• Sat.1 surft jetzt auch auf der Retro-Welle und holt nun wöchentlich einen alten Show-Klassiker aus dem frühen TV-Pleistozän.
  • Den Anfang machte am Montagabend die Rateshow "Die Pyramide", die einst von Dieter-Thomas Heck moderiert wurde.
  • Mit dabei waren Stars wie Simone Thomalla, Ruth Moschner, Bastian Bielendorfer und Tom Beck.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Sat.1 macht es sich derzeit in der vermeintlich guten alten Fernseh-Welt gemütlich und holt für drei Monate einstige Show-Klassiker aus der Schublade. Der Sender nennt das originellerweise "Kultwochen". Und so wähnte man sich am ersten "Kultwochen"-Montagabend im Frotteepyjama am Flokati vor der Wohnlandschaft, während hinter einem Vati, Mutti und der dreibeinige Chow Chow im Leder der giftgrünen Sitzgarnitur versinken. Neben einem die blöden Geschwister.

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Der erste Ausritt auf der Nostalgiewelle bescherte uns am Montagabend "Die Pyramide" – eine Quizsendung, die von 1979 bis 1994 im ZDF ausgestrahlt und von Dieter-Thomas Heck moderiert wurde. Wie schon vor 17 Jahren, als die Sendung unter dem Titel "Hast du Worte?" neu aufgelegt wurde, durfte beim aktuellen Revival erneut Jörg Pilawa ran.

Körperarbeit beim Umschreiben

Gespielt wird bei "Die Pyramide" meist mit dem ganzen Leib. Erhofft wird, dass die Zuseher bei den verbalen und körperlichen Verrenkungen von Promis wie Schauspielerin Simone Thomalla, Moderatorin Ruth Moschner, Comedian Bastian Bielefeld sowie Mime Tom Beck mitfiebern, wenn diese ihren "Normalbürger"-Teampartnern Worte und Begriffe im Kampf gegen die Uhr umschreiben müssen. Weil jeweils ein Promi und ein Zuschauerkandidat machen nämlich gemeinsame Sache und treten in Duellen gegen die anderen "Promi-Normalo"-Konstellationen an.

Am Ende jeder Runde darf das beste Team die Pyramide spielen und bis zu 22.000 Euro sammeln. Geld, das die "Normalos" übrigens in ihren eigenen Börsen ablegen dürfen. Jörg Pilawa kündigte im Vorfeld an, dass man das eine oder andere neue Element und Gimmick implementiert habe, was auch erklären könnte, warum die Show nicht wie einst 45 Minuten, sondern mehr als doppelt so lang dauert.

Krach im Team Thomalla

"Man soll ja nicht um den heißen Brei herumreden. Von wegen! Natürlich muss man das", eröffnete Jörg Pilawa das illustre Treiben. Simone Thomalla und Zuschauerkandidat Hendrik, ein Startup-Gründer, mussten umgehend loslegen und definierten dabei gleich mal die Spielregeln. Regel eins: Du darfst den anderen auch mit 200 Dezibel Lösungsvorschläge zurufen. Regel zwei: Du kannst dich auch ruhigen Gewissens indigniert geben, wenn der Partner Sinnbefreites geschwurbelt hat, anstatt den Begriff halbwegs normal zu umschreiben. Dass Hendrik in 30 Sekunden nur einen von sieben gefragten Termini entschlüsseln konnte, lag primär daran, dass Thomalla konfus herumschrie und er ständig auf der Leitung stand.

Bastian Bielendorfer und Mitspielerin Gabriele präsentierten sich da ungleich erfolgreicher. "Mega!", meinte Pilawa über alle sieben von Bielendorfer gut beschriebenen und von Gabriele gut erratenen Begriffe zum ersten Mal an diesem Abend. In den Runden durfte auch mit Geräuschen und Gesten hantiert werden.

Gesucht: "Die ganze Area" im Intimbereich

Unterhaltsam wurde es zunächst eigentlich nur, wenn Unvermögen aufblitzte. "Viele Berge in Deutschland, Österreich und der Schweiz", versuchte Moschner "die Alpen" für ihren Tim zu umreißen, der ihr daraufhin ein unglaublich entschlossenes "Erzgebirge!!!" hinknallte.

Moschners Umschreibung für "Kaffee" – "Das trinkt man morgens mit Milch oder Zucker und macht sehr wach" – traf hingegen für gute 15 Sekunden auf völlig Ratlosigkeit. "Läuft für uns", meinte die 46-Jährige, der ausnahmsweise mal das Lachen verging, nachdem es in Tims Zerebrum auch bei ihrer "Essig"-Umschreibung zappenduster geblieben war: "Das macht man mit Öl zusammen auf den Salat und ist sauer!". "Rucola? Basilikum???", tappte Tim im völligen Dunkeln, kurz bevor es bei Thomalla und ihrem Hendrik wieder impulsiv wurde.

Er musste ihr "Intimbereich" verdeutlichen. "Was ist da unten?", brüllte er sie mit weit aufgerissenen Augen hektisch an, während er zuerst auf seine, dann auf ihre Körpermitte zeigte. "Penis? Vagina?", rätselte die Schauspielerin. "Nein, die ganze Area!", brüllte er sie an. "DIE GANZE AREA!!!".

Beck schmeckt’s nicht

Was zu erwarten war: Bereits nach gut 20 Minuten wurde das simple Umschreiben der Begriffe ein wenig langweilig. Ein wenig ermüdend. Plötzlich kam es auch vor, dass Hendrik seiner in der Öffentlichkeit stehenden Spielpartnerin am Ende einer Runde gar nicht mehr mittels Geste zu verstehen gab, dass sie etwas schwer von Begriff sei. Langweilig!

Da halfen auch die Spiele vor der "Pyramide" nichts, wo der Promi seine Hände in Schlaufen legen musste, um Gestiken zu vermeiden. Dort galt es nun, zusammengesetzte Wörter zu umschreiben oder Begriffe mit nur drei Worten zu beschreiben. Für jeden richtig erratenen gab es einen bestimmten Geldbetrag.

Da war es der Spannung schon zuträglich, dass zu späterer Stunde in den Spielrunden hinter mancher Kategorie ein "Aktionsspiel" steckte – gleichsam verschiedenste Hürden, die dem erklärenden Teampartner das Um- und Beschreiben der Begriffe erschweren sollten. Tom Beck etwa musste Getränke aus sieben Bechern erschmecken und diese dann Teamkollegin Stefanie in lediglich 60 Sekunden erklären. "Ich glaub, das ist Milch mit Pulver drin", so der Mime über den Kakao, den er den Strohhalm hochholen musste. "Cola, Wasser, Fanta!", spekulierte Stefanie, die offenbar alles gern mit Milch mischt.

Dann ihr großer Fauxpas: "Das ist verdammt ekelhaft und du würdest es nicht bestellen“, versuchte Beck seinen Zitronensaft, den er, wie schon den Orangensaft und Kakao zuvor, als solchen gar nicht wirklich erkannte, zu umschreiben. "Bier!", stieß Stefanie, mit der irgendwas nicht ganz stimmen kann, plötzlich hervor.

"Mega", "Supermega" und "Absolut mega"

Bielendorfer, der möglicherweise, wenn es ums Tanzen geht, ein wenig Blei an den Hüften hat, und seine Gabriele erwiesen sich an diesem Abend geistig überaus rege und als formidable Quizzer. Auch von den in den sozialen Medien Kommentierenden wurden die beiden rasch als Favoriten gehandelt. "Mega!", "Supermega!" oder "Absolut mega!", kommentierte auch Pilawa deren Performance regelmäßig.

Klar, dass Bielendorfer und Gabriele auch das Halbfinale erreichten, wo sie es überraschenderweise mit Thomalla und Hendrik, die sich im Laufe der Show sukzessive zusammenrauften, zu tun bekamen. "Ich würde mit dem Geld mit meiner Oma eine kleine Kreuzfahrt machen. Sie ist einer der besten Menschen auf der ganzen Welt", verriet Hendrik seine Pläne, sollte er im Finale reüssieren. Gabriele hätte sich gern ein Auto gekauft, bekommt dazu aber leider keine Gelegenheit, da sie und Comedian Bielendorfer im Halbfinale gegen die Schreivögel das Nachsehen hatten.

Im Finale: "Kaputtes bringt Pech"

Im Finale bekam das Team der einstigen Leipziger "Tatort"-Kommissarin die Möglichkeit, pro erratenem Sprichwort 2.500 Euro für Hendrik zu gewinnen. Doch Thomalla hatte ihre Nerven nicht im Griff und posaunte bei nahezu jedem der sechs Sprichwörter ein Wort heraus, welches sie nicht hätte nennen dürfen.

Dass Hendrik, bevor sie auch nur ein einziges Wort formulierte, bereits in Rekordlautstärke "Hochmut kommt vor dem Fall" herausschrie, sorgte für den letzten Schmunzler des Abends. Für die Umschreibung von "Kaputtes bringt Pech" für "Scherben bringen Glück" gab’s dann letztlich immerhin nochmal zusätzlich 2.500 Euro für Hendrik, der Thomalla, die ihre finale Performance mit "Es war so scheiße!" zusammenfasste und die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug, am Ende eines überlangen Abends noch umarmte. Schön! Schön auch, dass die Sendung nun aus war. Vielleicht werden "Jeopardy", "Die Gong Show" und "Herzblatt" an den kommenden Montagen ja überzeugender.

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