Natürlich war Stefan Raabs TV-Comeback eine der großen Überraschungen des Fernsehjahres. Noch überraschender war vielleicht nur, dass Raab bei seiner Rückkehr bisher jegliche Innovationsfreude vermissen ließ. Auch mit seiner neuen Show "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" wagten sich Raab und RTL am Samstagabend nicht wirklich aus der Komfortzone. Selten war Fernsehen so mutlos.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Ich hab mir überlegt: Ich mach wieder Shows", verkündete Stefan Raab nach seinem Boxkampf gegen Regina Halmich, der gleichzeitig sein Comeback auf dem Fernsehbildschirm war. Das war nicht die ganz große Überraschung, denn dass Raab nach über neun Jahren nur für einen Show-Kampf aus dem TV-Exil zurückkehrt, hatte wohl niemand vermutet. Am Ende ging es mit der Rückkehr auch schnell los, in der gleichen Woche startete schon seine neue RTL-Show "Du gewinnst hier nicht die Million".

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Dass die neue Show aber nur der Anfang und nicht das Ende von Stefan Raabs TV-Comeback gewesen ist, machte RTL relativ schnell klar und versprach die erste Abendshow noch für dieses Jahr und weitere für das folgende. Und so steht Stefan Raab nun am Samstagabend mit Michael "Bully" Herbig in einem RTL-Studio, um die erste gemeinsame Show "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" zu präsentieren (hier gibt es den Live-Ticker zum Nachlesen) und es ist offensichtlich, dass der Titel nur des Reims wegen entstanden ist – so viele Wörter reimen sich eben nicht auf "Bully".

"Schlag den Raab und den Herbig"

Despektierlich ist der Titel dennoch ein wenig, aber damit passt er zu Raabs "Humor". Bei dem geht es in erster Linie darum, sich über jemanden lustig zu machen, so funktionierte "TV total" und so funktioniert auch "Du gewinnst hier nicht die Million". Der Unterschied zu damals: Offenbar kommt dieser Humor beim Publikum nicht mehr so gut an, nach einem Anfangshoch gehen Raab und seinem "Du gewinnst hier nicht die Million" mehr und mehr die Zuschauer stiften.

Möglicherweise liegt der Zuschauerschwund aber auch daran, dass man sich für "Du gewinnst hier nicht die Million" ganz freudlos entschieden hat, einfach die Show-Konzepte von "TV total" und "Schlag den Raab" zusammenzuschmeißen: erst ein bisschen Stand-up, dann Spiele gegen Zuschauer-Kandidaten. Offenbar bekommt man so aber nicht die früheren Zuschauer von "TV total" und "Schlag den Raab", sondern weder die einen noch die anderen. Da kann es nur helfen, dass man sich bei "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" für nur eine der beiden Show-Ideen entschieden hat.

Preise für Originalität bekommt man so allerdings sicher nicht. Denn die Show ist im Endeffekt eine fast identische Kopie von "Schlag den Raab". Ein Nicht-Prominenter spielt gegen einen Prominenten verschiedene Wissens-, Geschicklichkeits- und Sport-Spiele. Wer am Ende mehr Punkte gesammelt hat, gewinnt einen größeren Geldbetrag, in diesem Fall 250.000 Euro. Das ist maximal uninspiriert, da hilft es auch nicht, dass man unter dem RTL-Dach ein paar Nuancen anders gemacht hat, als seinerzeit bei ProSieben.

Fernsehen der 2000er im Jahr 2024

Denn diesmal, der Titel der Show verrät es, spielt Stefan Raab nicht alleine, sondern im Team mit Michael "Bully" Herbig. Für den Ausgang der Spiele bedeutet das, dass der Kandidat immer besser sein muss als der bessere seiner beiden Gegner.

Wer dieser Kandidat ist, der gegen Raab und Herbig spielen darf, machen zuerst vier TV-Zivilisten unter sich aus und wie bei "Schlag den Raab" sind das Männer und Frauen in ihren Dreißigern, die sich selbst für sportliche wie intellektuelle Multitalente halten. Am Ende gewinnt mit Kandidat Marc ein 35-jähriger Bundeswehrarzt aus Berlin, der gerne "Trivial Pursuit", Tennis, Judo und Marathon mag.

Auch bei der Punktvergabe gibt es eine kleine Änderung. So steigt die Anzahl der zu gewinnenden Punkte nicht bei jedem Spiel, sondern erst nach jedem dritten Spiel, in den letzten drei der insgesamt 12 Spiele kann man pro Spiel dann sechs Punkte holen. Den Abend gewinnt derjenige, der zuerst 19 Punkte erreicht. Sollte das Kandidat Marc sein, gewinnt er die 250.000 Euro, gewinnen Bully und Raab, wandert die Summe in den Jackpot, in der nächsten Show gäbe es dann also eine halbe Million Euro zu gewinnen.

Das war's aber auch schon weitgehend an Innovationen, der Rest unterscheidet sich fast gar nicht mehr von "Schlag den Raab": die gleichen Schnitte, die gleichen Kamerafahrten, die gleichen Wiederholungen, die gleiche Überlänge, die gleichen Spiele, die gleiche Moderation, der gleiche Sound und mit Frank Buschmann einen "Schlag den Raab"-Veteranen in der Kommentatoren-Kabine. Das ist Fernsehen der 2000er im Jahr 2024. Ist so viel Ähnlichkeit schlimm? Erst einmal nicht, so lange die Unterhaltung stimmt.

Sogar "Bully" Herbig von Raab genervt

Über die kann man sich am Samstagabend tatsächlich nicht beschweren, aber nur, sofern man auch an "Schlag den Raab" seinen Spaß hatte. Wer hingegen Raab-lose Samstagabendunterhaltung oder auch nur andere Game-Shows gewohnt ist, den dürfte "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" ein wenig irritieren. Denn die Show holt neben all den oben genannten Eigenheiten auch die anstrengenden Diskussionen Raabs ums Regelwerk zurück.

Männer, die Federn und Bälle aus Schüsseln pusten. © RTL/Raab ENTERTAINMENT/Markus Hertrich

Gleich beim ersten Spiel müssen die Spieler jeweils drei Schüsseln leer pusten und Raab fragt Moderator Elton mehrmals, ob die Schüsseln wirklich das einzige seien, das er nicht berühren darf. Elton durchschaut Raabs Strategie, verneint erst, dass er auch nicht einfach den Tisch, auf dem die Schüsseln stehen, umwerfen dürfe und dann, dass er auch nicht den Inhalt mit der Hand entfernen dürfe. Offenbar reicht es Raab nicht, lediglich das zu machen, was ihm aufgetragen wird, er muss sogleich auch Lücken im Regelwerk ausfindig machen.

In diesem Stil geht es weiter, kurz darauf moniert Raab, dass die Bälle in den Schüsseln nicht identisch liegen würden; bei einem Spiel, bei dem es ums exakte Abwiegen von Weihnachtsutensilien geht, will er das Ergebnis der Kandidaten nachwiegen; dann fragt er, ob die Waagen auch geeicht seinen. Bully Herbig sind solche Mätzchen von Anfang an egal, was auch Kommentator Frank Buschmann irgendwann merkt: "Spannend ist, zu beobachten []…, dass Stefan selbst seinen Teampartner nervt mit der Fragerei, aber das gehört zu Stefan Raab dazu."

Immerhin spannend: Marc gewinnt die erste Ausgabe

Ja, das gehört bei Raab offenbar dazu und umso angenehmer ist es, dass mit Herbig ein deutlich weniger ehrgeiziger Partner an Raabs Seite steht. Zwar brennt der Komiker kein Gag-Feuerwerk ab, aber er lässt doch an jeder passenden Stelle ein bisschen den übertriebenen Ernst aus der Sache. Als Elton etwa beim Puste-Spiel ankündigt "Hier die nächsten Gegenstände", scherzt Bully: "Goldbarren".

So sieht Minigolf-Bowling aus. © RTL / Raab ENTERTAINMENT / Markus Hertrich

Neben Bullys Witzeleien hat "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" aber noch etwas auf der Habenseite: die Spannung. Denn am Ende ist es wirklich äußerst knapp, als sich die drei beim dann letzten Spiel des Abends im Frisbee-Zielwerfen duellieren. Da hätte Raab mit einem einzigen Wurf Marcs Matchball abwehren können, versagt aber. Kandidat Marc gewinnt dadurch um halb zwei Uhr am Sonntagmorgen und kann sich gleich als allererster Kandidat über eine Viertelmillion Preisgeld freuen.

Im Frühjahr 2025 soll nun die zweite Ausgabe folgen, so verkündet es zumindest Elton am Samstagabend. Ob das wirklich so ist, wird man bei RTL wohl entscheiden, wenn die ersten Zahlen vorliegen. Die wird man sich ganz genau ansehen und analysieren, denn "Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli" hat nicht nur das Problem, dass es "Schlag den Raab" in der RTL-Version ist, sondern dass es beim Kölner Sender zusammen mit "Du gewinnst hier nicht die Million" und "Eltons 12" nun drei Formate gibt, die sich im Grunde dieselbe Idee teilen.

Damit ist Raabs Rückkehr tatsächlich das einzig wirklich Innovative an Raabs Rückkehr. Seine Shows sind es bislang jedenfalls nicht.

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