- Das Jahr geht, Corona bleibt. Da kommt eine Heile-Welt-Idylle wie die beim ZDF-"Traumschiff" am Neujahrsabend gerade recht.
- Die Zuschauer werden auch bei der ersten Folge des neuen Jahres wieder mit visuellem Zucker übergossen, aber ausnahmsweise gibt es diesmal ein bisschen mehr als nur hanebüchenen Kitsch. Zumindest ein bisschen.
Ist ja nochmal gutgegangen. Fast wäre ein Unschuldiger einen Leuchtturm hinuntergeworfen worden. Doch nicht mit Max Parger und seinem Team! Und so ist am Ende des Tages nicht nur ein Stalker geschnappt, sondern auch eine eigenbrötlerische Diva resozialisiert, ein fehlgebuchter Heavy-Metal-Fan glücklich gemacht, eine Offiziersanwärterin etabliert, eine Schiffsbau-Praktikantin gerächt, ein verliebter Apnoe-Taucher gerettet,
Ja, Max Parger alias
Natürlich machen Parger und Co. das alles nicht nur von Herzen gerne, sondern auch noch, ohne einen einzigen Schwitzfleck auf den Uniformärmeln zu bekommen. Zwar sind die Probleme und Problemchen hier alle wieder ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, aber immerhin nicht ganz so sehr wie sonst. Außerdem: Es ist "Das Traumschiff"! Eine einigermaßen realistische Handlung würde den Zuschauer hier nur verschrecken.
"'Ein Stalker?' - 'Nur ein Walker'"
Da ist zum Beispiel das Stalking-Opfer. Sängerin Stella Berger (Julia Dietze) hat mit ihrem Bodyguard Leo (Moritz Otto) auf dem "Traumschiff" eingecheckt. Nicht etwa, weil der unbedingt Sonne tanken will, sondern weil Berger von einem Stalker verfolgt wird. Nachdem die Sängerin unangeforderte Schnittblumen in ihrer Kajüte findet, ist sie sicher, dass der Stalker die Blumen an Board geschafft hat.
Nachdem der auf dem Deck nordic walkende Horst Lichter nach einem drohenden Handgemenge aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen wird ("Ein Stalker?" - "Nur ein Walker."), kommt offenbar nur der halbseidene Ben Friedmann (Daniel Aichinger) in Frage. Schließlich hat der Sängerin Berger früher schon einmal übers Ohr gehauen.
Völlig unverdächtig ist hingegen Apnoe-Taucher Sebastian Schuster (Frederic Heidorn), denn der hat ganz andere Sorgen. Schuster ist eigentlich auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Dubai und will im "Traumschiff"-Pool noch ein bisschen unter den Augen seines Trainer-Vaters Bertram (Simon Licht) üben. Doch plötzlich hat der Sohnemann ein Hängerchen, weil er erstens verliebt und zweitens laut Schiffsärztin Brand (Sina Tkotsch) "akut schlaganfallgefährdet" ist.
Etwas weniger lebensbedrohlich ist die Situation für Isolde von Hohensaal (Michaela Rosen). Die Diva ist erstens "sehr gerne für sich allein" und wollte zweitens "einmal im Leben auf die Seychellen". Beides trifft auf Heavy-Metal-Fan Hendrick (Oliver Bröcker) nicht zu.
Der liebt es zum einen gerne gesellig und zum anderen dachte er, er hätte eine Heavy-Metal-Kreuzfahrt gewonnen. Dass ausgerechnet diese beiden dann Kabinennachbarn sind und sich erst einmal auf die Nerven gehen, ist zwar ziemlich platt, in der Praxis dann aber doch ganz drollig anzusehen.
"Das Traumschiff": Die Welt ist mehr als nur Corona
Traumstrände, Schildkrötenfunde, ungewöhnliche Freundschaften und ein Held in Uniform, der Probleme mal eben so im Vorbeigehen löst - "Das Traumschiff" ist auch 2021 wieder sowas von im Heile-Welt-Modus, dass man Angst bekommt, noch auf dem Sofa an einem Zucker-Schock zu sterben.
Das nimmt man, sinnbildlich natürlich, als "Traumschiff"-Fan auch diesmal billigend in Kauf und in Zeiten wie diesen umso mehr. Schließlich versprechen die 90 Minuten eine kurze Auszeit von R-Werten, Todesfällen, Impfzentren und Lockdowns. Wenn man schon zu Hause bleiben soll, dann doch lieber in einer heilen Welt, wenn die da draußen schon nicht mehr so heile ist wie früher.
Außerdem, und das ist in der Seychellen-Ausgabe tatsächlich ein untypischer Lichtblick, haben die Autorinnen und Autoren eine kleine Insulinspritze gegen zu viel Zuckerguss ins Drehbuch geschrieben. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Metaller und der Diva ist nicht nur erzählerisch über "Traumschiff"-Niveau – zumindest in manchen Momenten.
Als Hendrik etwa die griesgrämige Diva in einem Rollstuhl über einen Seychellen-Strand schiebt und nur Gemotze erntet, liest er der Adelsfrau die Leviten: "Gib der Welt doch einfach mal 'ne kleine Chance!" Und wenn man über diesen Satz ein bisschen nachdenkt, dann ist die Welt da draußen trotz Corona doch ein bisschen heiler, als es den Anschein hat. Auch nach den 90 Minuten.
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