Am Donnerstagabend sperrte Heidi Klum nach 17 Wochen endlich ihre Topmodel-Kirmes zu. Vorher machten die fünf Finalistinnen nochmal mächtig Kilometer auf dem Laufsteg. In einer unnötig vollen Finalshow schickte Klum die Verliererinnen begründungslos nach Hause, ehe am Ende Vivien als Germany’s Next Topmodel übrig blieb.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es ist gerade mal ein paar Tage her, da meldete sich Vater Klum zu Wort, denn die Entwicklung von "Germany’s Next Topmodel" gefalle ihm nicht. ProSieben spare bei der Show nicht nur am Geld, sondern auch an der Idee. "Mitnichten!" möchte man da als Beobachter der Show einwerfen. Denn Ideen hat man bei ProSieben eine ganze Menge. Nur halt keine guten. Was aber vielleicht auch daran liegt, dass die Show an sich keine gute Idee ist. Von Anfang an nicht und heutzutage erst recht nicht.

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Aber die schlechtesten Ideen, so hat man den Eindruck, hebt sich ProSieben immer fürs Finale auf. Man erinnere sich nur an die Idee, Kandidatin Theresia im 2019er Finale heiraten zu lassen. Mit Heidi Klum als Traurednerin, Thomas Gottschalk als Ringträger und Maskottchen Herbert als Maskottchen Herbert. Aber wir wollen nicht in alten Wunden bohren, sondern sehen hoffnungsfroh in die Zukunft, dass es diesmal nicht ganz so schlimm wird. Also legen Sie Ihre Notfallkontakte parat und los geht die wilde Fahrt.

Leni, übernehmen Sie!

"‘Germany’s Next Topmodel’ 2023: Spektakulär. Vielfältig. Einzigartig. Märchenhaft. Glamourös", stellt Heidi Klum ihre aktuelle Staffel vor und man kann jedem nur davon abraten, das in den Alltag zu übernehmen. Da sollte es ein "Guten Tag, ich bin der Joachim" tun, ansonsten kommt man eher eingebildet rüber. Muss natürlich jeder selber wissen. Doch da strömt schon eine Riege Tänzerinnen und Tänzer des Friedrichstadt Palastes in die Halle und die Show beginnt.

Germany's Next Topmodel
Modedesigner Jean Paul Gaultier und Heidi Klum beim Finale von "Germany's Next Topmodel" auf der Bühne. © Claudius Pflug/ProSieben/dpa

Die Final-Models stoßen dazu und vollführen raumgreifende Posen mit ihren Armen. Einen direkten Zweck scheinen sie mit dem Arm-Gewedel nicht zu verfolgen, aber es verbreitet eine gewisse Hektik. Dann laufen die Models ihren ersten Walk des Abends und bereiten so den Auftritt der Person vor, um die es an diesem Abend gehen soll: Heidi Klum. Doch was ist das? Auf der Bühne steht Leni Klum und räkelt sich, ehe Mutter Klum erklärt, sie überlasse wegen ihres Alters das Opening der Jugend.

Da fragt man sich natürlich, ob die Klum senior nur wieder einmal ein Familienmitglied in der Show untergebracht hat oder ob Leni Klum demnächst den elterlichen Betrieb übernehmen soll. Sollte das der Fall sein, ist es natürlich gut, wenn sie jetzt schon weiß, wo alles steht. Mutter Klum ist jedenfalls stolz auf ihre Tochter: "Danke Leni, hast du toll gemacht", lobt Klum ihre Tochter und man fragt sich, was genau Leni denn gemacht hat. Eigentlich stand sie nur ein paar Sekunden auf der Bühne und hat die Arme hin und her bewegt.

Kandidatin Katherine und die Sache mit der Zeit

Aber Eltern müssen eben stolz auf ihre Kinder sein, egal was sie machen. Einen schiefgegangenen Sketch über ihre "Quietschestimme" später begrüßt Heidi Klum den ersten Gast auf ihrer "Wetten, dass..?"-esken Showcouch. Mode-Designer Jean Paul Gaultier gibt sich die Ehre und plaudert mit Klum über Diversität auf dem Laufsteg: "Warum machen das so wenige?", befragt Klum Gaultier über seine Kollegen, dabei müsste sie nur ein paar Jahre zurückdenken und ihr damaliges Ich fragen, wie das so bei GNTM war mit der Diversität.

Gaultier ist diesbezüglich jedenfalls ratlos und so quasselt man lieber über die Herkunft von Gaultiers Energie. Weil die Klum ihre Riesencouch an diesem Abend voll machen will, füllt sich diese nach und nach: Kim Petras, ESC-Gewinnerin Loreen, Designer Christian Cowan, Choreograph Majnoon, die Scorpions und natürlich Leni Klum. Den Belanglosigkeiten, die auf der Couch ausgetauscht werden, darf Ex-Kandidatin Katherine Belanglosigkeiten aus dem Backstage-Bereich hinzufügen.

Ihren Einstand gibt das frisch gebackene Nicht-Topmodel allerdings mit dem Satz "Es ist einfach so krass wie schnell diese Staffel vorbeigegangen ist" und beweist damit, dass sie ein wirklich schlechtes Zeitgefühl hat. Apropos Zeit: An der drehen die Finalistinnen bei ihrem ersten Ausscheidungswalk. Denn die Models sollen zunächst rückwärts laufen und sich dabei einen Mantel ausziehen. Danach wird die Szene wieder abgespielt, so dass die Damen dadurch einen herkömmliche Vorwärts-Walk machen.

"Germany’s Next Topmodel": Rauswurf ja, Begründung nein

An dieser Stelle kommt also wieder die Sache mit den Ideen zum Tragen, denn Models rückwärts laufen zu lassen, um dann das Gesehene vorwärts abzuspielen, damit man sieht, wie sie vorwärts laufen – das hätte man deutlich einfacher haben können. Am Ende des unnötig komplizierten Walks steht jedenfalls Klums Entscheidung, Nicole rauszuschmeißen. "Es tut mir leid, du hast dich tapfer geschlagen. Du bist ‘ne ganz tolle Frau", erklärt die Klum zum Abschied, was allerdings ein bisschen dünn als Begründung dafür ist, dass Nicole die Siegprämie von 100.000 Euro nicht bekommt.

Germany's Next Topmodel
Heidi Klum (vorne links) hatte beim Finale unter anderem ESC-Gewinnerin Loreen (vorne rechts) zu Gast. © Claudius Pflug/ProSieben/dpa

Die Klum hätte sich wenigsten einen Signature-Spruch ausdenken können, so wirkt die Entscheidung nicht nur willkürlich, sondern auch lieblos. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Spruch in der "1, 2 oder 3"-Variante: "Ob du wirklich Model bist, hörst du, wenn die Heidi spricht." Oder eher im Bibi-Blocksberg-Style? "Eene, meene Mäuseköttel, du bist jetzt das neue Möddel – hex, hex!" Oder doch lieber nach Bauernregel-Tradition: "Kräht die Heidi auf dem Mist, bist du Model oder nicht!"

So aber kann man allen Kandidatinnen von Staffel 19 nur raten, sich den Kriterienkatalog zeigen zu lassen, nach dem die Klum beurteilt. Außerdem sollten sie darauf drängen, dass eine unabhängige Jury aus mehreren Experten entscheidet und nicht nur eine einzelne Person. Und zuletzt sollten sie sich vergewissern, dass es eine Beschwerdestelle gibt. Nicht, dass der Rechtsweg nach einem ungerechten Urteil ausgeschlossen ist. Es geht schließlich um eine Menge Geld.

Vivien ist Germany’s Next Topmodel

Das ist aber Zukunftsmusik, in der Gegenwart gibt es eben keine Begründung und da niemand der Anwesenden etwas sagt, macht die Klum weiter mit ihrer Show. Es gibt einen "Ballroom-Walk" mit Geweih, Motorradhelm und Mülltüten-Kleid, die freiwillig ausgeschiedene Tracy quatscht sich selbst in die kommende Staffel, die Kandidatinnen laufen sich die Füße wund und die Heidi Klum dürfte mit ihrer Entscheidung, die Scorpions (!) in die Show zu holen, die eigene Zielgruppe verwundert zurückgelassen haben.

Am Ende wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Somajia und Vivien. Beziehungsweise wissen wir das nicht, denn als Heidi Klum am sehr späten Donnerstagabend Vivien Blotzki zur Siegerin erklärt, gibt es auch diesmal keine Begründung. "Sie wissen ja: Nach der Staffel ist vor der Staffel", beendet die Klum die Show, aber daran wollen wir jetzt noch gar nicht denken.

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Teaserbild: © Claudius Pflug/ProSieben/dpa