Die Kreuzfahrt nach Argentinien mit der "MS Amadea" hatte noch gar nicht begonnen, da wollte man sich schon ein halbes Grillrind mit papas fritas zustellen lassen, einen Tango auf den Flokati knallen und den Göttern Lionel Messi und Semino Rossi auf YouTube huldigen.

Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Dass die mimischen Qualitäten von Florian Silbereisen diesmal jene des großen Beiboots und der Notfall-Leuchtboje übertrafen? Echt wow! Nicht ganz so wow war vielleicht, dass Barbara Wussow ständig meinte, überall auftauchen zu müssen. Das hat diese 90 Minuten, die ja schon auch Lebenszeit waren, ganz schön erschwert.

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Ein satirisches Minutenprotokoll.

1. Minute: Hoteldirektorin Hanna Liebhold (Barbara Wussow) steht am Pier vor der "MS Amadea" an einer Art Empfang, um die Kreuzfahrtteilnehmer zu begrüßen. Ob des unterdimensionierten Pults könnte man meinen, Liebhold sei die Direktorin eines Doppelschlafsacks und eines Dreimann-Zelts. Passagier kommt auch keiner daher. Ah, da schlurft doch jemand Richtung Pult, es ist allerdings die Sous-Chefin Isabell Wagner (Nele Schepe) aus der Kombüse. Sie will von Liebhold wissen, ob der neue Chefkoch Leon Müller (Aaron Karl) – ihr zufolge ein arroganter Vollhonk – schon eingecheckt hat. Hat er nicht.

3. Minute: "Die neuen Gäste kommen schon!", sagt Kapitän Max Parger (Florian Silbereisen), während er einigermaßen dämlich durch ein Fernglas guckt. Die Entwicklung der Silbereisen'schen Schauspiel-Skills ist durchaus beachtlich. Noch vor einigen Monaten hatte er nicht einmal gegen einen Hydranten aus München-Schwabing, der bei "Aktenzeichen XY" einen ganz ordentlichen Job verrichtete, eine Chance. "Na dann! Mast- und Schotbruch", sagt Parger zur Cybercrime-Ermittlerin Cora Bruns (Friederike Linke), die den erpresserischen Hacker Tobias Bender (Ivo Kortlang) auf der überdimensionalen Schnösel-Schaluppe observieren möchte.

4. Minute: Schwerer Unfall, schwerer Unfall! Konrad Schneider (Kai Wiesinger), der – wie das ein anständiger Kreuzfahrer mit schlechtem Gewissen halt so macht – mit dem Fahrrad zum Hafen kommt, stößt mit dem gerade irgendwas Sinnloses fotografierenden Andy Weingärtner (Kai Lentrodt) am Pier zusammen. Die beiden hassen einander umgehend, hauen sich aber leider nicht sofort auf die Schnauze, was dem Unterhaltungsfaktor eher nicht guttut. In einem Tarantino-Streifen hätte Konrad längst Andys Leber mit Wurfsternen beschossen und dessen Herz gevierteilt. Auch als Konrad erfährt, dass Andy, der ungefähr in seinem Alter ist, mit Tochter Lisa liiert ist, eliminiert er ihn nicht. Dramaturgisch ist das eher schwach bis jetzt.

Ich mag das nicht mehr, ich kündige

5. Minute: Wenn ich geahnt hätte, dass beim "Traumschiff" gleich zu Beginn so viel passiert und die Lage so unübersichtlich wird, hätt' ich WEB.de und GMX.net den Scheiß nie angeboten. Bei der Wussow am Empfang war zuerst doch auch kein Mensch, bitte!?! Wieso ist da plötzlich so viel Handlung? Wenn das bis zur 15. Minute so weitergeht, hab ich spätestens ab der 16. einen Tollwut-Einriss im linken Knie und muss mich leider in den Krankenstand vertschüssen. Vielleicht kündige ich aber auch.

Unter Anleitung der Lehrerin (Alessandra Meyer-Wölden, vorne r.) versuchen sich Konrad Schneider (Kai Wiesinger, vorne l.), Andreas Weingärtner (Kai Lentrodt, vorne M.), Cora Bruns (Friederike Linke, hinten r.) und Tobias Bender (Ivo Kortlang, hinten 2. v. r.) im Yoga. © ZDF/Dirk Bartling

8. Minute: Dann doch ein erstes Highlight: Dass der Silbereisen nicht nur in seinen Schlagerformaten, sondern auch am "Traumschiff" so redet, als würde er einen Werbespot für Hoden-Manschetten einsprechen, ist einfach nur großartig.

9. Minute: Die Sous-Chefin Isabell ist total überrascht, weil Chefkoch Leon, den sie in schlechter Erinnerung hatte, gar nicht mehr arrogant ist. Was sie natürlich nicht weiß: Leon ist nicht Leon, sondern dessen eineiiger Zwillingsbruder Lukas. Der Drehbuch-Autor hat seinen Kästner gelesen. Gespielt werden die unterschiedlichen Twins aber nicht vom doppelten Karlchen. Warum? Weil es ja nur einen Aaron Karl gibt. So einfach ist das. Ganz leicht spür ich ihn schon, glaub ich, den Tollwut-Einriss.

Meyer-Wölden macht beim Yoga eine gute Figur

16 Minuten: Hoppla, bin ich da eben schon nach einer knappen Viertelstunde kurz eingenickt, oder was? Moment mal, macht da die Sandy Meyer-Wölden, die erste Ex-Frau vom Pocher, gerade Yoga am "Traumschiff"? Wach ich oder träum ich? Oh, das war aber jetzt wirklich formidabel. Weder von der Streep, noch von der Blanchett hab ich jemals auf der Matte so ein gutes Utkatasana gesehen. Auch Meyer-Wöldens "Namasté!" hat mich echt überzeugt. Anders als beim Silbereisen war da wirklich null Sextoy im Timbre dabei. In ihrem Podcast mit dem Ex hat die Meyer-Wölden übrigens erzählt, dass sie während der Dreharbeiten auf hoher See richtig seekrank geworden sei. Auch mir macht das "Traumschiff" zu schaffen. Ich hab das mit der Tollwut schon ganz sicher und inzwischen wahrscheinlich auch Brechdurchfall durch Noroviren.

19 Minuten: Die letzten Minuten dieser Folge vom "Traumschiff" fand ich richtig gut – so aus der Ferne des Vorzimmerns. Hab mit der Nachbarin, die mir, weil sie Geburtstag feiert, zwei Stück Torte rübergebracht hat, an der Tür ein bisschen quatschen können. Eh auch über das "Traumschiff". Sie würde sich "so eine Scheisendreck" (sic!) nie anschauen und ich sei obendrein "eine arme Schwein" (sic!). So erfrischend ehrlich, die Alida, die ursprünglich aus Serbien kommt. Wie alt sie heute geworden ist? Puh, ich weiß es nicht. Irgendwas zwischen 35 und 65, glaub ich. Ich soll jedenfalls nachher rüberkommen.

21 Minuten: BKA-Ermittlerin Cora macht sich an den vermeintlichen Hacker Tobias ran und gibt vor, Friseurin zu sein. Er behauptet, er sei IT-Consultant. Sie sitzen an Deck und plaudern. Dieser Dialog muss an einem echten Ort der Verdammnis zu Papier gebracht worden sein. Alida hat schon recht, ich bin echt eine arme Schwein. Cora topft jetzt einen Trojaner auf Tobias' Laptop ein, während sich der Hacker im Badezimmer umzieht. Ich mach mir gleich in die Hose vor lauter Spannung. Schade, dass Halloween schon war und die Sternsinger erst Anfang Jänner an meiner Tür läuten. Wenn das nicht bald besser wird, kündige ich wirklich.

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23 Minuten: Die Hoteldirektorin Liebhold und Schiffsärztin Dr. Jessica Delgado (Collien Ulmen Fernandes) sitzen an der Bar und pfeifen sich Bier und Rotwein in die Venen. Die haben's gut. Delgado will sich ein Tattoo stechen lassen, Liebhold findet das voll doof. Was könnte ich sonst noch schreiben? Aja, die Wikipedia-Seite "Liste von Katastrophen der Schifffahrt" ist ganz interessant eigentlich.

Am "Traumschiff" sein Spanisch auffrischen

35 Minuten: Die "MS Amadea" hat Argentinien erreicht. Lisa, ihr Oldie-Freund Andy sowie ihr den Oldie-Freund hassender Vater treffen auf der Estanzia von Lisas Mutter Maja (Margarita Broich) ein. Die Tochter will dort ihren 30er begehen, fürchtet aber, dass ihre geschiedenen Eltern sich wieder streiten werden. Fad! Etwas weniger fad ist folgende Geschichte: Die Titanic-Passagierin Anne Eliza Isham saß angeblich bereits in einem der Rettungsboote, wollte dann aber ihre Dogge nicht zurücklassen und ging wieder an Bord des sinkenden Schiffs. Wie ihr euch vorstellen könnt, ging die Geschichte nicht gut aus.

Nele Schepe und Aaron Karl
Wo ist der arrogante Herzensbrecher Leon Müller (Aaron Karl) von früher? Isabell Wagner (Nele Schepe) ist irritiert über das charmante Auftreten des Chefkochs. © ZDF/Dirk Bartling

38 Minuten: Ich wäre jetzt auch gerne in Argentinien. Von den fünf Jahren, die ich im Spätpleistozän Spanisch gelernt habe, kann ich noch extrem viel. Zwei Sätze sicher. Vor allem "Los baños públicos en España tienen un timer que apaga la luz a los 20 segundos" kann ich in Argentinien saugut brauchen. Dort wollen praktisch alle wissen, ob öffentliche Toiletten in Spanien eine Zeitschaltuhr haben, die das Licht nach 20 Sekunden ausschaltet.

47 Minuten: Sous-Chefin Isabell latscht mit der netten Hälfte vom doppelten Karlchen durch Buenos Aires und verliebt sich in den Fake-Küchenchef, was erstaunt, weil der irrsinnig langweilig ist und Jokes macht, über die nicht einmal Barbara Wussow privat lachen würde. Zwischen Tango-Tanzenden küssen sie einander. Ich würd jetzt gern mit Lego spielen.

49 Minuten: Auch fad, aber nicht so nett, ist Hacker Tobias. Der IT-Nerd hat natürlich überrissen, dass Cora seinem Laptop einen Trojaner untergejubelt hat und schickt sie bei den Iguazú-Wasserfällen auf eine kleine Bootsfahrt, damit er seinen dubiosen Geschäften ungestört nachgehen kann. Voll arg! Die estnische Personen- und Fahrzeugfähre "Estonia" ist übrigens 1994 auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Insel Utö gesunken, weil sich, so der offizielle Untersuchungsbericht, das Bugvisier im Sturm geöffnete hatte. 852 Menschen starben.

Der Staff-Kapitän kann ja gar nichts

50 Minuten: Back to the "Traumschiff". Andy, der uncoole blonde Oldie-Freund von Lisa, ist Physiotherapeut, kennt sich aber offenbar auch mit Augen super aus. Denn als Lisas Mutter wiederholt stolpert, diagnostiziert er bei ihr sofort "Retinitis pigmentosa" – die langsam progrediente, bilaterale Degeneration der Retina und des retinalen Pigmentepithels, wie jeder Trottel weiß. Tollwut-Einriss und Brechdurchfall sind aber auch nicht lustig. Und ein Furunkel auf dem Trommelfell hab ich jetzt auch schon, weil der Staff-Kapitän Martin Grimm (Daniel Morgenroth), mit Verlaub, die ganze Zeit nur irgendeinen Schwachsinn labert. Wer zur Hölle schreibt solche Rollen? An Morgenroths Stelle hätt ich den Produzenten gefragt, ob ich stattdessen die Schiffsschraube oder eine Yogamatte von der Pocher-Ex spielen könnte.

53 Minuten: Cora kann ihre unfreiwillige Bootsfahrt vorzeitig beenden, Hacker Tobias orten und ihn dabei auf frischer Tat ertappen, wie er einem Mann einen silbernen Koffer mit Geld übergibt und im Gegenzug einen braunen Lederkoffer bekommt. Cora, die mit hiesiger Exekutive angetanzt ist, will den Inhalt des Lederkoffers sehen. Tobias zieht das Trikot von Messi heraus, das der beim WM-Finale 2022 getragen hat. Die vorgeführte Ermittlerin versinkt im Boden, ich auch. Das ist alles zum Fremdschämen.

62 Minuten: Nachdem Lukas und Isabell Sex hatten, taucht plötzlich Zwillingsbruder Leon auf. Der echte Chefkoch gleichsam. Der Unsympath und Arroganzhaufen muss sich verstecken, bevor Isabell aus dem Bad kommt. Die Szene, in der Agentin Clarice Starling in "Das Schweigen der Lämmer" durch den stockdunklen Keller des Serienmörders "Buffalo Bill" stolpert, während dieser jeden ihrer Schritte mit einer Nachtsichtbrille beobachtet, war um nichts nicht spannender.

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69 Minuten: Erstmals taucht Leon in der Küche auf. Er rührt dort gewaltig um und macht die Mitarbeiter gleich mal alle grundlos zur Schnecke. Sous-Chef Isabell ist jetzt nicht mehr ganz so verliebt. "Kochen ist Krieg", sagt der Chef. "Diese Küche ist kein Schlachtfeld", antwortet Isabell, die sich alles nicht erklären kann, was vielleicht auch daran liegt, dass sie nicht die allerhellste Kerze auf der Torte ist. Bei ihr klingelt erst etwas ganz leise, als sie auf dem Flur das doppelte Karlchen, also Leon und Lukas, gleichzeitig sieht.

Immer kommt die Wussow

72 Minuten: Während Leon versucht, Isabell alles zu erklären, taucht die Wussow auf. Also die Hoteldirektorin Liebhold. Die taucht eigentlich immer auf. Schnurzi, wer mit wem wo auf der "MS Amadea" gerade labert: Die Wussow taucht auf und sagt dann meistens auch noch was, was natürlich alles noch schlimmer macht. Wobei: Früher ist die Wussow nicht nur am "Traumschiff", sondern im ganzen Fernsehprogramm ständig aufgepoppt. Man muss also eigentlich eh dankbar sein, dass sie inzwischen nur mehr am Pier, in Kombüsen, Kajüten und Salons sowie in Lade- und Maschinenräumen auftaucht. Moment mal, kann es sein, dass ihr Mann Albert Fortell wiederum völlig untergetaucht ist? Den hat man ja schon ewig nicht mehr gesehen. Das ist ja auch wieder nicht ganz normal. Taucht da völlig unter. Was stimmt mit den beiden nicht???

76 Minuten: Als Lisas Mutter, die jetzt ebenso auf der "MS Amadea" weilt, auch dort stolpert und hinfällt, muss sie in der Ordination von Dr. Delgado klar Schiff machen und allen verraten, dass sie schwer erkrankt ist. Dr. Delgado, die sonst wirksame Zäpfchen gegen alles hat, muss Tochter und Ex-Mann offenbaren, dass es im Falle der "Retinitis pigmentosa" keine Heilungschancen gibt. Auch Lisas Oldie-Freund, der Physiotherapeut, der die schwere Augenkrankheit ja sofort erkannt und am Tag darauf auf hoher See auch noch von der Reling aus einem Pottwal neuronale Stammzellen in ein paar geschädigte Gehirnareale transplantiert hat, scheint nichts mehr für Maja tun zu können.

Alle lachen, auch der Pottwal

88 Minuten: Dass abgesehen von der "Retinitis pigmentosa" alles gut ausgeht, ist angesichts der vielen Friktionen und Schwierigkeiten an Bord am Ende dann doch eine extreme Überraschung. Sous-Chefin Isabell kommt fix mit Langeweiler Lukas zusammen, dessen Bruder Leon avanciert in der Küche vom Saulus zum Paulus, Tobias will künftig für die IT-Abteilung des BKA arbeiten, Lisa und Andreas planen zu heiraten und Maja und Konrad nach 20 glücklich geschiedenen Jahren, gemeinsam die Welt bereisen. Alle lachen, alle strahlen, alle sind glücklich. Auch der Pottwal, dem Hobby-Chirurg Andy so helfen konnte, winkt mit seiner Brustflosse am Ende in die Kamera. Und da Sandy Meyer-Wölden zum ersten Mal ihre Yogamatte richtig gut aufrollen konnte, ist auch sie richtig gut drauf. Ich hab zwar fix einen Tollwut-Einriss, freu mich aber auch. Und zwar auf den Rakija, den sie in Serbien und in der Nachbarswohnung gern trinken. Und deswegen geh ich arme Schwein jetzt zu Alida und ihrer Bande rüber.

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