Australien. 30 Grad. Die Krone sitzt. Am Montagmorgen kürten die Zuschauer der RTL-Show "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" die ehemalige Sängerin der No Angels, Lucy Diakovska, zur neuen "Dschungelkönigin". Am Ende der Finalshow zeigt RTL noch einmal, warum das Dschungelcamp auch nach 20 Jahren immer noch Gesellschaftssatire sein will, aber am Ende nur respektloses Trash-TV ist.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Zuerst fällt sie Sonja Zietlow und Jan Köppen um den Hals, dann sieht es für einen Moment so aus, als schicke ihr Geist ihrem Körper mehr Informationen, als dieser verarbeiten kann. Sie schreit, hüpft, klatscht, rauft sich die Haare, atmet schwer und immer wieder richtet sie ihren Blick in den Himmel. "Leute, Leute", ruft sie, obwohl da niemand mehr im Camp ist, und "Oh, das gibt's nicht."

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Gibt's doch und wovon man da am frühen Montagmorgen gegen halb eins Zeuge geworden ist, ist der Freudentaumel von Lucy Diakovska, der man soeben ihren Sieg im Dschungelcamp mitgeteilt hat. Nach 17 Tagen voller (Luxus)-Entbehrungen, Absurditäten, Streits und anderen Herausforderungen, darf sich die 47-jährige Diakovska nun endlich die "Dschungelkrone" aufsetzen, 100.000 Euro vor Steuern einstecken und das Dschungelcamp sein lassen.

Das Dschungelcamp 2024: Überstunden und Kurzarbeit

Zumindest letzten Punkt hat Diakovska mit dem Zuschauer gemein, denn nach 17 Folgen dürften selbst die hartgesottensten Fans ebenfalls genug haben und nur noch wissen wollen, wer den nun das ganze Elend als Sieger verlässt. Normalerweise lässt es RTL im Finale dementsprechend langsam angehen, schließlich haben die Protagonisten in den vergangenen zwei Wochen genug gearbeitet – die einen mehr, die anderen weniger. Aber Streber gibt es eben immer und überall, warum dann nicht auch im Trash-TV.

Kim Virginia Hartung etwa legte los wie die Feuerwehr, bombardierte Camp-Kollegen wie Zuschauer unentwegt mit all ihren drei Themen: Kim Virginia Hartung, Mike Heiter und Kim Virginia Hartung und Mike Heiter. Doch während die Kollegen bei diesem trostlosen Themen-Trio bereits ein Ermüdungspochen hinter den Schläfen quälte, verpasste Hartung irgendwie den Zeitpunkt, selbst von ihrer Monothematik genervt zu sein. Der Zuschauer hingegen war es irgendwann und zog Hartung an Tag 14 aus dem Verkehr.

Cora Schumacher war da wesentlich effizienter. Sie verordnete sich selbst Kurzarbeit, platzierte bereits kurz nach ihrem Einzug die Geschichte von einer Affäre mit Oliver Pocher und machte sich nach nur drei Tagen einen schlanken Fuß – wegen des rauchenden Lagerfeuers. Auch Ex-GNTM-Teilnehmerin Anya Elsner gab ihr Bestes, aber irgendwie zogen beim Zuschauer weder ihre Schwärmerei für David Odonkor noch die Geschichte über ein mütterliches Sprechverbot. Elsner war schneller raus, als man Anwaltspost sagen kann.

Jan Köppen: "Krokodilherz gab's noch nie"

Der Rest der Dschungelbelegschaft bot im Vergleich dazu nicht besonders viel an – oder wurde vom Schnitt nicht ausreichend bei der Reichweitenvermehrung unterstützt. Und so wunderte es nur bedingt, dass im Finale die drei Aktivposten unter den restlichen Kandidaten standen: Tim Kampmann aka Twenty4tim, Leyla Lahouar und eben Lucy Diakovska. Und die drei mussten auch am letzten Tag noch einmal zeigen, was in ihnen steckt. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Denn RTL hält es auch nach 20 Jahren immer noch für eine gute Idee, Tiere – ob tot oder lebendig – zu Unterhaltungsgegenständen zu degradieren. Twenty4tim etwa wird unter Tage geschickt, um in einer Erdgrube in Anwesenheit von zwölf Schlangen, Sterne von Gewinden zu friemeln. Lucy bekommt es ebenfalls mit Tieren zu tun – allerdings in der toten Variante. Die neue Dschungelkönigin muss vor ihrer Krönung noch allerlei Tiere essen.

Bei Leyla Lahouar siegt im Laufe der Dschungelprüfung die Panik. © RTL / Stefan Thoyah

Zuerst werden ihr Stabheuschrecke, Skorpion und Tarantel serviert und nachdem sie alles heruntergewürgt hat, meint die Sängerin: "Also schön ist das nicht." Sie dürfte wenig Widerspruch finden. Trotzdem hat Diakovska noch Platz für eine Portion Schweineuterus und als Jan Köppen über den nächsten Gang sagt "Krokodilherz gab's noch nie", möchte man am liebsten antworten: "Ja, und das ist auch gut so." Doch da wusste man noch nicht, dass der Gipfel der Geschmacklosigkeit erst noch kommen sollte.

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Geht's noch respektloser? - "Ja, klar!"

Denn Diakovska werden noch insgesamt fünf Augen von Fisch, Kamel, Schwein und Rind gereicht. Doch nicht etwa zur Direktverkostung, nein, Diakovska muss die Augen erst auspressen und die gewonnene Flüssigkeit im Anschluss schlucken. Wer sich an dieser Stelle fragt: "RTL, geht's noch respektloser?", der bekommt wenige Minuten später die Antwort: "Ja, klar!"

Denn für ihre letzte Dschungelprüfung wird Leyla Lahouar am Boden festgeschnallt, ehe sie im Anschluss mit lebenden und toten Tieren überschüttet wird. Fünf Minuten lang soll sie liegenbleiben, während Mehlwürmer, Kakerlaken, Ameisen und "Fisch- und Fleischabfälle", wie Moderator Jan Köppen es nennt, auf ihr landen. Als gäbe es "Abfälle von Tieren". "Oh Gott, das ist so abartig", wimmert Lahouar zwischendrin und man muss weder Veganer noch Vegetarier sein, um ihr zuzustimmen.

Noch vor Ablauf der fünf Minuten bricht Lahouar dieses unwürdige Spektakel ab. Noch sichtlich schockiert macht sich Lahouar auf den Rückweg und um die immer noch auf ihr krabbelnden Kakerlaken loszuwerden, zieht sich Lahouar weinend aus – während der Kameramann munter weiter draufhält. Manchmal liegen Abstand und Anstand sehr nah beieinander.

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"Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!": Die meinen das ernst

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass das Ganze eine riesige Satire ist, schließlich arbeitet kaum ein anderes TV-Format derart mit Ironie und Sarkasmus. Die bissigen Kommentare von Zietlow und Köppen seien legendär, die ganze Show darauf ausgerichtet, die Teilnehmer in ihrem Drang nach Geld und Reichweite bloßzustellen – und das funktioniere eben umso besser, je drastischer die Mittel sind.

Klingt logisch, doch dabei verheddert sich RTL, denn auf der einen Seite passiert zwar genau das, auf der anderen Seite nimmt der Sender die Show und ihre Teilnehmer aber sehr wohl ernst, inszeniert das Drumherum wie ein Sportereignis, befragt Familie, spricht mit Experten, liefert Vor- und Nachberichterstattung. Das ist dann längst keine Satire mehr, das meinen die ernst.

Und so geht das 2024er-Dschungelcamp mit dem Wissen zu Ende, dass RTL auch nach 20 Jahren der Unterschied zwischen Respektlosigkeit und Trash-TV nicht so ganz klar ist.

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Teaserbild: © RTL / Stefan Thoyah