Herzlich willkommen zum Rückblick auf die Kalenderwoche 23. Im Grunde eine Woche wie jede andere. Jedenfalls, wenn man nicht zu den von Markus Lanz so hofierten Putin-Versteherinnen gehört, die seit Beginn des nunmehr fast vier Monate andauernden Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine krawalloptimierend von Talkshow zu Talkshow gereicht werden. Um dort dann gebetsmühlenartig ihr Mantra von diplomatischen Verhandlungen runterzurasseln. Kriegs-, Russland- und Außenpolitik-Expertinnen wie Ulrike Guérot und Sahra Wagenknecht geben sich neuerdings in den TV-Studios der Nation die Klinke in die Hand.
Nach zwei Jahren brutaler Corona-Verharmlosung und dem offensichtlich pathologischen Zwang, sich stets so wissenschaftsfern zu äußern, dass man im Prinzip außer von der "Welt" und der "Bild" nirgendwo mehr ernst genommen wird, sind
Bei der "Welt" haben übrigens gerade die drei wichtigsten Wissenschaftsredakteure gleichzeitig gekündigt. Das ist aber sicher nur Zufall und hat nichts mit der Entwicklung der Ausrichtung der ehemaligen Akademiker-Zeitung zu tun. Oder mit einer fortschreitend pervertierten Auslegung des Freiheitsbegriffs in einigen Verlagshäusern.
Wagenknecht und Guérot jedenfalls gehören zu der Gruppe putinfreundlicher Pseudo-Friedensengel, die nicht müde werden, so ziemlich allen (außer
Katerstimmung bei Sahra und Ulrike
Tja, schlechte Neuigkeiten für die nie um eine weitere, sagen wir mal freundlich kuriose Verteidigungsargumentation verlegenen Wagenknecht, Guérot und ihre intellektuell hartrechts im Verschwörungstheorie-Orbit zwischen Hildmann und Homburg umherrirrende Kernfangruppe: Diese Woche räumte ein von diesen wenig glamourösen Notlügen wahrscheinlich selbst gelangweilte Putin persönlich damit auf, an den Beteuerungen à la Guérot und Wagenknecht sei irgendetwas dran. Unmissverständlich stellte er klar, dass der völkerrechtlich justiziable Angriff auf die Ukraine keinesfalls eine Notwehrhandlung kurz vor einem nationalen Angstkollaps gewesen sei. Ganz im Gegenteil.
Wirklich unerträglich, dass sich dieser unberechenbare Putin aber auch nie an die Narrative von Wagenknecht und Guérot halten kann! Schon vor Kriegsbeginn hatte er ausgerechnet seine nützlichste Propaganda-Maschine Wagenknecht auf deutschem Medienparkett unvorbereitet ins Messer laufen lassen, als er sie großflächig im Fernsehen aufsagen ließ, Russland habe selbstverständlich ganz sicher in keinem Fall ein Interesse an einem Krieg in der Ukraine. Nur um zwei Tage später – Sie ahnen es vielleicht bereits – die Ukraine anzugreifen. Wagenknecht stand plötzlich da wie die unseriöseste Russland-Kennerin des Landes. Und arbeitet seither unermüdlich daran, diesen Status nicht in Gefahr zu bringen.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen zum Krieg in der Ukraine im Live-Ticker
Putin will Peter der Große sein
Diese Woche nutzte der von Wagenknecht und Guérot vermutlich demnächst für den Friedensnobelpreis vorgeschlagene Wladimir Putin nämlich den 350. Geburtstag von Peter dem Großen am 9. Juni für eine ziemlich unmissverständliche Klarstellung: "Offenbar ist es auch unser Los: zurückzuholen und zu stärken." Oder anders gesagt: Putin möchte nicht nur ein Revival der Sowjetunion. Er möchte einen russischen Herrschaftsbereich, so wie er zu Zeiten des Zarenreiches aussah. Dieses Weltreich sicherte sich einst unter Zar Peter dem Großen im Nordischen Krieg von Schweden den Zugang zur Ostsee.
Selten, aber keinesfalls noch nie hat Putin so eindeutig zu Protokoll gegeben, um was es ihm tatsächlich geht. Einengung durch die Nato oder Angst vor einem EU-Beitritt der Ukraine? Alles vollkommen irrelevant für jemanden, der einem größenwahnsinnigen Traum nachhängt. Dem Traum einer Neustrukturierung der Welt nach der Ordnung des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts.
Diese wenig verklausulierte Drohung Putins schließt vor allem auch die Baltischen Staaten, Finnland und den Großteil Polens mit ein. Die Ukraine kann, das ist Putins Worten glasklar zu entnehmen, nur der Anfang sein. Sein Plan, Wladimir der Große zu werden, macht nicht in Kiew Halt. Ich bin schon sehr gespannt, wie Wagenknecht und Guérot Putins eiskalte Drohung an den Rest der Welt als logische Notwendigkeit eines in die Enge getriebenen, liebevollen Staatsmannes umdichten werden, dem nichts wichtiger ist als der Frieden und dem vom bösen Westen bei seiner Mission der Menschlichkeit ganz übel mitgespielt wurde.
Tankrabatz mit Christian Lindner
Abseits dieser alarmierenden Entwicklung und dem gleichsam verstörenden wie bedrohlichen Einblick in die Weltlogik eines Wladimir Putin, gab es diese Woche auch amüsante Beobachtungen. Inzwischen müsste nämlich auch dem letzten Jungliberalen so langsam dämmern, dass der Tankrabatt letztendlich ein 3-Milliarden-Euro-Geschenk an Ölkonzerne ist, von dem der durchschnittliche Pendler ungefähr so viel profitiert wie davon, dass die Preise für Luxusyachten ab 200 Meter aktuell leicht sinken.
Für den fleißigen Arbeiter, der Sprit braucht, um irgendwie zur Arbeit zu kommen, bedeutet der Tankrabatt eine Entlastung, die auch nicht bedeutungsloser ausfallen würde, wenn die Bundesregierung (der genau diese Arbeiter angeblich so am Herzen liegen) die drei Milliarden Euro direkt an Friedrich Merz verschenkt hätte.
Das hat mittlerweile auch das geniale Mastermind hinter der Idee Tankrabatt begriffen:
Der aufopferungsvolle Kämpfer für einen Tankrabatt ist, da muss man konsequent sein, natürlich gleichzeitig gegen jede Art von Krisen-Gewinn-Steuer, mit der Ölkonzerne wenigstens ein bisschen dafür zur Kasse gebeten werden könnten, dass sie sich in Zeiten, in denen deutsche Haushalte auf Urlaube und vieles mehr verzichten, um sich (vielleicht!) die gestiegenen Energiekosten leisten zu können, zusätzlich – um nicht zu sagen skrupellos – die Taschen vollmachen.
Robert Habeck regelt
Das soll jetzt, so Lindners Forderung, doch bitteschön Robert Habeck regeln. Aber schnell. Was im Grunde aber ebenfalls konsequent ist: Immerhin ist Robert Habeck Wirtschaftsminister, Lindner nur Lobbyist. Tankrabatt durchpeitschen, dann die Verantwortung leugnen, schnell weglaufen und andere dafür in die Pflicht nehmen.
Das ist in etwa so, als wenn Aki Watzke trotz Warnungen der Feuerwehr, von Sebastian Kehl und Matthias Sammer eigenständig 2.500 Tonnen Stroh auf dem Rasen des Signal Iduna Parks in Dortmund verteilt, die dann anzündet und stolz zusieht, wie das Stadion abfackelt. Um anschließend vor die Presse zu treten und zu beteuern, er hätte von Anfang an gesagt, brennendes Stroh im Stadion ist gefährlich und Trainer Edin Terzić und der Platzwart sollten sich langsam mal beeilen, das Feuer zu löschen.
Schon nach wenigen Wochen im Amt, das muss man wohl sagen, ist für viele politische Beobachter und Großteile der Bevölkerung Christian Lindner ein heißer Anwärter auf den Titel "Schlechtester Minister der Geschichte". Und das, nachdem die CSU uns drei Verkehrsminister in Serie präsentiert hat, bei denen bis heute nicht ganz geklärt ist, ob es sich nicht um einen Beatrix-Hoax von Hape Kerkeling gehandelt hat. Unterhaltungswert, wenigstens das muss man ihm lassen, hat Lindner zuhauf in die Regierung eingebracht. Ich bin sicher, auch in der kommenden Woche gibt es wieder einige Comedy-Highlights aus seinem offenbar unerschöpflichen Gag-Fundus. Ich werde berichten!
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.