Der im Zusammenhang mit den Doping-Razzien bei der Nordischen Ski-WM festgenommene Sportmediziner aus Erfurt bleibt in Haft. Ihm droht eine Gefängnisstrafe bis zu zehn Jahren. Die Spitze des deutschen Sports sieht keine Spur zu deutschen Athleten.
Im Skandal um das mutmaßliche Doping-Netzwerk eines Erfurter Mediziners wehrt sich der deutsche Spitzensport gegen einen Generalverdacht. Kein deutscher Kader-Athlet sei in der Praxis des Sportarztes Mark S. betreut worden, beteuerte DOSB-Chef Alfons Hörmann am Donnerstag bei der Nordischen Ski-WM und konterte damit auch Verdächtigungen von Österreichs Skiverbandspräsident Peter Schröcksnadel.
Er sei "sehr zuversichtlich, dass es genau bei dem Stand bleibt, dass der deutsche Sport im Sinne der Athletinnen und Athleten davon nicht direkt betroffen ist", sagte Hörmann der ARD. Auch der Olympia-Stützpunkt in Erfurt habe "keinerlei Beziehung zu dieser Praxis". Der Erfurter Mediziner wurde am Donnerstag auf Anordnung eines Richters in die Untersuchungshaft nach München gebracht. Er soll in seiner Praxis Fußballer, Schwimmer, Radsportler, Gewichtheber, Handballer und Leichtathleten behandelt haben.
Mark S. kooperiert nach Aussage seines Anwalts mit den Ermittlungsbehörden. "Der Haftbefehl gegen unseren Mandanten wird vollzogen. Er wird in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim verbracht und kooperiert vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut", zitierte die "Bild"-Zeitung am Donnerstag den Rechtsanwalt Andreas Kreysa.
Bis zu zehn Jahren Haft drohen
Dem früheren Radsport-Teamarzt droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. Sollte dem Mediziner und seinem mutmaßlichen Komplizen ein gewerbs- oder bandenmäßiges Delikt nachgewiesen werden, sieht das 2015 verabschiedete Anti-Doping-Gesetz dieses Strafmaß vor. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, Anne Leiding, auf dpa-Anfrage.
Dem Mediziner war schon in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt die Verwicklung in Doping-Praktiken vorgeworfen worden. Unter anderen hatten die des Dopings überführten ehemaligen Radprofis Bernhard Kohl aus Österreich und Stefan Schumacher ihn einst belastet. Mark S. hatte stets jegliche Vorwürfe abgestritten.
Bei der Razzia des österreichischen Bundeskriminalamtes in Seefeld waren am Mittwoch sieben Verdächtige, darunter fünf Athleten aus Österreich, Kasachstan und Estland, verhaftet worden. Zwei Österreicher und ein Kasache haben Eigenblutdoping gestanden. Zwei deutsche Staatsangehörige bleiben vorerst in Haft. Bis spätestens Freitagvormittag muss die Staatsanwaltschaft Innsbruck nach eigenen Angaben entscheiden, ob zur Auslieferung an Deutschland Übergabehaft beantragt wird und die beiden in die Justizvollzugsanstalt Innsbruck gebracht werden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte die Festnahmen und Ermittlungen und sprach in Berlin von einem "schönen Erfolg beim Kampf gegen Doping, was da in Österreich geschehen ist". Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt war am Mittwoch bereits davon ausgegangen, dass "sicherlich auch noch andere Sportarten betroffen sein" werden. Er sprach von einem seit Jahren weltweit agierenden Netzwerk und einer "kriminellen Organisation".
"Keinerlei Beziehung zum deutschen Sport"
DOSB-Chef Hörmann wies in dem Zusammenhang die Anschuldigungen des österreichischen Verbandschefs scharf zurück, nach denen auch deutsche Sportler betroffen seien. "Ich kann es nur als wenig gelungenes Ablenkungsmanöver von den eigenen Unzulänglichkeiten im ÖSV werten", führte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes im ZDF aus. In der ARD sagte er: "Wir gehen davon aus, dass diese fünf Athleten sich in Deutschland einen Arzt gesucht haben, dass es aber keinerlei Beziehung oder direkten Kontakt zum deutschen Sport gibt."
Der Landessportbund Thüringen entzog nach der Festnahme von Mark S. der betroffenen Arzt-Praxis mit sofortiger Wirkung die Lizenz als "Sportmedizinische Untersuchungsstelle". Dabei räumte der Verband eigene Versäumnisse ein. Denn bei der Fortschreibung der ursprünglich bis 2018 laufenden Lizenz um weitere vier Jahre entging dem LSB, dass in der Zwischenzeit Mark S. in die Praxis eingetreten war.
Nach seiner Festnahme droht diesem nun neben den strafrechtlichen Konsequenzen auch ein berufsrechtliches Verfahren durch die Landesärztekammer Thüringen. "Sollten sich die Vorwürfe gegen den Arzt bestätigen, wird die Kammer mit aller Härte vorgehen", sagte eine Kammersprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Das könne für den Arzt den Verlust der ärztlichen Zulassung (Approbation) bedeuten.
Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder regte indes eine Diskussion nach diesem Winter an. "Es ist wichtig, dass wir eine Wertediskussion führen. Man muss auch mal Dinge relativieren", sagte er in Seefeld. "Ob du am Ende des Tages 27 Mal Olympiasieger oder zehnmal Vierter geworden bist, ist völlig scheißegal." Es müsse klar sein, "dass der Erfolg nicht alle Mittel heiligt".
In Österreich wird es nach Aussage von ÖSV-Präsident Schröcksnadel in jedem Fall Konsequenzen aus dem Skandal geben. "Für mich ist eines klar: Nach dieser Saison wird der komplette Langlauf neu aufgestellt", sagte er im ORF. Seinen Verband trifft der Eklat bei der Heim-WM hart. Schon bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin und acht Jahre später in Sotschi überschatteten Doping-Skandale den österreichischen Langlaufsport.
Der 2014 gesperrte Johannes Dürr hatte mit seinen Aussagen die Doping-Ermittlungen und Razzien in Seefeld und Erfurt ausgelöst. Schröcksnadel warf Dürr vor, nicht früher ausgepackt zu haben: "Wenn Dürr nach 2014 schon ausgesagt hätte, dann wären wir heute nicht da."
(dpa/af) © dpa
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