Freunde des ungepflegten Wochenrückblicks: Glückwunsch! Was für eine Woche. In den vergangenen sieben Tagen ist so viel passiert, ich muss mich zwanghaft kurzhalten, damit diese Kolumne nicht versehentlich die Länge eines durchschnittlichen "Harry Potter“"-Romans erreicht. Aber keine Angst, es geht nicht um LGBTQ- und Trans-Aktivistin J.K. Rowling. Darum lieber direkt rein in die Wohlfühlmomente der abgelaufenen Kalenderwoche.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Starten wir mit einer guten Nachricht für den Klimaschutz, aber einer eher nur so mittelguten für die von der deutschen Werbeagentur des US-Investors KKR (Axel Springer Verlag) angeführten Fossil-Lobby: Das von zahllosen Hobby-Klimaforschern, Gammelfleisch-Connaisseusen, Telegram-Gelehrten, "Welt"-"Journalisten" und Verbrennermotor-Junkies stets auf jeden Vorschlag in Richtung Klimaschutz zuverlässig repetierte "Aber China!"-Argument hat sich endgültig erledigt.

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Das wird zwar die faktenallergischen Tatsachen-Ignoranten nicht aufhalten, weiterhin bei jeder Gelegenheit stets ganz weltmännisch zu betonen, Deutschland würde nur zwei Prozent der CO2-Emissionen verantworten und könne somit, das weiß ja jeder, allein sowieso nichts gegen den ohnehin erfundenen Klimawandel ausrichten, solange China weiter munter macht, was es will. Zum Beispiel Kohlekraftwerke bauen. Aber für den Rest der Nation, der sich nicht von einer Horde SMS-gesteuerter FDP-Marionetten in eine fossile Megazukunft einlullen lässt, kann man es ja ruhig mal anmerken.

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Dieses Märchen hat nämlich ein Ende. Was die #PleaseStärkeFDP Propaganda-Armada in ihren täglich mit gleichen Fake News, aber etwas abgewandelten Worten ins Clickbait-Paradies der Querdenkerszene publiziert, ist wissenschaftlich betrachtet ähnlich valide wie die Behauptung, von Blumenkohl würde man impotent und eins plus eins ergäbe 23. Die "wie dumm sind wir, gegen Chinas CO2-Fußabdruck sind wir doch Kindergarten"-Pamphlete haben final ausgedient.

Warum? Ganz einfach: China hat seit 2019 konsequent Jahr für Jahr mehr Erneuerbare Energien zugebaut als die Europäische Union, die USA, KKR und Indien zusammen. Es kann davon ausgegangen werden, dass China allein es schafft, bis zum Jahr 2060 die globale Temperatur um bis zu 0,3 Grad zu reduzieren. In einer Zeit, wo Länder wie Deutschland einsehen müssen, dass sie die 1,5 Grad Maximalerwärmung, auf die man sich in den Pariser Klimazielen unmissverständlich verpflichtet hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einhalten werden. Und als einzige Reaktion auf diese vernichtende (und auch schon gerichtsfeste) Minderleistung eigentlich nur eine Reaktion zeigen: Weiter wie bisher, nach uns die Sintflut - und China ist ja noch viel schlimmer. Tja, Freunde: Eben nicht. Das Gegenteil ist der Fall.

Zurück in die Steinzeit

Aus der Rubrik "Fakten, so unecht wie die Lippen von Chiara Ohoven" gibt es diese Woche zu einem anderen wichtigen Thema eine herrliche Einlassung vom Innovations-Leuchtturm der Ampel-Regierung, dem Barmer-Ersatzfinanzminister Christian Lindner. Der behauptet diese Woche in einem Interview zur aktuell immer mal wieder diskutierten 4-Tagewoche für Arbeitnehmer: "Es gibt kein Beispiel in der Geschichte, dass eine Gesellschaft ihren Wohlstand gesichert hat, indem sie weniger gearbeitet hat." Klingt schon auf den ersten Blick verdächtig unterkomplex, erweist sich bei näherem Hinschauen sogar als noch verheerender.

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Ohne hier jetzt einen volkswirtschaftlichen Monolog epischer Länge zu halten, dazu vielleicht nur dieser eine Gedanke: Als mein Opa in den 70er Jahren eine Baufirma in Dortmund gründete, arbeiteten seine Angestellten oft sechs Tage und mindestens 48 Stunden die Woche. Es folgten Initiativen der Gewerkschaften und anderen Verbänden ("Samstags gehört Papa mir!"), durch die seit damals die Wochenarbeitszeit auf fünf Tage und gleichzeitig um mindestens zehn Stunden reduziert wurde. Bei vollem Lohnausgleich übrigens.

Und jetzt kommt der Lindner-Clou: Seither ist der Wohlstand, das wird wohl selbst Frank Schäffler nicht in Abrede stellen können, der ja sonst wirklich für jede wissenschaftliche Tatsache ein komödiantisch angehauchtes Gegenargument von bahnbrechender Substanzlosigkeit erfindet, extrem gewachsen. Was also geht in Herrn Lindner vor? Nicht, dass mich das privat interessieren würde - aber der Mann ist immerhin Finanzminister.

Warum also stellt Christian Lindner solche haarsträubenden Thesen auf? Ist es tatsächlich Ahnungslosigkeit von historischem Ausmaß? Oder ist es Absicht, weil es der FDP spätestens nach dem Wärmepumpen-Kräftemessen inzwischen prinzipiell egal geworden ist, ob man den Wählern die Wahrheit sagt oder halt als Politischen Diskurs getarnte Lobby-Parolen? In der Ampelkoalition hört man mittlerweile hinter vorgehaltener Hand, es wäre wohl leider eine tollkühne Symbiose aus beiden Phänomenen. Falls das zutreffend ist: Herzlichen Glückwunsch, Deutschland!

Wissenschaft für Genies

Was gab es noch auf diesem wilden Wochenritt? Ach ja: Querdenker-Ikone Stefan Homburg, der in seiner intellektuellen Überlegenheit Journalisten gerne auch mal Schläge androht, hat seinen Professorenposten für das Fachgebiet Öffentliche Finanzen ja bereits vor einigen Jahren aufgegeben, um ehrenamtlich als Virologe zu arbeiten. Dieser Tage überrascht der Xavier Naidoo der Ex-Professoren mit ganz exklusiven Breaking News: Es würden sich die Hinweise verdichten, die Corona-Impfung sei ein riesiger Placebo-Hoax gewesen. Sie verstehen? Die Corona-Impfung sei gar keine Impfung gewesen. Kein Wirkstoff, keine Wirkung. Spektakulär, oder?

Woher dann allerdings die von exakt jenem Stefan Xavier Homburg-Naidoo seit Monaten penetrant Tag für Tag aus dem Nirvana der Bedeutungslosigkeit in die Jauchegruben der Aluhut-Bubble auf Social Media geblasenen Vorwürfe der millionenfach auftauchenden Impfschäden herrühren sollen, bleibt weitestgehend unklar. Wie ein vollkommen wirkungsloses Placebo gleichzeitig extreme Impfschäden verursachen kann, das erschließt sich vermutlich nur jemandem, der in seiner Freizeit gerne Grafiken manipuliert und Covid als "Laborpandemie" bezeichnet.

Wenn man so will, hat Stefan Homburg im Spätspätherbst seiner, naja, Karriere damit aber immerhin das Geheimnis um Schrödingers Impfschäden entschlüsselt. Da soll noch mal jemand sagen, Deutschland wäre nicht mehr das Land der Dichter und Denker. Dank des Universal-Gelehrten Stefan Homburg kann unser Land endlich wieder mit einem euphorischen Gefühl der wissenschaftlichen nobelpreisnähe in die neue Woche gehen! Danke, Herr Homburg! Bis Montag!

Menschen am Strand

Zu arm: Mehr als jeder fünfte Deutsche kann sich keine Woche Urlaub leisten

Mehr als jeder Fünfte in Deutschland kann es sich nicht leisten, eine Woche im Jahr in den Urlaub zu fahren.
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