Günther Jauch und Thomas Gottschalk sind gewöhnlich weit entfernt vom Verdacht, ihre gute Kinderstube zu vergessen. Wenn sich die beiden also in einer Freitagabendshow Kraftausdrücke um die Ohren schreien, dann ist das schon etwas Außergewöhnliches. Vom Rest der gestrigen Show "Die 2 – Gottschalk und Jauch gegen ALLE" kann man das aber nicht sagen.

Christian Vock
Eine Glosse

Man ist als Zuschauer genügsam geworden. Wer sich noch daran erinnern kann, wann er das letzte Mal eine wirkliche Unterhaltungsshow-Innovation gesehen hat, der muss schon eine ganze Weile in der Zeit zurück gehen. Inzwischen freut man sich schon, wenn man mal nicht den x-ten Aufguss einer Castingshow sehen muss oder Florian Silbereisen. Oder Heidi Klum. Wenn ein Artikel so beginnt, dann erwartet der Leser, dass es nun mit einem Knaller weiter geht. Dass es nun heißt, "Doch halt! Da gibt es doch diese TV-Perle bei RTL, bei der sich die beiden Fernseh-Dinosaurier Günther Jauch und Thomas Gottschalk mit den Zuschauern in witzigen Spielchen und Quizzen messen."

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Doch dieser Satz wird nicht kommen. Denn wenn man es ganz genau nimmt, dann hat ""Die 2 – Gottschalk und Jauch gegen ALLE" so überhaupt nichts von einer Unterhaltungsshow-Innovation. Wenn man es ganz genau nimmt, dann ist das, was RTL da seit 2013 zeigt, die sicherste Nummer sicher, die man sich nur ausdenken konnte. Zwei Haudegen der Fernsehunterhaltung duellieren sich mit dem Publikum, während eine beliebte Moderatorin durch den Abend führt und ein international bekannter Star einmal die Nase zur Tür reinsteckt. Mehr Altbewährtes kann man eigentlich gar nicht in einer Show unterbringen. Oh, doch, kann man. Gleich am Anfang musste ein echter Elefant für eine laue Pointe (Gottschalk und Jauch fahren auf kleinen Schaukel-Elefanten ins Studio) und die Eröffnungsfrage herhalten.

Barbara Schöneberger: Mal charmant, mal nicht so

Wenn man es ganz genau nimmt, dann konnte man sich gestern Abend fragen, wann wohl der Eiskunstläufer auftaucht und die Schöneberger fragt, wann er seinen Anzug wieder zurückhaben kann, den die Moderatorin ihm für diesen Abend von der Wäscheleine stibitzt haben muss. Wenn man es ganz genau nimmt, dann konnte man sich fragen, ab wann Frau Schöneberger ihre einstudierten Wortspiele selbst einen Tick zu vulgär findet: "Man riecht zu jedem Zeitpunkt des Tages aus irgendeinem anderen Loch." Wie gesagt, wenn man es ganz genau nimmt. Wer aber auch mal Fünfe gerade sein lassen kann und nicht bei allem, was er sich ansieht, gleich den großen Wurf braucht, der konnte auch gestern Abend vergnügliche Stunden verbringen. Vier lange Stunden zwar, aber immerhin vergnügliche. Dann konnte man darüber hinwegsehen, dass Gottschalk auch gestern Abend das machte, was er am liebsten tut: Anekdoten aus früheren Zeiten zu erzählen.

Jurassic Park für die TV-Dinos Günther Jauch und Thomas Gottschalk

Dann konnte man sich im Fernsehsessel zurücklehnen und Gottschalk und Jauch gelassen bei ihrem Vorruhestandstreiben zusehen: Ein bisschen Jux machen; nicht zu viel, aber so, dass man noch schmunzeln kann - Kantinenhumor. Wenn sich etwa Jauch an einer Stange festhalten musste, während Gottschalk Fragen beantworten musste, dann war das wie die Schonkaffee-Variante von Joko und Klaas. Je nach persönlichem Geschmack darf man das nun als Beleidigung oder als Kompliment verstehen.

Wenn man es also entspannt sieht, dann fand man auch die Schöneberger in ihrer flapsigen Art ganz unterhaltsam. Dann kann man auch mal der Redaktion ein Kompliment für ihre Fragen machen. Die fielen nämlich entweder durch ihre Seitenhieb-Qualitäten auf (Wer sagte: "Ich bin überzeugt, dass das Böse ans Licht kommen und das Gute gewinnen wird"? Putin, Blatter, Trump oder Winterkorn?) oder durch ihre Originalität in puncto nutzloses Wissen. Wer es ganz genau nimmt, der musste die Spielchen der TV-Dinos Jauch und Gottschalk albern finden. Wer da besser aus seiner Haut kann, der konnte durchaus Spaß daran haben. Zum Beispiel als die beiden im Video-Fußball gegen eine Kandidatin und Fußball-Legende Toni Polster antreten mussten. Dazu hatten alle Spieler Brillen auf, auf denen sie das Spiel nur von oben betrachtet sehen konnten. Die daraus folgende Unbeholfenheit erinnerte stark an die jüngsten Auftritte der Nationalmannschaft.

Heidi Klum wartet schon

Und wen selbst das kalt ließ, der musste eben etwas länger auf das Spiel "Lippenlesen" warten, bei dem ein Spieler einen Kopfhörer mit lauter Musik aufhatte und dem anderen Begriffe von den Lippen ablesen musste. Wie auch immer es der Publikumskandidat geschafft hat, das Wort "Metzgereifachangestellte" von den Lippen seiner Partnerin abzulesen, wird sein Geheimnis bleiben. Ebenso wie die Frage, wie Thomas Gottschalk statt "Leckerbissen" "Kakao-Pisse" verstehen konnte.

Wenn man über so etwas lachen kann, dann kann man sich nach vier langen Stunden auch für den Kandidaten freuen, dass ihm Jauch und Gottschalk von den 100.000 Euro, die die beiden am Ende gewannen, 20.000 Euro abgaben und den Rest einem guten Zweck spendeten. Wie gesagt, wenn man das Ganze nicht ganz so eng sieht, war das gestern eine ganz passable Freitagabendunterhaltung. Wenn doch, dann sei gewarnt, dass es noch ganz anderes Fernsehen gibt. Heidi Klum wartet schon.

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