Ein Mann erschießt scheinbar grundlos einen hoch angesehenen Großindustriellen. Das ist die Ausgangslage von "Der Fall Collini" mit Elyas M´Barek in der Hauptrolle, der am 18. April in den deutschen Kinos anläuft. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass hinter der brutalen Tat mehr steckt, als man zunächst vermutet.
Seit mehr als 30 Jahren lebt der Gastarbeiter Fabrizio Collini (Franco Nero) in Deutschland. Nie hat sich der gebürtige Italiener in dieser Zeit etwas zuschulden kommen lassen. Doch das ändert sich, als er den bekannten Großindustriellen Hans Meyer (Manfred Zapatka) in einem Berliner Nobelhotel kaltblütig ermordet.
An der Schuld Collinis besteht bei der Beweislage zwar nahezu kein Zweifel, dennoch bleibt das Verbrechen rätselhaft. Dem ersten Anschein nach hat Collini keinerlei Motiv und den Mord völlig grundlos begangen. Auch sein Pflichtverteidiger Caspar Leinen (
Zudem muss der junge Anwalt zu seinem Entsetzen feststellen, dass er selbst das Mordopfer kannte. Der Tote war während Caspars Kindheit wie ein Ersatzvater für ihn und ist zudem der Großvater seiner Jugendliebe Johanna (
Trotz dieser denkbar schlechten Ausgangslage, will sich Caspar in seinem ersten großen Fall nicht einfach geschlagen geben. Schnell erkennt er, dass er es mit weit mehr als einem schlichten Mord zu tun hat. Denn bei seinen Nachforschungen muss er nicht nur seine eigene Vergangenheit hinterfragen, sondern kommt auch einem der größten Justizskandale in der Geschichte Deutschlands auf die Spur.
Frage nach Recht und Gerechtigkeit
"Der Fall Collini" basiert auf dem gleichnamigen Buch des deutschen Autors Ferdinand von Schirach. Genau wie das Buch dreht sich auch der Film im Kern um die Suche nach der Wahrheit, den damit verbundenen Konsequenzen und der Frage, was "rechtens" ist und was "gerecht".
Dabei laufen die einzelnen Elemente der Handlung in der Aufdeckung des bereits angesprochenen Justizskandals zusammen. Weil dessen Hintergrund aber das Finale des Films darstellt, sei hier aus Spoiler-Gründen nur so viel verraten: Es geht um Kriegsverbrechen und juristische Feinheiten, die erschreckende Konsequenzen mit sich bringen.
Ein wichtiges und fast vergessenes Kapitel der Geschichte
Schirach erklärte einst in einem Interview zu seinem Buch, dass er aus persönlichen Motiven (sein Großvater war während des NS-Regimes Reichsjugendführer der NSDAP) einmal eine Geschichte über den Nationalsozialismus schreiben wollte. Genauer gesagt wollte er darüber schreiben, "was die Bundesrepublik mit diesem Erbe gemacht hat." Denn nach Ansicht des Autors "fand eine ungeheure Verhöhnung der Opfer statt."
Mit der Verfilmung von Schirachs Buch hat sich nun Regisseur Marco Kreuzpaintner daran versucht, die Erinnerung an das darin behandelte und fast vollständig in Vergessenheit geratene Kapitel der deutschen Historie zu erinnern. Allein deshalb hat der bayerische Filmemacher, der zuletzt die Amazon-Serie "Beat" realisierte, einen wichtigen Film geschaffen.
Nur leider ist "wichtig" im "Fall Collini" nicht unbedingt gleichbedeutend mit gut.
Emotionale Dampfhammermethode
Ein Problem, dass sich durch den ganzen Film zieht, ist mangelnde Subtilität. Besonders auffällig wird das bei der akustischen Untermalung.
Fast jedes noch so kleine dramatische Detail wird penetrant mit bedeutungschwangerer Musik beziehungsweise Tönen ausstaffiert. Als Zuschauer kommt man deshalb nicht um den Eindruck herum, dass einem die für die jeweilige Szene vom Regisseur intendierte Emotion geradezu aufgenötigt wird.
Dass der Film seine Botschaften oft mit der Dampfhammermethode an das Publikum weitergibt, merkt man aber auch abseits der Musik schon nach wenigen Sekunden. So kombiniert Kreuzpaintner die Anfangsszene, in der Collini auf dem Weg zu seinem Opfer ist, mit Bildern von M'Barek beim Boxtraining.
Die unmissverständliche Botschaft: Der junge Anwalt ist ein Kämpfer, der sich nicht so leicht unterbringen lässt. Für die drei Zuschauer, die das noch nicht verstanden haben, lässt er seinen Hauptdarsteller exakt das nur ein paar Minuten später auch noch einmal direkt in die Kamera sagen.
An sich sind solche metaphorische Bilder in einem Film nichts Schlechtes. Nur sind diese Verweise in "Der Fall Collini" meist plump, wenig originell und springen einem förmlich ins Gesicht.
Zudem wirken einige kleinere Szenen deplatziert und ergeben im Gesamtkontext wenig Sinn. So erscheint beispielsweise eine Schlüsselszene des Buchs gegen Ende des Films aufgesetzt und nicht wirklich als logisches Ergebnis dessen, was man zuvor gesehen hat.
M'Barek fehlt die Erfahrung
Diese inszenatorischen Mängel bremsen zum Teil auch M'Barek in seiner Darstellung. An vielen Stellen wird dem Hauptdarsteller nämlich die Gelegenheit genommen, dem Zuschauer seine Figur durch sein Spiel näher zubringen.
Denn immer wieder werden die wenigen Feinheiten von Caspars Charakter, die man dem Zuschauer zu vermitteln versucht, mit mal-mehr mal-weniger bildhaften, kurzen dazwischen geschobenen Momenten beleuchtet.
Eine tatsächlich stetig voranschreitende Entwicklung durchläuft die Figur hingegen nicht. Das führt dazu, dass der Charakter blass bleibt und die Verweise wie eine Notlösung wirken, um ihm doch noch ein wenig mehr Persönlichkeit zu verleihen.
Generell liefert M'Barek zwar eine solide Darstellung ab, allerdings merkt man, dass ihm als Charakterdarsteller die Erfahrung fehlt. An die Leistung eines auf diesem Gebiet erfahrenen Schauspielers wie Heiner Lauterbach kommt er deshalb in kaum einem Moment heran.
Aber auch Lauterbach, der zwar glaubhaft, jedoch sehr routiniert erscheint, verblasst im Vergleich zu der Darbietung von Franco Nero. In dem zerfurchten Gesicht der Italowestern-Ikone lässt sich beinahe zu jeder Sekunde ablesen, unter welcher emotionalen Belastung seine Figur steht.
Obwohl der von Nero gespielte Collini über die rund zweistündige Laufzeit nur eine Handvoll Sätze spricht, bleibt sein Auftritt ganz klar über allen anderen erhaben.
Regisseur Kreuzpaintner ist mit "Der Fall Collini" ein robustes Werk gelungen, bei dem nichts wirklich dramatisch schiefgeht. Zwar krankt der Film an den beschriebenen inszenatorischen Problemen, die lassen sich aber prinzipiell verschmerzen und dürften die meisten Zuschauer wohl nicht übermäßig stören.
Mit Blick auf vergleichbare Produktionen sticht der Film allerdings auch in keinster Weise aus der Masse hervor und bleibt letzten Endes nur durchschnittlich.
Das wohl stärkste Argument für einen Kinobesuch ist die interessante Geschichte aus der Feder von Ferdinand von Schirach. Wer die Vorlage aber schon kennt, wird in der Romanverfilmung wenig Mehrwert entdecken.
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