei der laufenden Tour hätten Gelben Karten indes wenig Einfluss auf das Tagesgeschäft gehabt. Der Belgier Maxim van Gils, der im Sprint von Pau den Franzosen Amaury Capiot abräumte (Capiot musste die Tour aufgeben), wurde mit Rückversetzung samt Geldstrafe belegt - nach den neuen Regeln hätte es zudem Gelb gegeben.
Die meisten schweren Crashs - wie jener von Primoz Roglic - resultierten allerdings aus kritischer Streckenführung oder individuellen Fahrfehlern. Davor schützen Karten nicht, wohl aber bessere Kommunikation im Feld. Diese aber soll künftig laut Maßnahmenkatalog eingeschränkt werden - die Ablenkung durch Kopfhörer im Ohr sei ein Unfallrisiko.
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"Wir führen so etwas wie Gelbe Karten ein, um das Rennen sicherer zu machen? Und reduzieren dann den Teamfunk, mit dem vor Gefahren gewarnt wird?", sagt deshalb der streitbare Soudal-Quick-Step-Boss Patrick Lefevere: "Also, wenn jemand die erste Gelbe Karte verdient, dann die UCI." (sid/hau)
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