Wild, wild, nass: Am Sonntagmittag wollte man den "ZDF-Fernsehgarten" in eine Western-Ausgabe verwandeln. Doch weil bereits nach ein paar Minuten ein starkes Gewitter über den Lerchenberg zog, musste man die Open-Air-Veranstaltung abblasen und ins kleine "Gartenstudio" ziehen. Eine gute Nachricht für alle wirklichen Western-Fans.

Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"High Noon auf dem Lerchenberg", begrüßte der Sprecher die Zuschauer in Mainz und zuhause an den TV-Geräten am Sonntagmittag zum "Wild Wild West-Fernsehgarten’" und wahrscheinlich ahnte er da noch gar nicht, wie richtig und gleichzeitig falsch er damit liegen würde. Denn "wild" wurde es in den folgenden Minuten zwar, aber sicher nicht so, wie man es sich beim ZDF gedacht hatte.

Moderatorin Andrea Kiewel, mit Cowboy-Hut auf dem Kopf und Sheriff-Stern am Revers, machte bei den Western-Sprüchen gerne mit: "Der 'Fernsehgarten', der schneller zieht als sein Schatten", kalauerte Kiewel in Anspielung an Comic-Cowboy Lucky Luke, doch müsste es an diesem Sonntag eigentlich heißen: "Der Fernsehgarten, der schneller umzieht als sein Schatten." Denn lang sollte die Western-Stimmung nicht mehr anhalten – sofern sie überhaupt aufkam.

"Steht Joey Heindle schon?"

Ein paar Minuten später stand Stefanie Hertel auf der Bühne und während ihr Mann Leopold Lanner zu Banjo-Klängen seine E-Gitarre zupfte, stimmten Hertel und Tochter Johanna als Country-Band More than Words das Publikum auch musikalisch auf das Motto ein. Es folgte eine kurze Plauderei, dann entdeckte Kiewel zum ersten Mal, dass die aktuelle Ausgabe ihres "Fernsehgartens" anders werden könnte, als sonst: "Kommt das oder geht das?", fragte Kiewel mit Blick auf die dunklen Wolken am Horizont.

Man einigte sich auf ein "das geht", wurde aber gleich eines Besseren belehrt. Denn Kiewel ging mit den Dreien zum Bullen-Reiten und noch während sie erklärte, dass Hertel, Mann und Tochter gleich mit einem Bierglas voll Wasser auf dem mechanischen Rodeo-Bullen herumjuckeln sollen, fing es an zu regnen. Eilig wurden schützende Regenschirme gereicht, aber Leopold Lanner schwang sich einfach auf den Bullen, noch ehe Kiewel den Maß-Krug-Verschütt-Wettbewerb abblasen konnte.

Im Folgenden sah man also Österreicher Lanner mit Cowboyhut auf dem Kopf und Bierglas in der Hand auf einem Plastik-Bullen im Mainzer Regen seine Runden drehen, doch das sollte beileibe nicht die merkwürdigste Szene des Nachmittags bleiben. Nun wären eigentlich die Damen an der Reihe gewesen, doch das wollte Kiewel nicht: "Steht Joey Heindle schon? Habt ihr ihn aufgestellt?", fragte die Moderatorin in die Regie, ob man nicht den nächsten Musikgast vorziehen könne.

Funsportinfluencer im Wilden Westen

Aber Heindle stand noch nicht und so stürzten sich zuerst Johanna und dann Stefanie Hertel in den Regen und auf den Bullen. "Ich sag' euch: Diese ganze Show kann man später 1:1 bei 'TV total‘ sehen, weil es so absurd ist", erkannte Kiewel die Situation, hätte das aber gar nicht erwähnen müssen, so offensichtlich war es. "Es ist erotisch, muss ich mal so sagen", glaubte sie dennoch zu erkennen, als Hertel da durchnässt auf dem Bullen saß.

Zum Glück stand dann Hendle irgendwann und nach dessen Auftritt zog Kiewel weiter zum Publikum. Sie sei nämlich so "geflasht", "wie sehr ihr euch auf das Motto einlasst", erklärte Kiewel, weil sich ein paar Zuschauer pinke Cowboyhüte aufgesetzt hatten. Die Redaktion hingegen hatte sich nicht so sehr aufs eigene Motto eingelassen, denn Kiewel holte nun einen Funsportinfluencer zu sich. Weiß man ja, wie früher die ganzen Funsportinfluencer durch die Prärie geritten sind.

Damit die Idee aber nicht vollkommen deplatziert wirkte, durfte der Funsportinfluencer später noch mit ein paar Stunt-Cowboys vom Filmpark Babelsberg ein paar Mätzchen machen. Zuerst stand aber noch ein Fettnapf für Kiewel bereit: "Was bist du eigentlich von Beruf?", wollte Kiewel vom Chef-Stuntman wissen und der sichtlich verdutzte Mann antwortete: "Ich bin Stunt-Koordinator." Offenbar dachte Kiewel, dass Stuntman nur ein lustiges Hobby ist, damit man mal in den "Fernsehgarten" kommt.

"Ihr spinnt doch! Alle weg!"

Den Funsportinfluencer hatte man jedenfalls noch irgendwie Richtung "Western"-Motto gebogen, beim Auftritt von Cascada hatte man dazu offenbar keine Lust mehr. Also wummerte dann eben "Evacuate the Dancefloor" zwischen den Deko-Kakteen über den Mainzer Lerchenberg. Völlig wurscht war den Fernsehgärtern vom ZDF dann das eigene Motto beim nächsten Gast. Da hatte man sich einen Tierpfleger des Reptiliums Landau bestellt, um ein paar typische "Wild-West-Tiere" vorzuführen: afrikanische Skorpione, eine Chile-Vogelspinne, einen Gecko aus Afghanistan, eine Schildkröte aus Südafrika oder eine Bartagame aus Australien. Yee-haw!

Erst machte man sich keine Gedanken, ob man wirklich Bartagame, Gecko & Co. für einen Kurzauftritt zwischen Cascada und Fun Factory nach Mainz fahren muss, nur weil sich das ein ZDF-Redakteur für sein "Cowboy"-Motto wünscht, und dann holte man auch noch die falschen Tiere. Dass man für tiefergehende Gedanken über den Sinn und Unsinn von Tieren in TV-Produktionen keine Zeit hatte, weil man zu lange über einen Regen-Plan-B gegrübelt hatte, ist allerdings auszuschließen.

Denn mit einem "Wir haben eine krasse Gewitter-Warnung" leitete Kiewel genau diesen Plan B kurz darauf ein. Man müsse nun wegen der Technik und der Sicherheit der Zuschauer draußen die Zelte abbrechen. "In Sicherheit bringen klingt so dramatisch", fand Kiewel und erklärte daher, dass sich die Zuschauer vor Ort nun "in einen Raum weg vom Gelände bewegen." Also in Sicherheit brachten. Das machten die Zuschauer auch offenkundig: "Ihr spinnt doch! Alle weg!", entfuhr es Kiewel, als die Regie Bilder von draußen zeigte. Kiewel selbst zog mit ihren Gästen ins "Gartenstudio" und behauptete dort voller Selbstbewusstsein: "Wir können auch drinnen." Spoiler: Können sie nicht. Aber das ist gar nicht so schlimm.

Keine Bratwurstfrau, aber alte Grissini

Denn die gute Nachricht ist: Mit dem Umzug ins "Gartenstudio" war das ohnehin nur halbgare "Western"-Motto vollends Geschichte. Statt "Wild Wild West" gab es nur noch "wild, wild". Der Mann vom Reptilium musste während der Umorganisation eine Zusatzschicht fahren und sich von Kiewel so lange löchern lassen, bis man am Ende beim Berufsbild des Tierpflegers angelangt war.

Dann verirrten sich die ersten musikalischen Gäste und ein Burger-Brater ins vergleichsweise kleine Behelfsstudio und so saßen da Familie Hertel, Georg Stängel sowie Sängerin Sophia mit Band wie bei einer lahmen WG-Party am Esstisch bei Sekt und alten Grissini-Stängchen, während einen im Vordergrund die Eurodance-Band Fun Factory die traurigen Musikkapitel der 1990er nicht vergessen ließ.

Eine eigenartige, aber deshalb irgendwie auch lustige Situation, die mit jedem Gespräch noch bizarrer wurde. "Komm, wir spielen mal Dart!", forderte Kiewel ihre Gäste zwischendrin auf, was dann aber doch nicht passierte. "Ist die Bratwurstfrau noch da?", fragte Kiewel an anderer Stelle, war sie aber offenbar nicht. "Ich ess' keine Tiere", stellte Stefanie Hertel fest, als die Burger gereicht wurden. Kiewel gab derweil Fernsehserien-Tipps und wurde beim Tischdecken plötzlich emotional, als sie an den inzwischen verstorbenen Kollegen dachte, denn "der hat das alles eingerichtet".

Irgendwann hatte der Regen aber offenbar Mitleid, ließ erst nach und dann die Leute wieder nach draußen. Eine Line-Dance-Nummer mit reduziertem Personal und einen Auftritt von Eco Fresh vor leeren Rängen später durften dann die Stuntmänner aus Babelsberg noch zeigen, was sie aus und mit dem Funsportinfluencer gemacht haben. Und weil es für das Ganze keinen absurderen Abschluss geben könnte, machten Fun Factory auf die "Western"-Ausgabe mit ihrem 1995er-Cover-Hit "Doh Wah Diddy" dann den Deckel drauf.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.